'Verführung' - Seiten 001 - 126

  • Ich war gestern Abend um 21 Uhr eigentlich schon zu müde zum Lesen, war aber so neugierig auf das Buch, dass ich dann doch die ersten 50 Seiten verschlungen habe.


    Der Einstieg in das Buch fiel mir recht leicht, etwas kompliziert zu Beginn waren mir nur die Namen, aber die müssen ja so sein.


    Krass finde ich jedoch die ganzen sexuellen Anspielungen und dass die Damen und Herren schon in jungen Jahren ihrer Lust nachgegangen sind. Da verwundert es dann kaum, dass 5 Kinder und mehr keine Seltenheit waren.


    Meinen gesamten Eindruck zum ersten Abschnitt werde ich posten, wenn ich dann alles geschafft habe, ich wollte nur loswerden, dass mir das Buch bisher sehr gut gefällt (ist mein erstes von Tanja Kinkel).


    Während des Lesens habe ich ein bissel Klassik in die Ohren gestöpselt, da war der Lesegenuss noch größer. Ich bin schon ganz gespannt wie es weiter geht und werde wohl nach der Arbeit gleich zum Buch greifen...

  • So, endlich Zeit, meine Gedanken mal zusammen zu fassen. Ich habe den ersten Abschnitt schon seit mehreren Tagen durch, kam aber noch nicht dazu, etwas zu schreiben. Das will ich hiermit tun.


    Dank Herrn Palomars Post ganz am Anfang hatte ich gleich mein erstes schönes Erlebnis: Mondlaub. Oh ja. Ein wunderbares Buch. Obwohl ich schon einige Tanja Kinkel Romane gelesen habe, ich entdeckte mein erstes Buch von ihr vor Jaaaahren in der Bibliothek, hatte ich ganz vergessen, wie sehr mich das ein oder andere beeindruckt hat. Ich besitze sie mittlerweile natürlich selbst. Das aber nur am Rande.


    Nun zum Buch selbst: ich bin sehr gut hinein gekommen und finde die Schilderungen zu Venedig und Mailand sehr anschaulich, wie in einem schönen Kostümfilm findet man sich mitten im Geschehen. Die Offenherzigkeit und sexuelle Freizügigkeit schockiert mich nur ein bisschen, ich stelle es mir ähnlich vor wie heute: auf jedem dritten Plakat halbnackte Menschen, das regt keinen mehr auf. Als Leser und in Bezug auf zwei Kinder als Hauptfiguren hat das ganze natürlich einen anderen Stellenwert. Casanova als Junge scheint mir gar nicht genau verstanden zu haben, was eigentlich vor sich geht. Kinder sind da wohl sehr pragmatisch.


    Später möchte die Mutter ihre Tochter mit ihrem Liebhaber verheiraten, ich meine, sie leidet selbst ein wenig unter dieser aberwitzigen Situation, redet sich aber ein, dass es das Beste für alle ist. Leute machen ja so einiges auch wirtschaftlicher Not heraus. Gut finde ich das nicht, kann es aber ein klein wenig nachvollziehen. Den Mann finde ich dagegen einfach nur wiederlich.


    Interessant dann die Wendung zu einer Familie hin, die Angiola als Sohn aufnimmt. Es ist sicher nicht einfach, die Rolle aufrecht zu erhalten. Waren die Verhältnisse nicht recht eng und die Zeit freizügig? Wie hat es das Mädchen nur geschafft, nicht nackt erwischt zu werden? Die Sache mit der "Prothese" wiederum fand ich schön nebenbei erklärt. Naja, und dann Postitution und Kastration. Wirklich keine angenehme Zeit für Kinder und arme Menschen damals. Angiola hatte anscheinend noch Glück, selbst entschieden zu haben, wer sie das erste Mal berühren durfte. Ihren "Geschwistern" war das nicht vergönnt. Im Gegenzug dazu die eher frivolen Erlebnisse des Casanova, der geistlich leben sollte und von Bett zu Bett springt.


    Obwohl das Buch sich auch sexuellen Themen widmet, ist es alles andere als schlüpfrig. Es geht um Musik, um Übung, Stimme, Hoffnungen und Träume. Es geht um harte Arbeit und Willenskraft. Ich würde die Stimme Angiolas wirklich sehr gerne mal hören.

  • Gestern Nacht habe ich zwar Abschnitt Nummer eins zwar noch geschafft, aber mein Kommentar dazu folgt erst heute.


