Martina Sahler - Weiße Nächte, weites Land

  • Kurzbeschreibung:


    Deutschland im 18. Jahrhundert. Die beiden Schwestern Christina und Eleonora könnten unterschiedlicher nicht sein. Christina ist temperamentvoll und stets auf ihren Vorteil bedacht – ganz anders als die zurückhaltende junge Witwe Eleonora. Beide folgen dem Ruf der Zarin Katharina, in Russland ein neues Leben zu beginnen. Doch die Wirklichkeit erweist sich als sehr viel rauher und grausamer, als es sich beide in ihren Träumen ausgemalt haben.




    Über die Autorin:


    Martina Sahler, 1963 in Leverkusen geboren, studierte Germanistik und Anglistik in Köln. Sie arbeitete lange Zeit als feste und freie Lektorin für Belletristik, bevor sie sich mit großer Begeisterung der Schriftstellerei widmete. Seit 15 Jahren schreibt sie Romane für Erwachsene und Jugendliche. Mit ihrer Familie und zwei Katzen lebt sie im Bergischen Land bei Köln.




    Website der Autorin:


    http://www.martinasahler.de/




    Meinung zum Buch:


    Im kleinen Dorf Waidbach herrscht Unzufriedenheit. Das Überleben ist kaum möglich und der Kampf ums tägliche Essen wird durch die Folgen des siebenjährigen Krieges immer schwieriger. Auch die Schwestern Christina, Eleonora und Klara Weber kämpfen nach dem Tod der Mutter. Doch dann kommt ein Werber ins Dorf und bringt ihnen Kunde von der Zarin Katharina. Alles soll besser sein in Russland.


    Die Weber-Geschwister überlegen nicht lange und brechen mehr oder weniger erwartungsfroh auf. Aber sie sind nicht alleine. Viele aus dem Dorf folgen ebenfalls dem Ruf der deutschen Zarin nach Russland mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
    Doch schon bei der Ankunft in Russland stellen die Dorfbewohner fest, dass ihnen viel versprochen, aber wenig gehalten wurde. Und so stellen sie sich erneut dem Kampf ums bittere Überleben, diesmal jedoch in der russischen Steppe.


    Die Autorin entführt den Leser in die Steppe Russlands. Was zunächst in einem kleinen Ort in Deutschland beginnt, entwickelt sich schon sehr bald zu einem historischen Auswandererroman, der auf wahren Begebenheiten beruht. Zwar sind die handelnden Personen frei erfunden, jedoch gab es Auswanderungen nach Russland als Folge des siebenjährigen Krieges in Deutschland.


    Der Klappentext nimmt vor allem Bezug auf die beiden älteren Weber-Schwestern. Jedoch umfasst das Buch nicht nur ihre, sondern auch die Geschichte aller Dorfbewohner von Waidbach, die zusammen mit den Schwestern ausgewandert sind.


    Die Autorin hat sehr gut und intensiv recherchiert, was man dem Buch anmerkt. Ein Blick auf ihre Website bestätigt dieses Gefühl. Die Schauplätze, die Umgebung, das Leben der Siedler – alles wurde sehr detailliert und farbig beschrieben. Man sah die trostlose Steppe Russlands direkt vor sich und konnte problemlos eintauchen in eine fremde, harte Welt.


    Die Figuren sind so unterschiedlich, wie aus dem Leben gegriffen. Die Autorin schafft es, jeder Figur einen eigenen Charakter zu geben und diesen dem Leser plastisch zu vermitteln. Sei es die alkoholkranke Marliese, die sich in den Alkohol vor ihrem Mann geflüchtet hat, ihre zwielichtige Tochter Helmine, die von Narben im Gesicht entstellte Anja, der schwachsinne Alfons oder die junge Mutter Veronica. Ihnen allen haucht Martina Sahler Leben ein und lässt den Leser im Laufe des Buches Teil der Dorfgemeinschaft werden.


