Rabea Edel – Ein dunkler Moment
• Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
• Verlag: Luchterhand Literaturverlag (8. März 2011)
• ISBN-13: 978-3630873381
• Preis: 18,99 € (gebunden), 8,99 € (TB), 7,99 € (ebook)
Klappentext:
Von der geheimen Faszination des Bösen
Auf unheimliche Weise ist die Amerikanerin Amanda in zwei elf Jahre auseinander liegende Morde verwickelt. Angelehnt an zwei reale Fälle geht Rabea Edel dieser Verbindung nach und löst Schritt für Schritt das Geflecht von scheinbaren Zufällen und verborgenen Zusammenhängen. In bestechend klaren Bildern erzählt sie die spannende Geschichte eines Mordes und seiner späten Konsequenzen und wirft dabei ein Licht auf die Momente, in denen das Dunkle, Unfassbare aus einem Menschen hervorbricht – und sei es nur für einen kurzen, verhängnisvollen Augenblick.
Es ist der 5. April 1998: In einer amerikanischen Kleinstadt tötet ein Jugendlicher seine Eltern mit einem Baseballschläger und ruft danach die Polizei. Seine Schwester Amanda verbringt die Nacht in den Feldern vor der Stadt. Erst als alles vorbei ist, kommt sie nach Hause zurück.
Es ist der 5. April 2009: In einem Vorort von Rom wird eine junge Frau ermordet. Die Mörderin tauscht mit ihrem Opfer, dem sie zum Verwechseln ähnlich sieht, die Kleider und begibt sich auf eine mehrere Tage dauernde Odyssee durch die Stadt. Durch Zufall kreuzt sich ihr Weg mit dem des Pathologen Andrea Landolfi, der mit der Obduktion der ermordeten Römerin beauftragt worden ist. Doch wer ist Amanda wirklich, und wer die Tote? Rabea Edel erzählt in ihrem neuen Roman von der Unwägbarkeit des Zufalls und von der verstörenden Faszination des Bösen. Elegant verknüpft sie die Geschichten verschiedener Menschen miteinander, die alle ein einziger verhängnisvoller Augenblick eint.
Zur Autorin:
Rabea Edel, geb. 1982, studierte Italianistik/Literaturwissenschaften in Berlin und Siena. Sie lebt als freie Autorin in Berlin. Für ihr Schreiben erhielt sie verschiedene Preise und Stipendien, u.a. war sie Preisträgerin des 12. Open Mike (2004) und Stipendiatin der Jürgen-Ponto-Stiftung (2005). Ihr Romandebüt „Das Wasser, in dem wir schlafen“ wurde von der Kritik begeistert aufgenommen und vielfach ausgezeichnet u.a. nach Vorschlag von Hertha Müller mit dem Kunstpreis Literatur Berlin-Brandenburg (2006), sowie dem Nicolas-Born-Förderpreis (2007). 2009 war Rabea Edel Stipendiatin der Bundesregierung/Deutschen Akademie Rom in der Casa Baldi.
Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Mord im Jahr 2009. Das Mordopfer selbst spricht zu uns Lesern, was einen surrealen Klang erzeugt. Wir erfahren nicht, wer die Ermordete ist, ebenso wenig wer die Mörderin ist.
Dann folgt eine Schilderung, die die Ereignisse in den Jahren 1998- 1999 umfasst. Billy tötet mit einem Baseballschläger seine Eltern und seine jüngere Schwester. Nur Amanda, seine andere Schwester, überlebt.
Hier wählt die Autorin die personale Perspektive, berichtet aus Sicht mehrerer Figuren. Dieser Zeitabschnitt ist wiederum aufgeteilt in zwei Handlungsorte: die USA mit den Figuren Billy und Amanda und Italien mit dem Pathologen Andrea Landolfi und der Fotografin Claudia. Der Pathologe hat massive Probleme, seinem Beruf nachzukommen. Er kann sich nicht mehr überwinden, die ihm überstellten Toten zu obduzieren. Schwindel erfasst ihn. Die Beziehung zu Claudia ist dadurch ebenfalls belastet.
Nach ca. einem Drittel springt die Geschichte wieder ins Jahr 2009 zurück. Wer ist nun die Tote? Landolfi, der seit Jahren keine Leichenöffnungen mehr vorgenommen, sondern eine lehrende Tätigkeit an der Universität aufgenommen hat, muss für einen Kollegen einspringen und die Tote, von der wir in der Eingangssequenz erfahren haben, obduzieren.
Die Tote und ihre Mörderin sehen sich sehr ähnlich. Eine von beiden muss Amanda sein, oder? Aber welche?
Es erfolgt nach einem knappen weiteren Drittel erneut ein Zeitsprung. Die Jahre 2000 bis 2008 werden in einer kurzen Sequenz beleuchtet, ehe die Erzählung wieder in der Gegenwart ankommt.
Die Wiedergabe des Inhalts lässt einen Krimi vermuten, doch das wird diesem Roman nicht gerecht. Vielmehr ist es ein literarisches Psychogramm mit Thriller-Elementen. Der klassische Krimileser könnte enttäuscht werden, denn man erfährt zwar, wer die Mörderin ist, jedoch wird nicht auf das Motiv eingegangen. Die Autorin bietet dem Leser viel Raum zu Spekulationen und eigenen Vermutungen.
Immer wiederkehrende Tiermotive (Hund, Schwalben, Fuchs) bieten ebenfalls Anlass für Gedankenspiele, verbunden mit der Frage, was die Autorin nun wirklich damit bezweckt.
Es ist ein dichter Roman, prallvoll und sprachlich kristallklar ausformuliert. Und dennoch bleibt das Gesamtbild am Ende fragmentarisch, mit Szenen (Nebenfiguren betreffend), die scheinbar willkürlich eingefügt wurden. Beim Lesen ist Aufmerksamkeit gefragt.
Die Grundnote des Romans bleibt kühle Distanz und nüchterne Klarheit.
Ich gebe 9 von 10 Punkten.