Sag beim Abschied leise Blödmann von Ulrike Herwig

  • zur Autorin:
    Ulrike Herwig arbeitete zehn Jahre in London als Deutschlehrerin. Seit 2001 lebt sie mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Seattle, USA. Um sich nicht den ganzen Tag über die verrückten amerikanischen Moms wundern zu müssen, zieht sich Ulrike Herwig so oft es geht an ihren Schreibtisch zurück. Außerdem regnet es ganz schön oft in Seattle, und da will man sowieso nicht vor die Tür. Ideal für eine Autorin!
    Homepage der Autorin


    zum Buch:
    Ulrike Herwig hat bereits mit ihren beiden vorherigen Veröffentlichungen bewiesen, dass sich ernst Themen durchaus für humorvolle Unterhaltungsliteratur eignen. Auch dieses Mal hat sie hinter einem provozierenden Titel eine alltägliche Geschichte versteckt, die so überall passieren könnte. Die Berliner Lehrerin Charlotte überrascht bei ihrer vorzeitigen Rückkehr aus dem Urlaub ihren Ehemann mit der Klavierlehrerin ihrer Tochter Miriam. Das brachte das Fass des Erträglichen zum Überlaufen und Philipp muss die eheliche Wohnung verlassen. Beim Aussortieren seiner persönlichen Dinge findet Charlotte unter anderem auch ihr eigenes Handy aus früheren Zeiten. Darauf ist noch eine Nachricht ihrer Schwester Doro, mit der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat. Das soll sich jetzt ändern und Charlotte beginnt anhand der früheren Freunde, Doro wiederzufinden. Dabei muss sie sich das Schlagerrepertoire gestandener Rocker anhören, wird nachts von einem Geparden in Schach gehalten, ihre Träume werden gedeutet und sie trifft einen Tierarzt für Reptilien.


    meine Meinung:
    Der Lebensabschnitt zwischen der sorglosen und ausgelassenen Jugend und dem verantwortungsvollen Erwachsenendaseins ist überaus spannend. Die Träume, die man Anfang Zwanzig noch hatte, hat man sich vielleicht gar nicht erfüllt. Freundschaften, die seinerzeit starke Bindungen waren, bestehen vielleicht gar nicht mehr. Manchmal verliert man sich ganz unbemerkt aus den Augen und manchmal führen verletzende Ereignisse zum Bruch. Die Autorin lässt ihre Figuren nach über zehn Jahren erneut an einen Wendepunkt im Leben angelangen. Mit Mitte Vierzig ist man gestanden genug, um eigene Entscheidungen treffen zu können, um sein Leben positiv zu verändern. Charlotte beschließt, sich nun nicht mehr von anderen – insbesondere der Familie ihres Ex-Mannes – vorschreiben zu lassen, wie sie zu leben hat. Sie erkennt, was für sie wichtig ist und akzeptiert auch die Konsequenzen. Schritt für Schritt nähert sie sich ihrem persönlichen Glück.


    Die Bücher der Autorin lassen sich schon allein wegen des flüssigen Schreibstils gut lesen. Die humorvollen Dialoge gepaart mit nichtalltäglicher Situationskomik machen sie zum Lesetipp. Die Figuren wurden relativ einfach beschrieben, jeder jedoch mit einem herausragenden Merkmal, das das Kopfkino anregt. Durch Charlottes Verhalten gewinnt sie nicht nur in der Geschichte viele Sympathien. Auch als Leser drückt man ihr früh schon die Daumen und hofft das Beste. Mehrmals führt ihr Weg eigentlich schon zum Ziel, bis im letzten Augenblick noch etwas dazwischen kommt und die Spannung erneut aufkommt. Dem gegenüber steht natürlich Phillip, bei dem man nur darauf wartet, dass er wieder etwas macht, das uns den Kopf schütteln lässt. Da man bis kurz vorm Ende nicht genau weiß, was zwischen den Schwestern seinerzeit vorgefallen ist, bleibt trotz aller Vorersehbarkeit Raum für Spekulationen. Am Ende bleibt bei dieser Geschichte jedoch nichts offen. In knappen Sätzen ähnlich wie beim Filmabspann wird der Fortgang der einzelnen Handlungsstränge geschildert. Auch das bietet noch einige Lacher. "Sag zum Abschied leise Blödmann" ist rundum empfehlenswert.

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  • Ich habe das Buch bei vorablesen bekommen und damit mal wieder nen richtig tollen Treffer gelandet.


    Im Gegensatz zum letzten Frauenroman / Sommerbuch, das ich gelesen habe, ist das hier spannend, lustig, durch und durch angenehm und von der ersten Seite an flott zu lesen. Dazu sympathische Figuren und eine witzige Handlung.


    Ich hatte es an einem Nachmittag bis Abend durch und hätte gerne mehr gelesen. Wirklich top, absolut mein Geschmack.

  • Ich habe das Buch auch bei vorablesen gewonnen. Ein toller Frauenroman für den Sommer.


