Diese Rezi bin ich noch schuldig (mancher wird wissen, was ich meine)
Allgemeines
Autor: Daniel Keyes
Gebundene Ausgabe: 298 Seiten
Verlag: Klett-Cotta; Auflage: 2., Aufl. (Januar 2007)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 360893782X
ISBN-13: 978-3608937824
Originaltitel: Flowers for Algernon
Preis: 19, 95 Euro
Handlung, Aufbau, Stil
Das Buch handelt vom 32-jährigen Charlie Gordon. Charlie ist geistig behindert und intellektuell auf dem Stand eines 5-jährigen. Dennoch hat er eine eigene Wohnung und einen Job in einer Bäckerei - dort putzt er oder schleppt Sachen durch die Gegend. Beides verdankt er seinem Onkel. Nach der Arbeit besucht er eine Schule für retardierte Erwachsene, denn sein sehnlichster Wunsch ist: so "intellent" werden wie die anderen und lesen und schreiben lernen. Seine Lehrerin Alice erkennt, wie motiviert er ist, und schlägt ihn daher vor als Teilnehmer eines neues Experimentes. Es wird eine Operation am Gehirn vorgenommen und anschließend, wenn alles gut geht, ist der Proband in der Lage, schneller zu lernen und sein IQ steigt. An der Maus Algernon wurde das Experiment schon erfolgreich vorgenommen, und Charlie wird nun der erste Mensch, der dieser Behandlung unterzogen wird....
Und es klappt, Charlie weiß und kann zwar nicht von heute auf morgen alles, aber er lernt sehr schnell. Und bald ist er gebildeter und auch intelligenter als die Ärzte, die ihn behandelt haben. Aber die Behandlung hat so ihre Nebenwirkungen.....sowohl körperliche, aber vor allem auch soziale und psychische.
Geschrieben ist das Buch in Tagebuchform und die Aufzeichnungen beginnen kurz nach Charlies Aufnahme zum Experiment. Er soll für die Ärzte Berichte schreiben, damit sie seine Fortschritte erkennen können, und eben diese Berichte bekommt der Leser präsentiert. Anfangs ist das Lesen etwas anstrengend, denn Charlie kann ja nicht so gut schreiben. Bis ich mal raus hatte, was ein Borfesser ist......Borf- Esser? Borf? Was ist Borf? und wer isst das?.....bis mich dann das Brett vorm Kopf verließ: ich Depp, klar, Professor!!!!!!!! Anfangs ist das echt anstrengend zu lesen, aber das ist auch toll so, denn so ist man direkt bei Charlie. Später werden Orthographie, Interpunktion und auch Wortschatz und Stil immer besser, bis es irgendwann richtig perfekt ist.
Meine Meinung
Ich liebe dieses Buch. Und ich glaub, alle drei Seiten habe ich geweint und brauchte ein Taschentuch*g*
Und man darf sich nicht abschrecken lassen von: Science Fiction. Das Buch ist keine Science Fiction! Das Einzige ist eben diese OP, die so nicht möglich ist. Aber alles andere im Buch hat mit Science Fiction null zu tun, sondern das Buch ist ein trauriger Bericht über das Empfinden von Menschen mit gewissen Einschränkungen.
Direkt auf der ersten Seite habe ich Charlie in mein Herz geschlossen. Direkt auf der ersten Seite wird klar, wie groß sein Wunsch ist, so zu sein wie die andern, die schreiben können und rechnen etc. Und direkt auf der ersten Seite wird klar, dass er bereits ist wie alle Menschen, auch wenn er Einschränkungen hat. Denn eigentlich will er einfach nur geliebt werden. Und wollen wir das nicht alle? Egal, was wir alles Tolles können, wie erfolgreich wir im Beruf sind, ist nicht das Wichtigste, sich geliebt zu fühlen? Und das wird direkt auf der ersten Seite klar, dass Charlie dieses Gefühl in seinem Leben nie hatte, aber hofft, geliebt zu werden, wenn er klüger ist. Direkt auf Seite eins habe ich das erste Mal geheult*g*.
Charlies Eltern sind mit seinem Zustand nicht klar gekommen, sie haben ihn in ein Heim gegeben, als er noch ein kleines Kind war. Vor allem, weil die Mutter Angst hatte, dass der "Zurückgebliebene" der kleinen Tochter, die nach Charlie geboren wurde, was antut.
