Ein Autor, der nicht liest?

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    Original von Josefa
    Und unter den Hobby-Schreibern und Selbstveröffentlichern ist wohl ein recht großer Prozentsatz, der wenig bis gar nicht liest. Zumindest war das mein Eindruck früher auf dem BoD-Forum.


    Und die bestätigen sich dann gegenseitig, dass sie großartig schreiben und der Rest der Welt bloß keine Ahnung hat... :lache

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    Original von Rosha


    Prost Mahlzeit! Ich bin zwar kein Lektor, weiß aber, dass sie nicht so fürstlich bezahlt werden, dass sie eine textliche Krücke vorgesetzt bekommen wollen. Ein Lektorat ist zeitaufwändig und damit auch teuer für den Verlag. Wenn man dann bei einem Manuskript bei Adam und Eva anfangen muss, vergeht schnell die Lust. Noch dazu, da Manuskripte ja nicht gerade Mangelware auf den Verlagstischen sind.


    Naja, aber das dürfte der Grund sein, warum manche Skripte nicht lektoriert und veröffentlicht wurden. Zumindest früher mal, als man noch nicht via E-Book alles raus schleudern konnte.

  • Wenn ein Autor nicht gerne liest und sich die Freizeit lieber anders gestaltet, wäre mir das sogar noch egal, wenn denn seine Bücher mich über Stunden hinweg fesseln. Die Gedanken, die ich mir aber unweigerlich stelle, sind die nach der eigenen Überzeugung zum Beruf. Jemand, der sein Geld damit verdient, dass andere (viele) seine Bücher kaufen, es selbst nicht als lohnende Tätigkeit empfindet, kann ich nicht ernst nehmen. Ich würde dieses sogar als Interessenkonflikt bezeichnen. Das wäre so, als würde mir der Metzger sagen, dass er überzeugter Veganer sei oder ein Vorstandsmitglied eines Automobilherstellers sich vehement für den Ausbau der Fahrradwege zugunsten der Umwelt einsetzt. Das sind alles wichtige Aspekte, jedoch von der falschen Person vorgetragen.

  • Für mich passt das nicht wirklich zusammen. Für mich bedingt das Schreiben auch das Lesen. Das wäre ja wie ein Tierarzt, der keine Tiere mag. Ich bin mir nicht sicher, ob man das Schreiben lieben kann, wenn man selbst das Lesen nicht mag.

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    Original von Rosha


    Und die bestätigen sich dann gegenseitig, dass sie großartig schreiben und der Rest der Welt bloß keine Ahnung hat...


    Stimmt grundsätzlich, wenn ich das auch weniger in den Foren erlebt habe als in den diversen Facebook-Gruppen. Da herrsch(t)en zum Teil fast inzestuöse Verhältnisse: lobst du mein Buch, lob ich dein Buch :grin.


    Aber es gab immer und überall auch ein paar vernünftige, die (bei aller gelegentlichen Träumerei) die Angelegenheit weniger ernst nahmen, soweit es die Verkaufszahlen angeht. Und dafür etwas ernster, was das eigentliche Schreiben betrifft. Das waren dann aber meist auch belesene Leute, mit Germanistik-Studium oder einem entsprechenden beruflichen Hintergrund.


    Ich würde mich in jedem Fall hüten, alle über einen Kamm zu scheren.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • Ein Autor, der tolle Bücher schreibt, kann meinetwegen in seiner Freizeit Pferde begatten. Es ist mir egal, ob er selbst viel (oder gar gerne) liest, welche Frisur er hat und welche Farbe oder Konsistenz seine Defäkationsendprodukte haben. Das einzige, was für mich zählt, sind seine Texte. Es gibt sicherlich nicht wenige Autoren, die (heimlich) zur Bibliophobie neigen, weil sie durch die Texte anderer Schriftsteller verunsichert und/oder gehemmt werden. Und, ja, man kann und darf das Lesen als Schriftsteller langweilig finden. Why not? Es gibt definitiv viele Popmusiker, die nicht einmal ihre eigene Musik mögen, geschweige denn also gerne hören. Es gibt gute Filmemacher, die nie ins Kino gehen. Ich sag's mal (wieder) mit Regener: Scheißt der Hund drauf. So lange Freund Schriftsteller kein Nazi oder Pädophiler ist, interessiert mich abseits seiner Arbeiten wenig.