    Anbei meine Bewertung:


    Titel: Blut ist dicker als Wasser


    Dies ist bereits mein zweites Buch von der Autorin. Ich habe von ihr schon "Tante Martha im Gepäck" gelesen, welches mir sehr gut gefiel.


    Und auch bei diesem Buch handelt es sich um locker leichte Sommerlektüre der besonderen Art.


    Charlotte ist Mitte 40 und erlebt mit ihrer Tochter Miriam den wohl schlechtesten Urlaub seit Langem. Kaum wieder zu Hause angekommen, erwischt sie ihren Mann inflagranti mit Rosi, Miriams Klavierlehrerin. Jetzt reicht es endgültig, ein neues Leben muss her. Beim Entrümpeln stößt sie auf ein Uralthandy mit einer Nachricht ihrer Schwester Doro darauf, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat. Warum eigentlich? Dies soll sich nun ändern und eine abenteuerliche Reise von einem Exfreund Doros zum nächsten beginnt für ihre große Schwester. Dabei erfährt Charlotte nicht nur viel über ihre verschollene Schwester, sondern auch über sich selbst. Werden die beiden ihren Frieden finden? Und wird auch Charlotte wieder glücklich sein?


    Ulrike Herwig schafft es ein recht ernstes und trauriges Thema, denn Betrug in der Beziehung ist kein Spaß, witzig zu verpacken. Man liest mit einem lachenden und einem traurigen Auge. Ich fühlte mich durch das Buch gut unterhalten und konnte oft einfach nur schmunzeln. Es ist genau das Richtige für Zwischendurch und um mal abschalten zu können.


    Fazit: Ideale Frauenlektüre für laue Sommerabende. Ich kann nur meine Leseempfehlung aussprechen!


    Bewertung: 9/10 Eulenpunkte

  • Die Informationen innerhalb der Spoilermarkierungen kann man mitlesen, muss es aber nicht tun. Sie enthalten keinen Geheimnisverrat, sondern lediglich weitere Informationen zu Personen und Handlungsverlauf.


    * * * * *


    Ulrike Herwig: Sag beim Abschied leise Blödmann, Berlin 2013, Marion von Schröder/Ullstein Buchverlage GmbH, ISBN 978-3 547-71185-1, Softcover/Klappenbroschur, 299 Seiten, Format: 20,4 x 13,4 x 2,6 cm, EUR 14,99 (D), EUR 15,50 (A).


    Als Berufsschullehrerin Charlotte Windrich, Mitte 40, ihren Gatten Philipp mit der Klavierlehrerin der Tochter im Bett erwischt, schmeißt sie ihn raus. Endlich, sagen manche, denn der selbstgefällige Architekt hat im Lauf seiner 11-jährigen Ehe den gesamten weiblichen Bekanntenkreis passenden Alters flachgelegt.


    Im gemeinsam Haus in Berlin-Mahlsdorf hat sich Charlotte nie so recht wohl gefühlt, also wagt sie einen kompletten Neustart und sucht für sich und ihre Tochter Miriam (9) eine andere Wohnung. Bei den Umzugsvorbereitungen fällt ihr ein uraltes Handy samt Ladekabel in die Finger. Ob es wohl noch funktioniert? Es müsste ja jede Menge Telefonnummer alter Freunde enthalten! Aus Jux lädt sie es auf – und findet eine Nachricht ihrer jüngeren Schwester Doro vor, mit der sie seit über einem Jahrzehnt keinen Kontakt mehr hat. Doch irgendwann ist selbst der Grund für den heftigsten Familienzoff verjährt, und Charlotte beschließt, Doro zu suchen.


    Schrill, bunt, laut und unstet war die Schwester. Sängerin wollte sie werden und hat immer ein bisschen auf die farblos-spießige Charlotte herabgesehen. Zumindest hat es so gewirkt.


    Das Internet versagt bei der Suche nach Doro. Hat sie geheiratet? Einen Künstlernamen angenommen? Bleibt sie konsequent offline? Oder ist sie gar verstorben? Verwandte, die etwas wissen könnten, gibt es nicht mehr, also bleibt als Anhaltspunkt für die Suche nur Doros letzter bekannter Freund.


    Sein Nachfolger Johannes, ein liebenswerter Esoterik-Schrat, würde seine Ex gerne wiedersehen - und auch das kostbare Heilkräuterbuch, das sie mitgenommen hat. Ein bisschen ruppig, aber sympathisch und geradezu erschreckend normal ist Ex Nr. 3, der Tierarzt Richard Helm. Ihn hat sie unter Mitnahme eines Affenskeletts verlassen. Mit einer antiken Butterform hat sie sich beim Hobbykoch Viktor Koslowski aus dem Staub gemacht. Viktor, der an einer eigenen Fernsehshow bastelt, wartet mit ein paar verblüffenden Details aus Doros Leben auf. Doch wo sie ist, weiß er auch nicht. Verlassen hat sie ihn wegen des erfolglosen Dichters Julius, der nun sowohl Doro als auch eine Mappe mit Manuskripten vermisst. Mit einem gewissen Shakespeare soll sie sich davongemacht haben ...