    Im Prolog wird uns geschildert, warum Angiola später Sängerin werden will, denn gemeinsam mit ihren Eltern Lucia und Antonio besucht sie im Alter von 6 Jahren ein Theater und ist fasziniert von dieser Welt. Als sie die Sängerin und Komödiantin Zanetta singen hört, da weiß sie, dass auch sie später so etwas gern können möchte. Und hier im Theater begegnet sie zum ersten Mal Giacomos, der Sohn der zauberhaften Sängerin Zanetta, die mit Casanova verheiratet ist.


    Die eigentliche Handlung setzt 7 Jahre später ein, sie wohnen in Bologna, ihr Vater ist bereits gestorben und ihre Mutter versucht halbwegs über die Runden zu kommen, indem sie Kleidung ihres verstorbenen Mannes versetzt, sich Untermieter hält und eilends versucht einen Gönner für sich und ihre Tochter zu finden.


    Gut geschildert fand ich hier, dass sie ihre Tochter nur heimlich zum jüdischen Pfandleiher schickt, damit niemand schlecht über sie reden kann. Auch diese Zeit war wohl alles andere als einfach für die jüdische Bevölkerung.


    Die Begegnung mit dem Kastraten Appianino, der als Untermieter bei ihnen einzieht, fasziniert Angiola so sehr, dass sie sich ihm regelrecht aufdrängt. Er fühlt sich an sich selbst erinnert und gibt ihr kurzerhand Gesangsunterricht, auch wenn das wenig nützen wird, da Frauen im Kirchenstaat auf keiner Bühne auftreten dürfen. Weibliche Rollen werden von jungen Kastraten gespielt. Und dennoch arbeitet sie hart an ihrer Stimme und hält an ihrem Ziel fest.


    Hier muss ich ehrlich gesagt Unwissenheit gestehen. Klar ist einem, dass Frauen nicht viel zu melden hatten, aber dass man ihnen das Singen verwehrt hat, weil es als unschicklich galt und sich die Frau ausschließlich dem Kindergebären widmen soll. Ebenso hart hat mich getroffen, dass Angiola wohl mehrere Geschwister gehabt hätte, wenn ihre Mutter nicht so viele Fehlgeburten gehabt hätte.


    Richtig geschockt war ich als Mutter Lucia möchte, dass ihre Tochter ihren Liebhaber Professore Falier heiratet, nur damit beide abgesichert sind. Was Frauen doch so alles auf sich nehmen mussten… Es hätte ja auch funktionieren können, wenn Falier die Mutter heiratet, aber da die Herren der Schöpfung die Welt bestimmten, konnte er sich ja auch beide Frauen zu eigen machen, wer wollte es ihm verwehren? Grausam, aber wahr…


    Angiola bleibt nichts weiter als Flucht und so macht sie sich mit ihrem berühmten Kastraten aus dem Staub und wird selber zum Kastraten Bellino, da zwar zwei Kastraten zusammen leben dürfen, jedoch keine Frau zusammen mit einem solchen. Um ihre Rolle glaubhaft zu gestalten, klebt sie sich sogar einen falschen Penis in den Schritt, da Kastraten oft von ihren Gönnern sexuell belästigt werden. Um nicht sofort aufzufliegen, kommt sie erst einmal bei Familie Lanti unter, nicht dass ihr Zukünftiger Falier Späher nach ihr ausschickt, um sie zurück zu holen. Hier erfährt sie, dass die Mutter aus Not ihre Kinder verkauft, damit sie überleben können. Das fand ich doch sehr hart und machte mich traurig…


    Offensichtlich war es zu der Zeit Gang und Gäbe, dass die Welt an sich dauerhaft sexuell angehaucht war und sich die Reichen herausnehmen konnten, was sie wollten. Ich erinnere mich da an die Theaterszene, wo man sich verkleidet in der Loge fallustiert.


    Richtig traurig war ich als der Brief kam, dass ihr liebster Appianino verstorben ist und sie nun doch nicht mehr zueinander kommen werden, geschweige denn ihr Traum vom gemeinsamen Singen erfüllt wird. Aber sie hat seit 2 Jahren einen neuen Maestro, denn ihr Liebster für sie ausgesucht hatte. Mit Härte (Schläge dürfen da nicht fehlen) bringt er ihr alles bei, was sie können muss, ohne dabei zu merken, dass er eigentlich eine Frau unterrichtet. Ihr Maestro Melani merkt an, dass sie besser werden kann als ihr Vorbild Appianino.


