Zufluchtsort - Furui Yoshikichi

  • Japan Edition
    263 Seiten


    OT: Sumika
    Aus dem Japanischen von Ekkehard May


    Kurzbeschreibung:
    Ein Zwei-Personen-Drama um Liebe, Sexualität und Wahn. Eine winzige Appartmentwohnung am Rande der Megalopolis Tokio ist Schauplatz dieses Romans. Hier entwickelt sich die beklemmend unmittelbar geschriebene Geschichte von Saë, einer jungen Frau aus der Provinz, die sich dem Leben in der unpersönlichen Millionenstadt kaum gewachsen zeigt, und Iwasaki, mit dem sie vor einigen Jahren in ihrem heimatlichen Bergdorf bereits ein kurzes Verhältnis unter dramatischen Umständen hatte, dem sie nun wiederbegegnet und zu dem sie zieht.


    Über den Autor:
    Furui Yoshikichi, geb. 1937, nach dem Studium der Germanistik zunächst Übersetzertätigkeit, ehe er mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit begann. Für den hier vorliegenden, 1978 erstmals veröffentlichten Roman erhielt Furui noch im gleichen Jahr einen großen japanischen Literaturpreis.


    Mein Eindruck:
    Ein anspruchsvoller Roman. Selbst im Nachwort steht:

    Zitat

    Furui Yoshikichi gilt in Japan als ein schwieriger Autor. Schwierig nicht nur aufgrund seiner dichten und stets ungewöhnlichen Diktion, sondern auch wegen der Behandlung ausgefallener, heikler, mysteriöser und dunkler Themen.


    Das ist zutreffend, dennoch ist das Buch eigentlich ganz gut lesbar.


    Es ist der mittlere Teil einer Trilogie, aber eigenständig lesbar.
    Dennoch hier der Klappentext zu dem ersten Teil zur Orientierung:


    Zitat

    Ein vierundzwanzigjähriger Student aus Tokyo wird während einer Wanderung im Gebirge, unweit eines Dorfes, von einem heftigen Gewitter überrascht und sucht Zuflucht in einem Tempelchen. Das hat ungeahnte Folgen. Kaum hat er sein Lager aufgeschlagen, erscheint eine geheimnisvolle junge Frau und macht ihm ein seltsames Angebot: Er soll für einige Tage bleiben und sich regelmäßig vor dem Tempel zeigen. Ihre Großmutter sei dem Tode nah, könne jedoch erst in Frieden sterben, wenn sie weiß, dass der "Heilige" da ist, um sie auf das Totenfeld jenseits des Flusses zu bringen. Der Student läßt sich ohne Überlegung auf den Vorschlag ein - und befindet sich unerwartet in der Rolle des "Heiligen".
    Denn in diesem entlegenen japanischen Bergdorf ist noch eine alte Begräbnissitte lebendig, nach der die Verstorbenen auf einem Gräberfeld jenseits des Flusses beigesetzt werden. Da nach shintoistischer Vorstellung alles, was mit dem Tod zusammenhängt, unsauber und deshalb zu meiden ist, übernimmt traditionsgemäß der Bettler, der Ausgestoßene dieser dörflichen Gemeinschaft, die Funktion des Totengräbers. Er wird zum "Heiligen Mann", dem Mittler zwischen Diesseits und Jenseits, der die Toten "über den Fluss" bringt.


    Unmittelbar daran schließt „Zufluchtsort“ an.
    Die Großmutter ist gestorben und sowohl die Enkelin Sae als auch der Student Iwasaki sind wieder in Tokio, allerdings getrennt voneinander. Erst nach einiger Zeit treffen sie sich wieder. Sae wird schwanger, Iwasaki zieht zu ihr.


    Der Text ist kammerspielartig geschrieben, so wird das enge und schwierige Zusammenleben des Paares nachvollziehbar nachgebildet.


    Die schwangere Sae bekommt eine Depression. Umso mehr klammert sie sich an Iwasaki, der ein eher zurückhaltender, nüchterner Mensch ist. Daraus empfindet sie Ablehnung, zu Recht oder Unrecht, das sein einmal dahingestellt. Auf der anderen Seite schafft sie es nämlich immer, ihren Willen durchzusetzen.


    Der Roman beschreibt ausführlich den Alltag des Paares, nachdem das Baby zur Welt gekommen ist und sie geheiratet haben. Der Normalzustand überdeckt aber nur notdürftig, das Saes Psychose schlimmer wird, sie hat Wahnvorstellungen, verhält sich irrational und wird immer ängstlicher und verschlossener. Mal klammert sie sich an Iwasaki, dann lehnt sie ihn wieder ab und will ihn aus der Wohnung haben.
    In manchen Passagen erinnert mich Sae an Catherine Deneuve in dem Polanski-Film Der Ekel.


    Der dritte Teil derTrilogie „Die Eltern“ ist anscheinend nie ins Deutsche übersetzt worden. Schade!


    Insgesamt ein Buch, dass ich mit Interesse gelesen habe.
    Ein Wort der harschen Kritik kann ich aber auch nicht aussparen, das richtet sich aber nicht an den Autor sondern an den Verlag.
    Bei allen Respekt davor, was in der Japan-Edition damals für Übersetzungen aus dem japanischen getan wurde. War es wirklich notwendig, im Klappentext die gesamte Handlung inklusive dem Ende zu erzählen? Auch das Nachwort vom Übersetzer, welches ich im Prinzip gut geschrieben finde, gibt sehr viel vor, wie der Leser den Text zu interpretieren hat. Da hätte ich ein wenig mehr Vertrauen des Übersetzers in den interessierten Leser gewünscht, der in der Lage ist, selbst auch etwas zu erkennen. So haben Verlag und Übersetzer letztlich die Arbeit des Lesers schon vorweg genommen.