    Das Buch beginnt mit einem Prolog, der 1765 n. Chr. spielt. Zunächst noch geheimnisvoll, wird ein Nicolaj vorgestellt. Danach geht es direkt nach Deutschland in das Dorf Waidbach. Die Geschichte ist in drei Bücher unterteilt:
    Buch 1: Aufbruch
    Buch 2: Der Weg
    Buch 3: Weites Land


    Die Geschichte erstreckt sich von den Jahren 1765 bis 1797 über 43 Kapitel. Im Epilog erfährt der Leser, wie es mit den Siedlern bis 1797 weitergegangen ist.


    Die Neugierde des Lesers wird gleich im Epilog geweckt, der Spannungsbogen setzt zu dem Zeitpunkt an, wo die Dorfbewohner beschließen, nach Russland zu gehen. Ab da nimmt er immer mehr zu, bis er dann rund 100 Seiten vor Schluss langsam anfängt abzubauen. Die Autorin hat der Geschichte ein ruhiges Ende gegeben und es zusätzlich durch den Epilog abgerundet. Das Ende selbst ist zwar offen, doch ist die Geschichte in sich abgeschlossen.


    Die Geschichte bietet viele Überraschungen und Wendungen und ist in den Handlungen stimmig und nachvollziehbar. Auch die Probleme, mit denen die Siedler zu kämpfen und Hindernisse die sie meistern mussten, wurden glaubhaft, detailliert und überzeugend geschildert. Die Angst, die Entbehrungen, jede Emotion kann der Leser direkt nachempfinden und wird quasi Teil der Geschichte. Begibt man sich auf die Reise mit Martina Sahler, so gerät man unmerklich in einen Lesesog, der den Leser erst am Ende des Buches wieder freigibt. Aber auch Tage nach Beenden des Buches dachte ich immer mal an die Dorfbewohner und wie ihre Geschichte wohl weiter gegangen ist.


    Gleich zu Beginn des Buches findet man eine Landkarte mit den wichtigsten Stationen der Siedler. Danach folgt eine Auflistung aller wichtigen Figuren inkl. ihrer Zugehörigkeit, Alter und eine kurze Beschreibung. Dies hilft dem Leser gleich zu Anfang, die einzelnen Figuren zu unterscheiden und zu sortieren zu können. Im Laufe des Buches jedoch, benötigt man die Liste nicht mehr. Mit einem ausführlichen Nachwort der Autorin endet das Buch und die Reise nach Russland.




    Fazit:


    Marina Sahler beschreibt lebendig, einfühlsam und mitreisend ein wichtiges Kapitel der deutsch-russischen Geschichte.

  • Dieser Roman hat mich eingefangen und bis zum Schluss gut unterhalten.


    Die verschiedenen Charaktere sind so gut dargestellt, das man sich mit ihnen gut identifizieren kann.
    In dem Ort Weidbach sind die Lebensbedingungen immer schlechter geworden. Da kommen die Werber der Zarin gerade recht. Wer mit nach Russland kommt, dem werden Kredite und Hilfen versprochen.
    Die Weberschwestern haben gerade ihre Mutter verloren und die Weberei geht nicht mehr gut. Also überredet die Älteste Regina ihre Schwestern Eleonore, eine junge Witwe mit kleiner Tochter und die jüngste Schwester Klara, die erst 8 Jahre alt ist, den Schritt zu wagen.
    Es machen sich viele Weidbacher mit auf den beschwerlichen und gefährlichen Weg.
    Die Reise wird eine Tortur, ich konnte sie so richtig miterleben. Die Ankunft, war nicht so gut wie erwartet, die versprochenen Häuser gab es nocht nicht. Von den Russen lassen sich die Weidbacher zeigen wie sie sich für den Winter eine Unterkunft bauen können.
    Die weiteren Jahre sind schwer, die Deutschen mussten mit Anfeindungen und Überfällen der Steppenvölker wären.


    Der Roman scheint gut recherschiert. Im Anfang ist die Reiseroute zu sehen und die Personen werden schon mit ihren Schwächen und Stärken beschrieben.
    Dieser Roman lässt mich alles Leid und Glück mitempfinden. Ich kann ihn nur weiterempfehlen.

  • Ich habe dieses Buch bereits im letzten Jahr gelesen und war so begeistert, dass es spontan zu meinen Jahreshighlights hinzugefügt wurde.


    Ich kann nur eine absolute Leseempfehlung aussprechen.