    Doro hat sich also in den letzten Jahren von Loser zu Loser gehangelt und ist dann jeweils unter Mitnahme eines Souvenirs verschwunden. Von jedem der Männer erfährt Charlotte ein bisschen mehr über ihre Schwester, doch jetzt stecken ihre Ermittlungen in einer Sackgasse.


    Charlotte kann nicht ihre ganze Zeit und Energie in die Suche nach ihrer Schwester stecken. Sie hat ja auch noch ein eigenes Leben. Gut, Tochter Miriam (9) ist pflegeleicht bis auf die Tatsache, dass sie unbedingt ein Haustier will. Noch-Ehemann Philipp nervt, denn er versucht mit allen Tricks, Charlotte zurückzugewinnen. Die Gründe dafür sind ihr klar: er vermisst ihre bequeme Rundum-Betreuung. Und auch die Schwiegereltern quengeln und zetern, weil sie ihren armen Jungen im Stich gelassen hat. Doch Charlotte denkt nicht daran, den Fremdgänger wieder zurückzunehmen. Viel lieber denkt sie derzeit an den attraktiven Tierarzt Richard.


    Ja, und dann ist da noch der Beruf. Auf Geheiß der Schulleiterin sollen die mehrheitlich desinteressierten und bildungsfernen Schülerinnen und Schüler anlässlich einer Jubiläumsfeier ein Kulturprogramm auf die Beine stellen. Diese prollige Bande und Goethe oder Schiller? Nicht in hundert kalten Wintern! Da hat Charlottes Schülerin Berenike, die sonst nicht durch übergroße Geistesgaben auffällt, eine genial-verrückte Idee. Das könnte funktionieren. Und wenn nicht? Charlotte sieht sich vorsichtshalber schon mal nach einem neuen Job um.


    Ganz unerwartet kommt auch wieder Bewegung in die Suche nach Doro. Und auf Charlotte wartet mehr als nur eine faustdicke Überraschung ...


    Wilder Klamauk – wie Miriams total entgleisende Geburtstagsfeier oder die Begegnung mit dem Geparden in der Gartenlaube – wechselt sich ab mit Szenen, die erschreckend nahe am Leben sind. Der Schulalltag, wie die Autorin ihn beschreibt, gleicht schon sehr den Geschichten, die befreundete Lehrer zu erzählen pflegen. Saukomisch ist das trotzdem. Und spannend ist die Story obendrein, weil man unbedingt wissen will, was aus Doro geworden ist – und was eigentlich so Schreckliches vorgefallen ist, dass die beiden Schwestern seit 11 Jahren keinen Kontakt mehr haben.


    Bei jedem neuen Freak, den Charlotte aufsucht, fragt man sich, ob die flippige Doro bei dem geblieben sein kann. Betreibt sie mit ihrem Mann einen Campingplatz? Hat sie einen Stall voller Kinder mit dem Koch? Ist sie Bäuerin oder Tierarztgattin geworden? Nichts will so recht zu ihr passen. Und was sie an den merkwürdigen Verlierertypen gefunden hat, erschließt sich meist erst auf den zweiten Blick. So skurril Doros Ex-Freunde mit all ihren Macken und Lebenslügen beschrieben werden – vorgeführt werden sie nicht. Man versteht, was sie umtreibt und entwickelt für jeden Sympathie oder Mitleid.


    Auf der Suche nach ihrer Schwester findet Charlotte auch zu sich selbst. Seit Philipp nicht mehr über ihr Leben bestimmt, entwickelt sie sich rasant vom farblosen Vorstadtweibchen zu einer selbstbewussten, mutigen und energischen Singlefrau. Selbst ihre Schüler spüren die Veränderung und sind in ihrem Unterreicht auf einmal viel mehr bei der Sache. Menschen, denen man etwas zutraut, können über sich hinauswachsen.


    Bei SAG BEIM ABSCHIED LEISE BLÖDMANN ist nicht nur der Titel toll. Es ist höchst vergnügliche Unterhaltung mit herrlichen Dialogen. Und ein paar kluge Botschaften für die Leserinnen hat die Geschichte auch noch im Gepäck. Sagen wir es doch mit der Buchbesprechung von Charlottes Schülerin Jessica: „Also, ich denke, die Aussage des Buches ist, dass man sich wegen einem Typen nicht das Leben versauen lassen darf.“ (Seite 31)


    Zum Wiehern ist der Anhang „Was danach passierte“ (Seite 297 ff.). Ja, ja: jeder wie er es verdient! :-D


    Die Autorin
    Ulrike Herwig, geb, 1968, studierte Anglistik und Germanistik in Leipzig und London. 10 Jahre lang arbeitete sie als in London Deutschlehrerin für Kinder und Erwachsene. Seit 2001 lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern als freischaffende Autorin in Seattle.


    Gewundert habe ich mich darüber, dass dies erst Ulrike Herwigs drittes Buch sein soll. Es klingt nach einer wesentlich erfahreneren Autorin. Des Rätsels Lösung: Unter ihrem Ehenamen Ulrike Rylance hat sie schon zahlreiche Kinder- und Jugendbücher geschrieben.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner