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'Verführung' - Seiten 275 - 376
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Calori und Casanova - diese Beziehung ist wirklich interessant. Beide haben Angst vor dem Schicksal ihrer Eltern, beide wollen genau das nicht für sich. Und doch scheint es, als würden sie genauso werden, wenn sie zusammen bleiben. Vor allem Casanovas Angst vor einem im Leben im Schatten einer berühmten Frau tritt ja schon seit längerem deutlich hervor.
Es ist also eine logische Konsequenz, dass die beiden nicht heiraten - dafür lieben sie außerdem jeder seine/ihre Freiheit zu sehr-, sondern dass sie getrennte Wege gehen.
Es kommt nicht oft vor, dass ich in Romanen ein Befürworter von Trennungen bin, aber Tanja hat es wirklich geschafft, die Persönlichkeiten der beiden mit all ihren Ängsten, Hoffnungen und Träumen so realistisch und glaubwürdig darzustellen, dass ich die Trennung nachvollziehen und wirklich gut heißen kann. Dafür habe ich den aller größten Respekt vor Tanja!Ich finde es auch spannend, wie Casanova dargestellt wird. Genau so habe ich ihn mir vorgestellt. Aus jeder scheinbar noch so verfahrenen Situation findet er einen Ausweg und rettet sich durch seinen Charme vor jedem Problem. Dass er im Inneren aber ein kleiner Junge geblieben ist, der sich nur die Liebe der Mutter wünscht, war neu für mich und lässt den 'Frauenheld' Casanova in einem neuen Licht erscheinen.
Ich bin gespannt, was jetzt im 'Finale' auf mich zukommt und wie diese beiden so stark ausgeprägten Individuen ihr Leben fortsetzen. Ich bin mir allerdings fast sicher, dass sich ihre Wege nochmal kreuzen werden, wie am Ende des Abschnitts ja bereits angedeutet.
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Frage: Stand es in Casanovas Memoiren, dass er auch als Erwachsener unter dem Verhalten seiner Mutter litt? Das kann ich mir nämlich nur schwer vorstellen... War es scharfsinnige Beobachtung deinerseits, Tanja, und psychologische Interpretation?
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"Man umarmte mich, befahl mir, immer den Befehlen recht artig nach zu kommen, und ließ mich in dem Hause. So entledigte man sich meiner." Soweit Casanova, Originalton als alter Mann in Böhmen, darüber, wie seine Mutter ihn in der Schule in Padua unterbrachte. Lady Tudor, seine Schilderung seiner Mutter, die Mischung aus Bewunderung - wie schön, elegant und erfolgreich als Schauspielerin sie war, davon wird in den Memoiren auch geschwärmt - und vehementen Ressentiment, das z.B. aus diesem "so entledigte man sich meiner" spricht - ist auch nach all diesen Jahren ist so lebhaft, daß mir diese Interpretation unwiderstehlich schien.
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Ich finde auch, dass die Trennung der einzig logische Schritt ist. Außerdem stellt sich für mich die Frage, was eine Ehe in dieser Gesellschaft eigentlich für einen Sinn hatte, denn Treue wurde ja offensichtlich normalerweise nicht erwartet. Und wenn man aus wirtschaftlichen Gründen geheiratet hat - naja, das ist ja eben gerade der wunde Punkt in der Beziehung zwischen den beiden.
"Friends with benefits" passt perfekt zu ihnen. Dadurch behalten beide ihre Freiheit, aber tragen doch auch der besonderen Verbindung Rechnung, die zwischen ihnen besteht. Ehrlich gesagt, in dieser Gesellschaft erscheint mir das fast als ein respektvolleres und auch emotionaleres Angebot als ein Heiratsantrag.
Ich finde es interessant, dass Casanova allen familiären Banden so aus dem Weg zu gehen scheint, nicht nur (Schwieger)Müttern. Seine Geschwister spielen auch überhaupt keine Rolle. Für Caroli dagegen steht ihre "Familie" fast an erster Stelle, oder wenigstens kommt es für sie nicht in Frage, sie im Stich zu lassen.