  • Zarin Katharina schickt ihre Werber nach Deutschland und verspricht allen Auswandern Land und Wohlstand im fernen Rußland.
    Viele folgen ihrem Ruf: die Weber-Schwestern, die gerade ihre Mutter verloren haben, und nicht wissen, wie es weiter gehen soll. Die Apothekers-Tochter Anja, die von einer eigenen Apotheke träumt, die Knechte Matthias und Franz, die aus eigener Kraft etwas schaffen gleichzeitig und der herrsüchtigen Mutter entkommen wollen. Und noch einige Bewohner des kleinen Dorfes Waidbach mehr. Jeder hat seine eigenen Motive und alle eint die Hoffnung auf ein besseres Leben.
    Da Ehepaaren bessere Startbedingungen haben werden vor dem Aufbruch auf die Schnelle viele Vernunftehen geschlossen.
    Dann beginnt die lange und anstrengende Überfahrt und schließlich der Start in der neuen Kolonie.


    Mich hat das Buch von der ersten Seite an gefesselt, ich war sofort mitten drin in der Geschichte und hatte bald das Gefühl alle gut zu kennen. Es wird die Geschichte von vielen Auswanderern erzählt und es gibt gleich zu Beginn ein Personenregister - das habe ich aber bald nicht mehr gebraucht, weil jede Person so gut beschrieben ist, dass man alle problemlos auseinander halten kann. Jeder erlebt seine Höhen und Tiefen, der eine hat mehr Glück, der andere weniger. Alles sehr lebensnah, das hat mir sehr gefallen.


    9 Punkte für wunderbares Kopfkino!

  • Martina Sahler erzählt in "Weiße Nächte, weites Land" die Geschichte von drei Schwestern, die sich zusammen mit einigen anderen ais ihrem hessischen Dorf von Katharina der Großen nach Russland locken lassen.


    Mich hat das Thema sehr interessiert, da ich noch nie einen Roman über die Auswanderwelle nach Russland gelesen habe.
    Insgesamt hat mich das Buch sehr gut unterhalten und hat mir somit auch gefallen. :-) Bei einigen Handlungssträngen hatte ich allerdings den Eindruck, dass sie nicht zu Ende erzählt wurden.


    Die Autorin hat im Nachwort und hier im Thread anklingen lassen, dass wir bald mit einer Fortsetzung rechnen können, die ich sicherlich auch lesen werde.


    Leseempfehlung und 8 Eulenpunkte

  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Nur wer den Mut hat zu träumen, hat auch die Kraft zu kämpfen…


    Ich liebe Auswanderergeschichten ja über alle Maßen, vor allem wenn es in Richtung Australien, Neuseeland oder ähnlich ferne Länder geht. Mit Martina Sahlers historischem Roman „Weiße Nächte, weites Land“ durfte ich mich nun auf die Reise nach Russland begeben.


    Im Roman lernen wir die Weber- Schwestern kennen, bestehend aus Eleonora, Christina und Klara, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Während beispielsweise die junge Witwe Eleonora eher ein ruhigeres und besonneneres Gemüt hat, handelt Christina voller Temperament und Tatendrang. In ihrer deutschen Heimat Hessen sehen die Schwestern nach dem Tod der Mutter keine Zukunft mehr und folgen dem Ruf der russischen Zarin. Werden sie dort neues Glück finden?


    Das Buch ist in drei Abschnitte gegliedert. Im ersten Part erfahren wir etwas über die deutsche Heimat, wie schwer es den Menschen dort fällt ihr Leben zu leben, welches von Hunger und Elend geprägt ist. Viele denken über das Auswandern nach und einige wagen es dann auch. Im zweiten Abschnitt darf der Leser an der beschwerlichen Reise nach Russland teilnehmen und im dritten begleiten wir die Protagonisten in ihrer neuen Heimat und wie sich deren neu gegründete Kolonie entwickelt.


    Im Roman selbst wird nicht nur das Leben der Weber- Schwestern beleuchtet, sondern auch das all der anderen Auswanderer, die mit Christina und Eleonora den weiten Weg angetreten haben. Mit viel Gefühl schildert uns die Autorin die Ereignisse, die überaus realistisch wirken.


