Allgemeines
Taschenbuch: 496 Seiten
Verlag: rororo; Auflage: 2 (1. März 2003)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3499614820
ISBN-13: 978-3499614828
Preis: 12, 99 Euro
Der Fall Jürgen Bartsch
Er wurde 1946 in Essen geboren, im Alter von 11 Monaten von der Familie Bartsch adoptiert. Bereits als 15-jähriger misshandelt und missbraucht er kleine Jungen. Es kommt zu einer Anzeige, aber das Verfahren wird leider eingestellt. So kommt es dazu, dass Jürgen Bartsch zwischen 1962 und 1966 4 Jungen im Altern zwischen 8 und 13 Jahren entführt, in einer Höhle über mehrere Tage gefangen hält, foltert, missbraucht und dann tötet. Nach der Tötung zerstückelt er die Leichen. Sein letztes Entführungsopfer, ein 11-jähriger Junge, kann entkommen. So wird Bartsch 1966 festgenommen, er gesteht auch und über ein Jahr später wird er zu fünfmal lebenslänglich verurteilt. Es wird Revision eingelegt und 1971 wird er zu einer Jugendstrafe von 10 Jahren und anschließender Unterbringung in der Psychiatrie verurteilt. In der Psychiatrie lernt er eine Schwesternhelferin kennen, die ihn liebt und sogar heiraten will. Er wünscht von sich aus ein Kastration, in der Hoffnung, dann diese Triebe nicht mehr zu haben. Bei der Operation stirbt er. Bis heute unkt man, dass das nicht zufällig war.
Paul Moor
Er war Journalist und nahm am Prozess gegen Barsch teil. Ihn hat Bartsch interessiert, für ihn war er nicht nur "eine Bestie". Daher nahm er Kontakt zu ihm auf und Bartsch hat auch seine Briefe/ Fragen beantwortet. Und das steht in diesem Buch.
Meine Meinung
Ich fand das Buch sehr interessant. Ob man sich überhaupt beschäftigen möchte mit den Gedanken und Gefühlen eines Serienmörders, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber wenn man das möchte, dann ist dieses Buch genau richtig.
Das Buch besteht aus der Korrespondenz zwischen Moor und Bartsch. Es ist eine Art Therapie oder Forschung, Moor schreibt Fragen an Bartsch, die dieser auch gewissenhaft und oftmals sehr zum Entsetzen der Leser beantwortet. Es geht weitestgehend gar nicht um die Taten, sondern es gibt Fragen wie: wie findest Du "Mischehen" zwischen Weißen und Schwarzen? Und die Antwort hat mich entsetzt, denn der "Killer" antwortet nicht: "Da halte ich gar nichts von.", sondern die Antwort lautet: "Ich habe eigentlich nichts dagegen, aber die Kinder tun mir leid, denn die haben doch immer unter den Vorurteilen zu leiden, die meisten Menschen haben da doch Vorurteile. Aber ich selber habe nichts dagegen."
Man muss sich darauf gefasst machen, dass es einem während der Lektüre ständig mies geht. Nicht wegen irgendwelcher sadistischer Phantasien, die Bartsch äußert, sondern eher deshalb, weil er meistens als völlig normaler, ja sogar sensibler und einfühlsamer Mensch rüber kommt.
Ich war hin und her gerissen. Bartsch schreibt hier ja selbst über seine Gefühle und Gedanken und man erfährt alles so genau, wie man es vielleicht bei solchen Verbrechen bzw. so einem Menschen gar nicht wissen will. Aber ich war hin und her gerissen. Es gab Momente, da hatte ich Mitleid mit ihm. Es gab Momente, wo ich dachte: wärst Du mein Mitschüler gewesen, wär es nie so weit gekommen, ich hätte Dir geholfen. Es gab Momente, wo ich dachte: Du Monster!