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Brigia, es freut mich, daß dir der Unterschied in der Haltung der beiden Protagonisten ihren Familien gegenüber auffällt, denn das war mir wichtig, ohne es mit dem Holzhammer deutlich machen zu wollen. Daß die Trennung/Verzicht auf eine Ehe als emotional logisch für die Charaktere herüber kommt, ist eine große Erleichterung, denn das ist ein wichtiger Handlungs-, und Charakterisierungspunkt. Als Leserin anderer Romane habe ich "es ist halt so passiert" nie für ein genügendes Argument gehalten; ich fand immer, wir Autoren müssen innerhalb des Buches selbst plausibel machen, warum die Charaktere dieses und jenes tun.
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Calori und Casanova stehen ständig unter dem Druck, nicht wie ihre Eltern zu sein oder gar zu werden. Beide halten immer wieder inne und schauen, ähnelt ihr Leben dem der Eltern oder nicht? Müssen sie etwas ändern?
Schön fand ich, dass Calori auch nach ihrer Offenbarung zu Mutter Lanti hält und sie und ihre drei Kinder weiterhin als ihre Familie ansieht.
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Zitat
Original von LadyTudor
Calori und Casanova - diese Beziehung ist wirklich interessant.Ich bin gespannt, was jetzt im 'Finale' auf mich zukommt und wie diese beiden so stark ausgeprägten Individuen ihr Leben fortsetzen.
Das sehe ich ganz ähnlich. Casanova und Calori verstehen sich so gut, weil sie beide selbstbewusst und zielstrebig, aber dennoch auch ganz verschieden sind. Angiola ist spontaner, würde ich sagen, während Giacomo immer auf Haltung achtet.
Sie sind gute Gefährten, aber auch das hat seine Grenze, z.B. auf Seite 355 als Giacomo feststellt, dass sie verschiedene Vorstellungen davon haben, wie man sich in harten Zeiten irgendwo einführt. Für Casanova ist immer nur das Beste gut genug. Also ein ganz einfacher Geschmack, wie Oscar Wilde sagen würde.Ich mag es, wenn bei Casanovas Sätzen sein Humor aufblitzt, z.B. anlässlich des Heiratsantrags auf Seite 359:
"Ich habe Tintenfische mit mehr Wärme und Begeisterung darauf reagieren gesehen, vom Netz eines Fischers gefangen zu werden."
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Obwohl der dritte Abschnitt nur aus gut 100 Seiten besteht, passiert doch außerordentlich viel.
Zunächst entwickelt sich die Beziehung zwischen Angiola Caleri und ihrem Giacomo weiter. Er bringt ihr das Schwimmen bei, sie zeigt ihm dafür, wie man sich in Frauenkleidern fühlt. Alles wirkt sehr harmonisch und die Verliebtheit der beiden sprüht einem als Leser förmlich entgegen.
Doch wenn alles so einfach wäre, dann wäre die Geschichte ja langweilig. Giacomo stellt fest, dass ihm sein Pass abhanden gekommen ist und landet dafür im Gefängnis. Mir stellte sich hierbei die Frage, ob Giacomo jemals einen Pass besessen hat, wenn er sich doch immer mal wieder als eine andere Person ausgibt? Oder hat er den Pass wirklich verloren?
Caleri versucht alles, um ihn daraus zu befreien, doch es gelingt ihr nicht. Eine unbedachte Aussage gegenüber der Contessa sorgt sogar dafür, dass sie sich selbst fast in Schwierigkeiten bringt, da die Contessa die Offenbarung, dass sie von einer Frau verwöhnt wurde und diese sie nun verhöhnt (ich sage nur Schoßhund), doch sehr missfällt. Caleri fliegt aus dem Haus der Contessa und ist mit ihrer Offenbarung kein Stück weiter gekommen.
Während Caleri, um an Geld zu kommen, erstmal wieder als Bellino singt, gelingt es Giacomo durch eine List sich zu befreien. Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer, wird Giacomo doch von einem österreichischen Baron aufgehalten. Baron Vais gewährt ihm die Freiheit, wenn er für ihn spioniert.
Caleri und Giacomo finden wieder zusammen und reisen gemeinsam nach Bologna. Diese Reise bedeutet Caleri sehr viel, will sie doch wissen, wie es ihrer Mutter ergangen ist. Hoffentlich lebt sie noch.
Das Aufeinandertreffen der Frauen und das Schicksal Lucias hat mich als Leser sehr mitgenommen, hatte ich doch erwartet, dass Falier sie heiraten wird. Aber so viel Glück hatte sie nicht. Sie gebar ihm zwar ein Kind, den kleinen Louis, ist bei ihm aber nur seine Haushälterin, die seinen Kutscher geheiratet hat. Falier nahm sich lieber eine junge Frau mit untadeligem Ruf, um sein Gesicht zu wahren. In Wirklichkeit wird er Lucia aber wohl immer noch in sein Bett zerren.