  • Ja, die Aussage klingt erstmal ein wenig schräg, dass ein Autor angeblich keine Bücher mag bzw. nicht gerne liest. Letztlich wäre mir das aber bei einem guten Buch egal und ein schlechtes Buch würde ich nicht mit dieser Leseabneigung in Verbindung bringen. Eigentlich erfahre ich es im Normalfall ja auch noch nicht einmal.

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    Original von Tom
    Ein Autor, der tolle Bücher schreibt, kann meinetwegen in seiner Freizeit Pferde begatten. Es ist mir egal, ob er selbst viel (oder gar gerne) liest, welche Frisur er hat und welche Farbe oder Konsistenz seine Defäkationsendprodukte haben. Das einzige, was für mich zählt, sind seine Texte.


    Lieber Tom,
    dein launiger Text ist mal wieder gar köstlich zu lesen. :chen :anbet
    Es ging mir auch nie darum, was ein Autor in seiner Freizeit macht. Ich habe mich nur gefragt, ob jemand, der nicht liest, überhaupt in der Lage dazu ist, einen guten Text zu schreiben.
    Glaubst du denn, dass es möglich ist, ohne je wirklich viel gelesen zu haben, einen sprachlich ansprechenden Roman zu schreiben? :gruebel

  • Hallo, Rosha.


    Zitat

    Glaubst du denn, dass es möglich ist, ohne je wirklich viel gelesen zu haben, einen sprachlich ansprechenden Roman zu schreiben?


    Ja.


    Und ich halte auch das Gegenteil für möglich: Dass man nämlich nur noch Murks verfasst, obwohl man sehr, sehr viel gelesen hat. Oder weil.


    Das Gefühl für (eine schöne Erzähl)Sprache und für Dramaturgie kommt nicht notwendigerweise vom Lesen. Vielleicht würde sich sogar so manch ein Roman frischer und authentischer anfühlen, hätten die ohnehin begabten Autoren nicht vorher Klassiker gewälzt und "Schreibregeln" inhaliert.


    Um nicht missverstanden zu werden - ich bin ganz persönlich der Meinung, dass Lesen und Schreiben zusammengehören, nicht zuletzt, weil man u.a. beim Lesen auf Ideen kommt - es ist einfach inspirierend. Aber das ist nicht allgemeingültig. Und letztlich völlig egal, wenn das Ergebnis stimmt. Texte müssen ganz allein überleben. Form und Arten der Geburtshilfe haben ab dem Moment der Veröffentlichung keinen Einfluss mehr.

  • Zitat

    Original von Tom
    Das Gefühl für (eine schöne Erzähl)Sprache und für Dramaturgie kommt nicht notwendigerweise vom Lesen.


    Aber woher kommt das Gefühl für schöne Sprache dann? Ist es nicht so, dass ein grundsätzlich vorhandenes Talent trotzdem gefördert werden muss? Schließlich muss ein Weltklasse-Geigenspieler auch erst mal jahrelang üben, üben, üben, ehe er dann auf der großen Bühne steht.


    Kann man das Schreiben also tatsächlich ausschließlich durchs Schreiben trainieren? Ich finde das Thema total spannend, danke dass du das hier diskutierst.


    Kennst du denn zufällig einen Autor, der gute Texte schreibt, obwohl oder weil er überzeugter Nichtleser ist? Das würde mich brennend interessieren. Wenn deine These zutrifft, müsste es auch Beispiele dafür geben.


    LG, Rosha :wave

  • Hallo, Rosha,


    hast du dir deine Frage nicht halb selbst beantwortet? :wave


    Der Geiger wird gut durchs Geigen, nicht durch das Hören von Geigenmusik. Warum sollte das Schreiben dann nicht vom Schreiben kommen? Bzw. noch rudimentärer gedacht: Vom Erwerb der Sprache. Wird sind alle bereits Experten in Sprache, denn wir lernen sie von kleinauf. Sie auf das Papier zu bringen ist dann im Zweifelsfall nur noch von der persönlichen Fähigkeit, Worte in die geschriebene Form (Und hier meine ich schreiben wirklich wörtlich im Sinne von dem Erwerb der Schreibfähigkeit in der Grundschule, nicht als Synonym für das Verfassen von Texten) zu übertragen, abhängig.