    Interessant fand ich den Kommentar, dass sie ihren heranwachsenden Busen nicht verstecken muss, da auch Kastraten einen Busen entwickeln. Ist das wirklich möglich? Hat mich zumindest etwas verwundert.


    Dies ist mein erstes Buch von Tanja Kinkel und ich habe mich echt in die Geschichte verliebt. Hier kann man so richtig schön eintauchen, in eine andere Zeit reisen und den Alltag vergessen. Mir sind beide Hauptcharaktere schon sehr lieb geworden.


    Nach Abschnitt eins stellen sich dem Leser ja doch einige Fragen. Was macht Angiola nun ohne ihren Gönner? Kann sie allein durchkommen? Muss sie sich eventuell auch bald prostituieren, um ihr Ziel zu erreichen?


    Dass die Kapitel so lang sind, stört mich rein gar nicht, denn auch wenn man zwischendurch pausiert, findet man schnell wieder in die Geschichte. Gespannt werde ich weiter lesen. :-)

  • Liesbett, was Angiolas Stimme betrifft: Cecilia Bartoli hat vor ein paar Jahren ein Album namens "Sacrificium" aufgenommen, in dem sie Kastratenarien singt, was einen ganz guten Eindruck davon verschafft, wie ein weiblicher Sopran solche Arien meistert.


    Nicigirl85, den "Kastratenbusen" gab es tatsächlich, wenngleich nicht bei allen. Im Prinzip gab es zwei körperliche Grundtypen bei Kastraten, wenn sie älter wurden. Entweder groß und hager, oder stämmig und später sehr, sehr dick. In jedem Fall waren Brustkorb und Hände größer als bei durchschnittlichen Männern. (Das galt natürlich nur für Kastraten, die vor der Pubertät kastriert wurden, nicht für Männer, denen das warum auch immer später passierte.)

  • Ah, danke für den Tipp. Ich habe mal eben bei Amazon reingehört und muss sagen: nichts, um mal eben unter der Dusche mitzusingen. ;-)
    Ich bin erstaunt, was menschliche (auch männliche) Stimmen meistern können. Ich kann mir sogar vorstellen, dass ich mich in das ein oder andere langsame Stück einhören könnte.

  • Für dich und andere Interessenten ein paar Youtube-Links:


    Cecilia Bartoli singt Händels "Ombra Mai Fu", eine der berühmtesten Kastratenarien, die auch Angiola Calori in dem Roman singt:


    http://youtu.be/2_1UYs1FxAI


    Eine Szene aus dem Film "Farinelli", die einen sehr guten Eindruck einer Opernaufführung in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts und des Starkults um die Kastraten gibt (die Stimme von Farinelli wurde für den Film digital aus den Stimmen eines Countertenors und eines Soprans gemischt):


    http://youtu.be/A8t_WySo414

  • Ich bin noch mitten im Abschnitt - habe einfach keine Zeit zum Lesen. Aber das, was ich gelesen habe, gefällt mir sehr gut. Eure Anmerkungen habe ich noch nicht gelesen -- ich möchte mir die Spannung nicht nehmen. Ab dem Wochenende wird es besser - dann habe ich wieder mehr Zeit zu Lesen... :wave

  • So, 1. Abschnitt durch - und bin schon mitten im nächsten. Hatte aber leider vorher keine Zeit mich zu melden.


    Die beiden Handlungsstränge gefallen mir sehr gut - vorallem die Überschneidung in der Kindheit. Beide Kinder wachsen in unterschiedlichen Milieus auf.
    Giacomo scheint als Kind ja ziemlich wortkarg gewesen zu sein - aber das wird sich sicher bald ändern.
    Angiola wächst gutbürgerlich auf - bis zum Tod ihres Vaters. Von da an hat die Familie finanzielle Probleme und nimmt den Kastraten Appianino auf. Durch ihn scheint Angiola ihre wahre Berufung zu finden. Und später eine Fluchtmöglichkeit aus einer angedrohten Heirat (den Liebhaber der Mutter zu heiraten - wie furchtbar!)
    Appianino und Angiola - die beiden kann ich mir als Paar richtig gut vorstellen. Und dann stirbt er so früh! Dabei hätte ich gerne noch mehr über ihn gelesen....


    Vielen Dank für die Links Tanja! :-)


    So, weiterlesen! :wave