    Das Buch ist geprägt von Schicksalsschlägen, Intrigen, Kampfgeist, aber auch von Liebe und dem Glück eines Neuanfangs.


    Ich habe diesen historischen Roman mit großer Begeisterung gelesen, denn er sorgt dafür, dass man sich in eine völlig andere Zeit träumen kann.


    Fazit: Ein spannender historischer Roman, der die Auswanderer des 18. Jahrhunderts gen Russland beleuchtet. Überaus lesenswert! Wer die Bücher von Sarah Lark mag, der wird dieses Buch ebenfalls mögen.


    Bewertung: für mich volle 10/ 10 Eulenpunkte

  • Ich durfte das Buch vor einigen Wochen als Wanderbuch lesen und möchte mich dafür zuallererst einmal ganz herzlich bedanken.
    Trotz der inzwischen vergangenen Zeit, in der ich aus verschiedenen Gründen nicht rezensieren konnte, ist es mir lebhaft in der Erinnerung geblieben.
    Da ist zunächst einmal das hübsche Cover, das eine beschauliche Idylle an einem Fluß oder See zeigt und von einer Birke gesäumt wird. Der Autorenname ist oberhalb des Buchtitels und der Genreangabe etwas verspielt mit verschlungenen Buchstaben versehen, über denen eine mit drei Pferden bespannte Kutsche mitten in den blauen Himmel der eben erwähnten Landschaft gezeichnet ist.
    Vorn im Buch eine sehr hilfreiche Landkarte, auf der man die wichtigsten Stationen der handelnden Personen leicht mitverfolgen kann.
    Ebenfalls hilfreich ist das darauf folgende Personenverzeichnis, das sinnvoll nach den Handlungsorten eingeteilt wurde.
    Bereits der Prolog macht unbedingt Appetit auf das Weiterlesen.
    Über die Handlung selbst wurde hier ja bereits genug geschrieben, so dass ich mich auf die Wirkung derselben auf mich beschränken kann:
    Das Buch hat mich begeistert!
    Im positiven Sinne fühlte ich mich an bereits gelesene ähnliche Bücher erinnert wie beispielsweise "Die Zuckerbäckerin" von Petra Durst-Benning.
    Die einzelnen Personen wurden glaubwürdig gezeichnet, die Orte anschaulich beschrieben und die Spannung gut gehalten. Verschiedene Menschentypen ergaben eine interessante Mischung und machten deutliche Charakterentwicklungen durch.
    Überaus geschickt wurden persönliche Schicksale von Normalbürgern mit historischem Geschehen verwoben.
    Das Ende gefiel mir ebenfalls gut.
    Ein interessantes Nachwort rundet das Ganze ab.
    Ich spreche eine deutliche Leseempfehlung aus und vergebe
    9 von 10 Eulenpunkten
    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Für ihren Roman hat Martina Sahler einen interessanten Abschnitt deutsch-russischer Geschichte als Hintergrund gewählt. Sehr eindrucksvoll und realistisch beschrieb sie die Lebensumstände der Auswanderer in der alten und neuen Heimat. Die Widrigkeiten, mit denen die Auswanderer zu kämpfen hatten, die ganz persönliche Entwicklung, die sie durchliefen und die Landschaften wurden so beschrieben, dass das Kopfkino ins Laufen kam. Auch die sich in den Roman abspielenden Liebesgeschichten waren gut zu lesen, zeitgemäß, nicht kitschig und spielten in der Handlung eine eher untergeordnete Rolle. „Weiße Nächte, weites Land“ ist ein leicht und flüssig zu lesender Roman über den Aufbruch und Neuanfang in einer literarisch wenig beachteten Gegend. Mir hat er schöne Lesestunden beschert.

  • Christina und Eleonora könnten nicht unterschiedlicher sein und doch entschließen sich die beiden Schwestern mit der kleinen Schwester Klara und Eleonoras Tochter Sophie dem Ruf der Zarin Katharina zu folgen.
    Doch die Reise bringt die meisten der Kolonisten an ihre Grenzen. Bei ihrer Reise durch die Weiten Russlands muss Christina erkennen, dass ihre Wünsche nur Träume waren und die Wirklichkeit eine andere Sprache spricht.
    Aber Christina lässt sich nicht unterkriegen und kämpft für ihre Träume, doch wird es ihr auch gelingen diese umzusetzen?