    Meiner Meinung nach kann ein guter Text auch durch eine feine Sprachwahrnehmung, eine gute Beobachtungsgabe und den nötigen Schuss Phantasie entstehen. Wäre dem nicht so, wo kämen dann die ersten Geschichten her? Irgendjemand muss ohne Vorbild angefangen haben und viele frühe Autoren hatten vermutlich nicht viele Bücher, weil die Auswahl noch begrenzt und Bücher meines Wissens nach auch teuer waren.


    Sicherlich ist es auch eine Frage der Motivation hinter dem Schreiben. Ich kann mir vorstellen, dass viele Autoren, die Romane schreiben, die Leidenschaft dafür aus der Leidenschaft für Bücher gewonnen haben. - Aber wieso sollte das für alle Gattungen von Büchern zutreffen? Manch einer verarbeitet persönliche Erfahrungen, andere möchten ihre philosophischen Gedanken weitergeben. Dafür muss ich nicht zwingend eine Leidenschaft für Bücher haben, um das Bedürfnis zu entwickeln, meine Gedanken-, Gefühls- und Erlebniswelt niederzulegen.


    Wie Tom schon sagte: Es könnte sogar erfrischend sein. Manche Formulierungen oder Darstellungen wären sich vielleicht weniger ähnlich und damit sogar besser, wenn die Autoren weniger lesen würden.

    Es ist erst dann ein Problem, wenn eine Tasse heißer Tee nicht mehr hilft. :fruehstueck

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  • Zitat

    Original von JASS
    Hallo, Rosha,


    hast du dir deine Frage nicht halb selbst beantwortet? :wave


    :chen Was ist schon eine halbe Antwort? :grin


    Ich finde die Gedanken anderer sehr interessant. Und wollte mit meiner Frage einfach mal abklopfen, wie der Tenor zu dem Thema ausfällt.


    Insofern herzlichen Dank an alle, die sich beteiligt haben! :wave

  • Ich persönlich halte es für möglich, dass jemand schreiben kann, obwohl er selbst nicht liest. Denn wie JASS schon schrieb, den Umgang mit Sprache lernt man ja nicht allein durch's Lesen, sondern auch durch zuhören, Gespräche etc.


    Und wenn man erst mal anfängt, einem Autor nichts zuzutrauen, weil er selbst nicht liest, dann müsste man doch auch den nächsten Schritt gehen und den durchaus gern lesenden Autor fragen: was lesen Sie denn so? Lesen per se ist ja nicht zwangsläufig dem eigenen Sprachvermögen zuträglich. Es hängt ja dann auch davon ab, was man liest. Wenn mir ein Autor, ganz übertrieben gesagt, sagen würde, ich lese liebend gern und am liebsten die Bücher von Simone Kaplan. Also, dann hätte ich größere Zweifel an seinen Fähigkeiten, als wenn er sagen würde: ich lese gar nicht.

    Viel wichtiger scheint mir bei einem Autor (von Romanen), dass er Phantasie hat oder eben selbst genug erlebt, um ein Buch damit füllen zu können.


    Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein nicht-lesender Mensch passable "Massenware" schreiben kann. Ich habe z.B. so meine Zweifel... ob John Grisham unbedingt so die Leseratte ist? Oder Dan Brown? Und wie sie alle heißen.


    Aber ein Buch, das ich persönlich als Meisterwerk bezeichnen würde, das traue ich tatsächlich nur einem Menschen zu, der selbst gerne liest. Aber nicht, weil er dadurch sprachlich besser ist, sondern weil man, glaube ich, beim Lesen spürt, ob jemand nur eine Geschichte schreibt, weil er es kann und damit Geld verdient. Oder ob jemand schreibt, weil er selbst gerne liest und sich wünscht, dass die Leser seines Buches beim Lesen etwas "Wohliges" fühlen (völlig unabhängig vom Inhalt, der vielleicht sogar traurig ist), wie der Autor selbst sich auch immer wohl fühlt, wenn er zu Gast sein darf bei Fremden, die ihm durch tolle Bücher zu Freunden werden.