Aber Charlie hat nie aufgegeben. Bei seiner Arbeit in der Bäckerei fühlt er sich zwar nicht geliebt, wie man es von einer Mutter erwarten kann, aber immerhin fühlt er sich gemocht. Und auch da zerreißt es dem Leser das Herz, wenn Charlie z.B. darüber schreibt, wie bei einer Party er betrunken gemacht wurde, gezwungen eine Stripperin zu befummeln, alle lachten und am Ende wurde er noch irgendwo ausgesetzt und fand nicht mehr nach Hause. Und Charlie versteht das nicht und deutet das als "Spaß zusammen machen unter Freunden".
Je intelligenter er wird, desto mehr versteht er das alles. Und wird einsam. Vorher dachte er immer, er hat Freunde. Aber er erkennt, dass er nie welche hatte, und die angeblichen Freunde wollen jetzt, wo sie nicht mehr alles mit ihm machen können, mit ihm auch nichts mehr zu tun haben, weil er nicht mehr der gute, alte Charlie ist, den man veräppeln kann. Er versucht eine Beziehung zu seiner ehemaligen Lehrerin Alice aufzubauen, aber sie verlässt ihn, als er ihr zu klug wird und zu depressiv und aggressiv. Auch zu einer Nachbarin versucht er eine Beziehung aufzubauen, aber auch das geht schief, denn ihr ist Charlie eh zu merkwürdig und sie will nur Sex.
Auch die Ärzte wenden sich von ihm ab, als er sie intellektuell überholt hat und nicht mehr nach ihrer Pfeife tanzt. Nur Algernon ist ihm geblieben, die Maus, an der zuerst die OP durchgeführt wurde und die ihn anfangs immer besiegt hat bei Experimenten, wer schneller den Ausweg aus einem Labyrinth findet. .....Doch Algernon stirbt.....Und Charlie befürchtet, dass sein Ausflug in die Welt der Intelligenten vielleicht nur begrenzt war. Hab ich schon wieder geweint, zum wohl tausendsten Mal in diesem Buch*g*
Ich finde traurig, dass das Buch kaum bekannt ist und dass es als Science Fiction vermarktet wird. Nichts gegen Science Fiction, aber viele mögen das ja nicht so oder haben da Vorurteile und das Buch hat mit Science Fiction auch echt kaum was zu tun.
Es geht hier um die Beziehungen der Menschen untereinander. Und um Fragen wie: wie wertvoll ist ein Mensch? Ist nur jemand mit einem IQ von min. 100 wertvoll? Und auch um Dinge wie: man sollte jeden respektvoll behandeln! Der arme Charlie hat es ja nicht begriffen und wurde immer nur verarscht, bis er dann operiert wurde. Und das wirft die nächste Frage auf: vor seiner OP hatte er in seinen Augen Freunde. Was ändern wollte er nur wegen seiner Mutter, die ihn wegegeben hat. Wär er nicht besser dran gewesen, wenn er bleibt, wie er ist? Und nie erkannt hätte, dass seine angeblichen Freunde ihn nur verarschen?
Ich finde, das Buch wirft viele wichtige Fragen in diese Richtung auf. Wer ist besser dran? Der Hochintelligente, der jede Verarsche sofort durchschaut? Oder der Retardierte, der selbst bei der größten Schikane noch annimmt, dass seine "Freunde" nur Spaß machen wollten und er den Spaß nicht verstanden hat, aber es schön fand, dass seine "Freunde" ihn einbeziehen.
Die Antwort scheint klar. Aber nachdem man das Buch gelesen hat, ist die Antwort nicht mehr so klar. Jeder möchte doch einfach nur sich wohl fühlen. Und ich hätte Charlie gewünscht, dass er bleibt, wie er ist.
Ist Intelligenz wirklich so wünschenswert? Und ist sie das, wonach ich urteile, ob ich wen mag oder nicht? Solche Fragen stellt das Buch. Und für mich lautet in beiden Fällen die Antwort nein.
Ich finde schade, dass dieses Buch so wenig bekannt ist, denn ich finde es wichtig. Es schafft Verständnis für Behinderte. Es schafft Verständnis für Menschen, die isoliert sind oder sich zumindest so fühlen. Egal ob nun zu dumm oder zu klug. Und vor allem verbreitet es (für mich) die Nachricht: Jeder Mensch ist gut so, wie er ist, da sollte man nicht rumpfuschen, sondern einfach jeden so wertschätzen, wie er eben ist.
Dass ich 10 Punkte gebe, sollte nach meiner Lobrede klar sein.