    Für mich war es der erste historische Roman der Autorin Martina Sahler den ich gelesen habe. Die Freche Mädchen Bücher kenne ich und aus diesem Grund hat mich neben dem Klappentext auch dieses Buch angesprochen.
    Der Einstieg in die Handlung ist mir sehr leicht gelungen und ich habe das Buch fast schon verschlungen.
    Zwar konnte ich nicht alle Entscheidungen der handelnden Figuren nachvollziehen und mit Christina wurde ich auch gar nicht war, was aber einfach an ihrer Art lag und nicht am Schreibstil der Autorin.
    Der Erzählstil war auch sehr ansprechend und wenn mich etwas im Lesefluss gestört hat, dann ist es der Wechsel zwischen den Erzählsträngen, da es doch einige sind. Aber richtig störend fand ich es nicht.
    Einen Spannungsbogen gab es auch und dieser war auch bis zum Schluss erhalten, so dass man sich während des Lesens seine Gedanken zum Ausgang des Romans machen konnte.
    Die Handlungsorte waren gut beschrieben und man konnte sich alles sehr gut vorstellen, ob es die Reise nach Lübeck war oder die Kolonie in Russland.
    Ebenso detailliert waren auch die verschiedenen Figuren beschrieben, so dass man sie sich während des Lesens sehr gut vorstellen konnte.
    Wenn man eine Figur als meine Lieblingsfigur nenne könnte dann wäre das Eleonora, denn sie hatte etwas Herzliches an sich das man sich einfach nur mögen konnte.
    Zwar habe ich die Beweggründe der Auswanderer begriffen nur die Vorstellungen und Träume fand ich dann doch etwas utopisch.
    Alles in allem hat mir das Buch wirklich gut gefallen und ich habe einige schöne Stunden mit dem Buch verbracht.
    Auf die Fortsetzung des Buches bin ich schon ganz gespannt und hoffe das man nicht zulange darauf waren muss um zu erfahren wie es denn weitergeht.
    Ich vergeben für das Buch 5 von 5 Sternen.

  • Nur starke Menschen bekommen schwere Wege. (Seite 175)


    Meine Meinung


    Herbstzeit ist für mich (lesemäßig) Rußlandzeit. Da ich von den Wolgadeutschen wenig mehr als diese Bezeichnung kenne, schien mir dieses Buch die Gelegenheit zu sein, zum einen die Wissenslücke zu schließen, zum anderen die „Rußlandreise“ anzutreten. Beides ist mir diesem Buch weitgehend gelungen.


    „Weitgehend“ darum weil das, was ich als „Rußlandstimmung“ bezeichnen würde, nicht so ganz aufkommen wollte. Da im Buch allerdings nur sehr wenige Russen vorkommen und die Aussiedler sich auch an der Wolga recht deutsch verhalten, ist das eigentlich kein Wunder und gibt so recht einen der Konflikte wider, die offen oder unterschwellig eine Rolle spielen.


    Etwa Mitte des 18. Jahrhunderts ließ die Zarin Katharina die Große in großem Umfang Einwanderer aus Deutschland ins Land kommen, um bisher brach liegende Gebiete an der Wolga zu besiedeln und in fruchtbares Ackerland zu verwandeln. Die Verhältnisse im damaligen Deutschland waren für viele dermaßen bedrückend, daß es nach ihrer Meinung schlimmer eigentlich nicht mehr kommen konnte. So machten sich Abertausende auf den Weg ins ferne Rußland, das ihnen wie das gelobte Land vorkam.


    Der erste Teil des Buches spielt im Hessischen nahe Büdingen und stellt die Hauptakteure und deren Herkunft vor; er erschien mir zunächst zwar etwas ausführlich, da ich vom Buchrückentext her anders eingestimmt war, jedoch trägt die lange Exposition sehr zum Verständnis der Situation und warum seinerzeit so viele ausgewandert sind bei. Die Autorin entwirft ein sehr anschauliches Szenario der Zustände in der hessischen Heimat. Daß die Menschen den Worten der Werber der Zarin mehr als gerne Glauben schenkten und ein Paradies erwarteten, ist nachvollziehbar.