Ich habe das Buch gerne gelesen, weil mich interessiert, warum???????? Und wer auf das warum Antworten möchte, ist bei diesem Buch genau richtig. Aber man muss sich darauf einstellen, dass beim Lesen die Gefühle komplett verrückt spielen. Das muss man schon aushalten können. Ich bin gerührt und habe Mitgefühl, wenn ein Serienmörder mir erzählt von seinem 7ten Geburtstag, der alles andere als schön war? Stimmt mit mir was nicht? Und ist das überhaupt wichtig? Mein 7ter Geburtstag war auch nicht perfekt, trotzdem renne ich nicht los und ermorde Menschen!
Aber das Bedrückende hier ist, dass Bartsch Hilfe gesucht hat so hinten rum. Er hat nicht gern getötet. Er hatte sogar Angst davor. Ob man dafür Verständnis aufbringen möchte oder nicht, das bleibt jedem selbst überlassen. Ich wollte verstehen und habe dank diesem Buch verstanden. Verstehen heißt nicht verzeihen. Aber verstehen konnte ich Bartsch nach diesem Buch. Und man hätte noch mehr Leute als nur ihn anklagen sollen. Denn, und darum habe ich das Buch überhaupt gelesen, bei Bartsch war immer klar, dass er bereut, sich gezwungen gefühlt hat ähnlich wie ein Süchtiger und nicht einfach aus Freude seine Taten begangen hat. Im Gegenteil, er hatte Angst, sowas noch mal zu machen. Und niemand hat ihm geholfen, obwohl er selbst gewünscht hat, dass er nicht so ist.
Es ist natürlich schwierig, sich auf die Gedanken eines Serienmörders einzulassen. Und ich war erschrocken, wie gut er sich ausdrücken kann und wie normal viele seiner Gedanken sind.
Kein Mensch wird als Mörder geboren. Und schon gar nicht ist ein Mörder "böse". Damit macht man es sich zu einfach.
Bartsch war doch selbst noch ein Kind, als er anfing zu töten. Daher finde ich, dass jeder, der mit Jugendlichen arbeitet, dieses Buch lesen sollte. Er hat so ganz zaghaft um Hilfe gebeten. Hatte selbst Angst vor sich und dem, was er tun wird. Er war nicht einfach böse und fertig, sondern eigentlich war er sehr intelligent......und sehr allein.
Ich will nichts rechtfertigen! Versteht das nicht falsch. Aber nach seinem ersten Mord hat er gewünscht, dass man ihn erwischt, dass die Eltern merken: mit dem Jungen stimmt doch was nicht! Was ist da los?
Ich finde das Buch sehr interessant, es gibt wenige Bücher, wo man aus erster Hand erfährt, was ein "Kinderschänder" denkt. Ich kann es für jeden Interessierten nur weiter empfehlen, aber eine "dicke Haut" sollte man schon haben. Denn hier wird alles berichtet.
Auch für Fachleute würde ich die Lektüre empfehlen, denn kein Mensch wird von heute auf morgen zum Mörder, es gab genug Anzeichen, die aber leider niemand deuten konnte. Die Lektüre hilft, die Anzeichen zu erkennen und eingreifen zu können, bevor der Täter überhaupt zum Täter wird.
Man kann empört sein und denken: die Gedanken von so einem Monster lesen? Nur über meine Leiche! Aber man kann auch was lernen aus dem Buch und so die Grundlage schaffen für Prävention, wenn man rechtzeitig die Anzeichen erkennt.
Diese Rezension habe ich woanders auch schon eingestellt und man fragte mich, ob der Mörder dafür auch noch Geld kriegt, wenn sich sein Buch verkauft. Daher hier vorab: Der Mörder ist schon ewig tot. Und ob seine Angehörigen da Geld für kriegen, wenn heute jemand das Buch kauft, weiß ich nicht, ist mir aber auch egal.
Denn das Buch ist ein wichtiges Dokument, um Serienmörder verstehen zu lernen. Und nur wer versteht, kann auch verhindern. Und für mich wirkt das Buch so, dass Bartsch nicht aus Geltungssucht, sondern aus dem Wunsch, sich wem anvertrauen zu können, diese Briefe von Moor beantwortet hat. Und so hat er maßgeblich dazu beigetragen, insbesondere jugendliche Mörder verstehen zu können und daher auch aufzuhalten.