    Ein lesbares Buch traue ich wem, der nicht liest, absolut zu. Sogar einen Bestseller. Ein besonderes Buch allerdings nicht. Denn die meisten meiner Lieblingsschriftsteller lesen oder lasen zumindest gern und wollten selbst was erschaffen, das anderen so schöne Stunden bereitet. Das Buch als Tröster, Freund, Begleiter, Lehrer.


    Aber reine Unterhaltungsliteratur traue ich jedem zu, wirklich besondere Bücher, die man in sein Herz schließt, nicht.


    Edit: da fällt mir noch ein Rosha . Es würde mich wirklich interessieren, um welchen Autor bzw. welches Buch es ging? Ist das geheim oder kannst Du das verraten? Denn das fänd ich wirklich spannend. Denn meine Meinung ist ja, wie gesagt, dass Mainstream-Bücher durchaus auch von Nicht-Lesern geschrieben werden können.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

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  • Zitat

    Original von Frettchen
    Ich persönlich halte es für möglich, dass jemand schreiben kann, obwohl er selbst nicht liest. Denn wie JASS schon schrieb, den Umgang mit Sprache lernt man ja nicht allein durch's Lesen, sondern auch durch zuhören, Gespräche etc.


    Ich denke auch, dass man Sprache auch durch zuhören lernen kann. Aber ab einem gewissen Niveau wird es doch schwierig geeignete Gesprächspartner zu finden, mit denen man seinen Sprachstil noch verbessern kann. Und man kann doch gar nicht so viel sprechen und zuhören wie lesen.

  • Zitat

    Original von Frettchen
    Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein nicht-lesender Mensch passable "Massenware" schreiben kann. Ich habe z.B. so meine Zweifel... ob John Grisham unbedingt so die Leseratte ist? Oder Dan Brown? Und wie sie alle heißen.


    Sehe ich fast umgekehrt. Ein Autor, der bewusst für die Masse schreibt, wird sich wenigstens einmal durch die Bestsellerliste lesen, um den Markt zu analysieren: was macht die Konkurrenz? Was wird gekauft?


    Besonders ambitionierte werdende Bestsellerautoren lesen sich außerdem durch wenigstens ein halbes Dutzend Schreibratgebern.

  • Zitat

    Original von Frettchen
    Edit: da fällt mir noch ein Rosha . Es würde mich wirklich interessieren, um welchen Autor bzw. welches Buch es ging? Ist das geheim oder kannst Du das verraten? Denn das fänd ich wirklich spannend. Denn meine Meinung ist ja, wie gesagt, dass Mainstream-Bücher durchaus auch von Nicht-Lesern geschrieben werden können.


    Meine Frage entspringt zwar einem tatsächlichen Anlass, trotzdem habe ich hier aus grundsätzlichem Interesse gepostet.
    Es liegt mir fern, eine Hexenjagd zu inszenieren oder jemanden in die Pfanne zu hauen, weshalb ich den Namen des Autors hier nicht öffentlich nennen möchte.


    Es ist noch ein relativ junger Autor und seine Bücher kein Mainstream und es ist ja durchaus möglich, dass er sich sprachlich noch ordentlich weiterentwickelt. Diese Chance sei ihm gegeben und möglicher Erfolg mit seinen Büchern auch von Herzen gegönnt. Ich hoffe, du verstehst das, Frettchen! :wave

  • Also für mich ist ein Autor, der nicht gerne liest ziemlich fragwürdig, will der dann nur Kohle mit seinem Beruf verdienen? Ich finde einem Autor kann man schon anmerken beim Schreiben, ob er Bücher liebt und ob er einen Bezug zur Literatur hat.


    Ich würde ja auch keinem Verkäufer ein Auto abkaufen, der selbst keine Autos mag oder fährt. Ich erwarte da doch auch, dass er ein Mindestinteresse an der Ware hat, die er da anpreist?