    Daß aber nicht alles Gold ist, was glänzt, wird bald klar, wenn man an die entbehrungsreiche Reise an die Wolga und die anscheinend „eingeplanten Verluste“ denkt. Dort angekommen, finden die Kolonisten alles andere als ein Paradies vor. Es ist die Frontier, die Grenze zwischen Wildnis und Zivilisation, in die sie geraten sind, und es heißt ganz bei Null zu beginnen.


    Über etliche Jahre erleben wir das Schicksal der Auswanderer, die sich in der Ferne eine neue Heimat schaffen, mit. Im Mittelpunkt stehen dabei die drei Weber Schwestern, die verschiedener nicht sein könnten und von denen jede auf ihre Art versucht, ihren Traum vom Glück gegen alle äußeren Umstände zu verwirklichen.


    Das Buch ließ sich flüssig lesen, das Kopfkino ist recht bald angesprungen und die Figuren erwachten zum Leben. Wie erwähnt, kam bei mir die rechte „Rußlandstimmung“ nicht auf, was aber wohl nicht verwunderlich ist, wenn die Figuren das ganze Buch über versuchen, nach ihren deutschen hergebrachten Sitten und Gewohnheiten zu leben, nur eben an der Wolga. Insgesamt habe ich den Roman gerne gelesen und freue mich auf die Fortsetzung „Dunkle Wälder, ferne Sehnsucht“, in dem es um das weitere Schicksal der Auswanderer geht.



    Kurzfassung


    Ein „Auswandererroman“ der anderen Art oder warum und wie die Wolgadeutschen an die Wolga kamen. Lesenswert.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Deutschland 1776: die Weber-Schwestern Christina, Eleonora und Klara stehen von einem Tag auf den anderen vor dem Nichts, als ihre geliebte Mutter verstirbt. Was sollen sie tun, wo Klara doch noch ein Kind ist und Elonora sich mit ihrer Tochter Sophia durchs Leben kämpfen muss? Christina hat die scheinbar rettende Idee: warum folgen sie nicht dem Ruf der Zarin Katharina der Großen, die nicht müde wird, Deutsche nach Russland zu locken? Die Schwestern schließen sich einem Treck nach Russland, nichts ahnend, was ihnen das Land an der Wolga bescheren wird.


    "Weisse Nächte, weites Land" ist der erste Band der Wolga-Siedler-Saga von Martina Sahler. Ich hatte vor einigen Wochen schon Band 2 gelesen und war sehr neugierig, wie die Weber-Schwestern nach Russland kamen. Und dieser Roman hat mich nicht enttäuscht.


    Die Geschichte wird aus der Erzählerperspektive berichtet, man folgt allerdings immer mal wieder anderen Figuren. So lernt man zum Beispiel die spitzzüngige und sehr auf ihren Vorteil bedachte Christina kennen, aber auch den Bauernsohn Matthias oder die Apothekerstochter Anja. Das hat mir sehr gut gefallen, da ich so alle wichtigen Mitglieder aus Waidbach kennenlernen konnte.


    Der Roman erzählt zudem von der Reise der deutschen Aussiedler nach Russland, von dem sie sich Reichtum und Wohlstand erhoffen. Die Realität schaut jedoch anders aus und die Autorin scheut ich nicht davor, so manches dramatisches Ereignis in ihr Buch einzubinden. Dabei wird sie aber nie sensationslüstern oder blutig, sondern bleibt schlicht und einfach nah an der Realität. Auch übertreibt sie es nicht mit den Schicksalsschlägen für die Auswanderer, so dass hier ein schöner, zu Herzen gehender, aber keinesfalls schwülstiger Roman entstanden ist.


    Der Stil von Martina Sahler ist sehr gut und flüssig zu lesen. Ihre Erzählweise ist leicht, aber nicht zu locker und sie vermag mit dem Blick auf kleine Details dem Leser das Russland des 18. Jahrhunderts näher zu bringen. Toll!


    Fazit: ein schöner Auftakt zu einer wunderbaren Reihe. Ich kann das Buch sehr empfehlen.