Die gesellschaftlichen Konventionen dieser Zeit machen mir doch ein bißchen zu schaffen. Scheinbar wird hier nicht aus Liebe geheiratet, sondern ausschließlich, um die gesellschaftliche Stellung zu wahren bzw. in der Gesellschaft aufzusteigen. Viel Wert scheint eine Ehe nicht gehabt zu haben, wenn ständig von gehörnten Ehemännern und -frauen die Rede ist.
Das Ende des Abschnitts hat mich doch ein wenig traurig gemacht, hatte ich doch tiefe Hoffnungen gehabt, dass sich die Zwei dann doch im Bund der Ehe treffen. Aber hierfür müssten sie etwas aufgeben (zumindest einer von beiden) und ihre Vorstellung, das Leben der eigenen Eltern führen zu müssen als Gräuel zu sehen leuchtet mehr als ein. Die beiden trennen sich also auf freundschaftlicher Basis, um ihre gesteckten Ziele zu erreichen. Ich kann diesen Entschluss verstehen, auch wenn ich ihn nicht so schön finde.
Ich hoffe dennoch für beide, dass sie sich erneut begegnen und der Funke dann immer noch der Gleiche sein wird.
Gespannt bin ich nun wirklich auf den letzten Abschnitt. Wird Caleri der große Durchbruch gelingen? Was wird aus Giacomo? Ich freue mich schon auf die letzten Seiten. Es geht also wieder ans
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Nicigirl85, der Paß ist ihm tatsächlich abhanden gekommen. Jedenfalls behauptet er das in seinen Memoiren! Das ist ihm allerdings wirklich nicht noch einmal passiert. Im damaligen Europa, nicht nur in Italien, gab es ja so viele Kleinstaaten, daß man seine Papiere ständig zeigen mußte. Giacomo hat sich zwar im allgemeinen sehr gut auf das Durchbluffen verstanden, aber wenn man halt an einen Bürokratenhengst gerät.
Die Ehe: war in der Endzeit des Ancien Regimes in der Tat eine durch und durch unromantische Angelegenheit. Ausnahmen gab es natürlich immer. Ein Zeitgenosse von Angiola Calori und Giacomo Casanova, James Boswell, der durch seine Biographie seines Freundes Dr. Johnson berühmt geworden ist und ein besessener Tagebuchschreiber war, hatte zwar viel Freude am Sex und eigentlich vor, auf Geld und Ansehen zu heiraten, aber dann kam es völlig anders, und er heiratete seine beste Freundin, die auch seine Cousine war, und die ihn durch und durch kannte. Sein Vater war fuchsteufelswild. (James B. sollte NEUES Geld heirate und in die Familie bringen, nicht eine von dem ärmeren Zweig.) Er brachte es zwar in der Ehe nicht immer fertig, ihr treu zu sein, aber er liebte sie heiß und innig, und als sie nach ein paar Jahrzehnten starb, brach ihn das, und er kam nie darüber hinweg. Wegen der Tagebuchschreiberei haben wir das dokumentiert, also nicht von Biographen später hineininterpretiert, und ich würde das sehr wohl eine Ehe, die gleichzeitig auch eine romantische Liebe ist, nennen.
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Wie war das den mit dem Passwesen? Passbilder gab es ja noch nicht? Richtige Polizei eigentlich ja auch erst nach der Französischen Revolution?
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Beowulf, es waren Reisepapiere, in denen eine Personenbeschreibung stand, und die sich die Leute meistens nur ausstellen ließen, wenn sie tatsächlich die Absicht hatten, zu verreisen, von Vertretern der jeweiligen Behörden - das konnten Amtsrichter oder Militärs sein, oder ein Herzog (z.B. brauchte Goethe, als er Christiane und den gemeinsamen unehelichen Sohn August nach Frankfurt mit nahm, um sie seiner Mutter vorzustellen, vom Herzog ausgestellte Reisepapiere für Christiane und August).
