Nettes Buch - aber leider nicht mehr...
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Es ist immer eine schwierige Frage, wem man es anlasten soll, wenn man von einem Buch enttäuscht ist. Den eigenen Erwartungen? Der Werbung? Dem Klappentext? Oder dem Autor selber? Bei diesem Buch ist es für mich eine Mischung aus alledem.
Vorab möchte ich aber betonen, dass ich das Buch keineswegs "verreissen" möchte. Zudem kenne ich die Autorin sonst nicht weiter, und kann nicht beurteilen, inwiefern sich das Buch in ihr Gesamtwerk einfügt. Sie scheint ja, zumindest in Japan, schon einen gewissen Ruf zu genießen.
Das Buch würde ich insgesamt als "nett" im weitesten Sinne bezeichnen. Eine alleinerziehende Haushälterin wird bei einem kuriosen Mathematik-Professor angestellt, der seit einem Unfall an Gedächtnisverlust leidet, und auch sonst recht merkwürdig ist. Er strahlt aber eine Begeisterung für die Mathematik aus - und außerdem liebt er Kinder. So entwickelt sich über die Zeit hinweg eine gewisse Freundschaft zwischen allen Beteiligten, besonders zwischen dem Professor und dem Sohn der Haushälterin. Die Freundschaft hält bis zum Tod des Professors und darüber hinaus an. Der kleine Junge wird sogar selbst Mathematiklehrer.
Das hört sich, zugegeben, nicht schlecht an. Aber es weicht für mich doch von dem ab, was ich laut Klappentext und Werbung erwartet hatte. Es gibt keine Liebesgeschichte, wie ich zuerst vermutet hatte. Auch sonst keine große Dramatik. Das mag auch am leicht unterkühlt-sachlichen Erzählstil liegen - das Buch wird von der Haushälterin im Rückblick, in der Ich-Perspektive, erzählt.
Auch die ganze Problematik rund um den Gedächtnisverlust erfährt sehr viel weniger Aufmerksamkeit, als ich das erwartet hätte. Ich bin selber beruflich in einem Umfeld tätig, wo ich mit psychisch veränderten Menschen zu tun habe. Und da kann ich nur sagen, diese Aspekte sind mir nicht genügend ausgearbeitet. Sicher muss man als Autor auf einem solchen Gebiet kein Fachmann sein. Dennoch stören mich hier gewisse logische Stolpersteine.
Wie allerdings die Mathematik in die Handlung einbezogen wird, ja, das war schon recht flüssig und unterhaltsam. Auch für mich als absoluten Mathematik-Laien war alles verständlich, und konnte ein gewisses Verständnis für die Faszination der Welt der Zahlen gegenüber wecken. In seinen besten Momenten hat mich dieses Buch von Yoko Ogawa an meine Lieblingsbücher, "Fermats letzter Satz", und "Das Theorem des Papageis", erinnert.
Allerdings scheint mir der deutsche Titel nicht treffend gewählt. Die Eulersche Formel kommt zwar vor, hat aber keinerlei tragende Rolle. Sie steht lediglich für eine Marotte des Professors: sich in Krisensituationen in die Welt der Mathematik zu flüchten. Ein "Geheimnis" gibt es hier leider nicht.
Insgesamt hätte das Buch deutlich länger sein können. Es hätte mehr Seiten vertragen, um entweder mehr Dramatik und Ausarbeitung in die persönlichen Beziehungen der Figuren zu bringen - oder um eben dem Anspruch rund um den Unfall und den Gedächtnisverlust gerechter zu werden. Das mag aber auch jeder Leser anders sehen. Als passable Unterhaltung zwischendurch ist es sicherlich nicht ohne Daseinsberechtigung.