Pippa Bolle ist immer wieder für eine Überraschung gut. Von Band zu Band merkt man mehr, dass sich die Autorinnen mit ihren Figuren identifizieren, sie als "echte Menschen" betrachten. Und dass sie dabei auch den Leser im Blick haben.
Nach den drei ersten Bänden habe ich mich ja gefragt, was jetzt noch kommen soll. Schon wieder zufällig ein Haus eines Bekannten hüten? Und in welchem Land? Nein, es kommt viel besser. Pippa hat, durch ihre ersten Erfolge beflügelt, sogar eine "Agentur" für "House-Sitting" gegründet! Diesen Einfall fand ich wirklich liebenswert! Dennoch hütet sie hier kein Haus, sondern spielt die Gesellschafterin einer betuchten, betagten und recht exzentrischen Dame in der Altmark. Und diese Dame leitet, man höre und staune, auch noch eine Manufaktur für... Gartenzwerge! Schon der zweite schrille Einfall in diesem Buch, der mir sehr gefallen hat. Ich habe mich köstlich amüsiert, was es alles rund um die Herstellung von Gartenzwergen zu wissen gibt!
Als ich das Nachwort las, fiel mir auf, dass die Autorinnen diesmal ihrer eigenen Kindheit ein Denkmal gesetzt haben - in der Altmark haben sie zahlreiche Verwandte. Man merkt das auf fast jeder Seite. Der Menschenschlag und die Gegend werden so liebevoll und detailreich geschildert, dass es eine wahre Freude ist. Man würde am liebsten selber hinfahren. Und beinahe, aber wirklich nur beinahe, wäre dadurch für mich der "Fall" in den Hintergrund gerückt.
Auch was ebendiesen Fall betrifft, hat sich Pippa, sorry, haben sich die Autorinnen gesteigert. In den vorherigen Bänden "stolperte" Pippa immer mehr oder weniger zufällig durch die Handlung. Anders hier. Zu Beginn des Buches gibt es eine folgenschwere Verwechslung, und diese kann Pippa die ganze Zeit über nicht wirklich abschütteln. Sie wird von allen tatsächlich für eine Ermittlerin gehalten - also verhält sie sich auch so. Sie schnüffelt, durchsucht, stellt Listen auf, berät sich mit den Kommissaren. Und das Ganze eben auf die erfrischend andere Pippa-Art! Sozusagen eine Miss Marple der Neuzeit.
Das Buch ist aber dennoch kein billiger "Whodunit", also kein klassischer Krimi. Es geht um zwischenmenschliche Verwicklungen, die teilweise weit in der Vergangenheit liegen, und die noch mit der DDR-Geschichte zu tun haben. Das war zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar, und macht das Buch vielschichtig. Unterstrichen wird das durch die zahlreichen, ausgefuchst erdachten und mit Ecken und Kanten versehenen Charaktere. Ich habe wirklich sehr oft gelacht - vor allem bei der Schluss-Szene, dem wohl lustigsten "Geständnis", das ich je gelesen habe... und erst der Epilog, der das Buch so richtig "rund" machte.
Dieser Band hat mir so richtig Lust auf "Mehr" von Pippa gemacht. Die Autorinnen scheinen nun endgültig zu ihrer Höchstform gefunden zu haben. Sehr empfehlenswert für alle Liebhaber geruhsamer, heiterer Kriminalunterhaltung!
Edit: Bitte in den Threadtitel nur Buchtitel und Verfasser, ggf. Serienvermerk setzen. Den Kommentar habe ich entfernt. LG JaneDoe