Als ich in diesem April noch einmal in Italien war, entdeckte ich in einem Museum in Padua doch tatsächlich die Reisepapiere, die Giovanni und Sarah Belzoni sowie James für ihre Reise von Zypern nach Ägypten ausgestellt worden waren, was mich, da Sarah die Hauptfigur von "Säulen der Ewigkeit" ist, natürlich entzückte.
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Viel schreiben kann ich hier nicht - ich mußte den Rest in einem Rutsch lesen, hatte bisher nur noch keine Zeit in Ruhe ins Internet zu gehen.
ZitatOriginal von LadyTudor
Calori und Casanova - diese Beziehung ist wirklich interessant. Beide haben Angst vor dem Schicksal ihrer Eltern, beide wollen genau das nicht für sich. Und doch scheint es, als würden sie genauso werden, wenn sie zusammen bleiben. Vor allem Casanovas Angst vor einem im Leben im Schatten einer berühmten Frau tritt ja schon seit längerem deutlich hervor.
Es ist also eine logische Konsequenz, dass die beiden nicht heiraten - dafür lieben sie außerdem jeder seine/ihre Freiheit zu sehr-, sondern dass sie getrennte Wege gehen.Für die Beiden meiner Meinung nach auch die einzigste mögliche Entscheidung. Zusammen können sie nicht, dann lieber getrennt - aber glücklich!
ZitatOriginal von Tanzmaus
Schön fand ich, dass Calori auch nach ihrer Offenbarung zu Mutter Lanti hält und sie und ihre drei Kinder weiterhin als ihre Familie ansieht.
Calori scheint sehr treu zu sein - und damit steht sie auch weiterhin zu ihrer "Adoptivmutter"!ZitatOriginal von Tanja Kinkel
Als ich in diesem April noch einmal in Italien war, entdeckte ich in einem Museum in Padua doch tatsächlich die Reisepapiere, die Giovanni und Sarah Belzoni sowie James für ihre Reise von Zypern nach Ägypten ausgestellt worden waren, was mich, da Sarah die Hauptfigur von "Säulen der Ewigkeit" ist, natürlich entzückte.
Und wieder ein Grund die Säulen der Ewigkeit endlich zu lesen (denn es steht bei mir noch ungelesen im Regal natürlich völlig zu unrecht! -
Ich bin schon lange lange durch mit dem Abschnitt, mit dem gesamten Buch eigentlich, nehme mir aber erst jetzt die Zeit für meinen Beitrag.
In diesem Abschnitt haben mich am meisten die Geschehnisse rund um das Treffen der Familie Calori berührt, und das Treffen Angiolas mit der Gräfin.
Das erste Treffen war deshalb so eindrücklich, weil ich völlig schockiert von Caloris Mutter war. Eine so stolze Frau (wie ich sie mir im ersten Kapitel vorgestellt habe) ist plötzlich nicht nur verbittert und alt, nein, sie ist auch noch (freiwillig) in den Händen eines ekligen alten Sackes. Ich kann die Frau nicht verstehen. Genügte die Brüskierung des Heiratsantrages nicht, ihr zu zeigen, welche Art Mann der Gelehrte ist? Hat sie sich wirklich andere Hoffnungen gemacht, bevor er das nächste junge Blut ehelichte? Wäre es nicht besser gewesen, weiter Untermieter aufzunehmen? Ich bin empört über die Doppelmoral dieses Mannes und traurig über die Demütigung von Angiolas Mutter.
Das Treffen mit der Contessa fand ich deshalb so eindrücklich, weil ich nicht recht verstehen kann, was daran so schlimm sein soll, von einer Frau verwöhnt zu werden wenn ich ansonsten überhaupt kein Problem damit habe, mit Hinz und Kunz ins Bett zu hüpfen! Genügte nicht ein Achselzucken, die Erinnerung und vielleicht ein Staunen über die so vergnüglichen Empfindungen? Stattdessen eine gnadenlose Strafe an Magd und unschuldigen Dritten. Die Contessa ist ein verwöhnte und leicht bösartig veranlagte Frau.
Ansonsten gefällt auch mir die Entscheidung Casanovas und Caloris, sich alle Freiheiten zu geben und sich falschen Versprechungen zu versagen. Hier ist sie wieder, die gegenseitige Ehrlichkeit, die auch zulässt, dass Casanova zugibt, nicht von einer Frau wirtschaftlich abhängig sein zu wollen und es Calori erlaubt, ihre Erfolge für sich selbst zu feiern und zu genießen.