Ich bin Buchhändler in einem großen Buchhaus und stelle mir gerade vor, jeder Kunde der herein kommt, würde lauthals "Guten Tag" rufen. Damit ihn auch ja alle Buchhändler in den 4 Etagen hören können
Ich denke, dass dieser Brief mehr als Spaß unter Buchhändlern zu verstehen ist, stand dieser doch in einer Gruppe für Buchhändler und nicht für Kunden. Eine Art Wunschgedanke der Verfasserin. Jeder der im Einzelhandel arbeitet kennt diese Situationen und es ist einfach schön, mal ein Ventil zu haben und unter Gleichgesinnten Dampf abzulassen. Da fühlt sich, in diesem Fall der Buchhändler, verstanden. Das darf man auf keinen Fall zu ernst nehmen und es sind Dinge, die man nur ausspricht, wenn man unter sich ist. Ich finde es geradezu absurd mit dem Finger auf den Einzelhänldler zu zeigen: Du wagst es dich über Kunden lustig zu machen. Selbst aber wahrscheinlich das größte Lästermaul der Stadt ist...
Mal Hand aufs Herz, jeder hier kennt es doch, dass einem gewisse Sachen am Job nerven. Wer hat denn schon den perfekten Job? Und meistens regt man sich über andere Menschen auf. Ich will nicht wissen, was der Mechaniker denkt, wenn ich zu blöd bin an meinem Auto ne Glühbirne auszutauschen oder was in den Lehrerzimmer der Schulen abgeht. Und ich wette auch darüber gibt es Gruppen und Seiten im Netz. Bei Lehrern gibt es sogar einige Bestseller zu dem Thema (Chill mal, Frau Freitag oder Isch geh Schulhof). Es liegt in der Natur des Menschen sich über andere aufzuregen oder lustig zu machen. Wer ohne Sünde ist, werfe bitte den ersten Stein...
Der Buchhandel hat da viel Potential.
Im Einzelhandel zu arbeiten ist ein Knochenjob: Miese Bezahlung, miese Arbeitszeiten und ständige Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes. Überall wird abgebaut. Die wenigen Verkäufer können die Flächen kaum abdecken. Das nur mal so am Rande. Sätze wie "dann kaufe ich das eben im Internet" sind gar nicht mehr so witzig wie sie vielleicht manchmal gemeint sind. Da klingeln bei jedem Verkäufer die Alarmglocken. Auch, wenn er es nicht gerne zugibt. Der Einzelhandel hat stark zu kämpfen. Manchmal befürchte ich, dass es bald gar keine Innenstädte mit Geschäften mehr geben wird. Immer mehr Arbeit wird auf immer weniger Personal verteilt. Weniger Kunden gleich weniger Personal. Immer so weiter...Da ist es manchmal wirklich schwierig Abends kurz vor acht oder neun Uhr noch wie Strahlemann durch die Gegend zu rennen.
Ja dann soll man sich wohl einen anderen Job suchen. Das ist wie jeder weiß nicht gerade einfach. Gerade wenn man 20 Jahre im Einzelhandel gearbeitet hat und dann noch mal ganz von vorne anfangen muss. Und jeder im Enzelhandel klagt über diese Sachen. Wenn es keine Verkäufer mehr gibt, kann euch doch gar keiner mehr dieses unglaublich tolle Buch empfehlen, das eben nicht auf der Bestsellerliste steht.
Außderdem liebt man seinen Buchhändlerjob auch einfach. Das ist eine Passion. Und glücklicherweise sind die meisten!!!! Kunden sehr nett und höflich. Und wir gerne mit euch Kunden von den gelesen und empfohlenen Büchern schwärmen! Und da nehmen wir auch gerne mal Tipps von Kunden an.
Und ich kann versichern, dass Buchhändler es bestimmt nicht darauf anlegen, sich über Kunden lustig zu machen. Es sind meistens einfach niedliche, nette Anekdoten, über die man mal schmunzeln kann. Man hat ja sonst nix zu Lachen. Wenn die liebe Oma "Shades of Grey" sucht und damit überhaupt nichts anfangen kann. Dann helfen wir sehr gerne und hinterher schmunzeln wir ein wenig, weil wir uns freuen und weil solche Kunden einfach liebenswert sind!!!
Die Klassiker sind da eine leichte "Falle" für die Kunden. Die meisten Buchhändler können diese eben im Schlaf runterbeten. Eigentlich darf sich kein Buchhändler erlauben diese nicht namentlich zu kennen. Da es vielen Buchhändler vorm ersten Arbeitsantritt sicherlich ähnlich ging, wie dem verwirrten Kunden, freuen sie sich einfach jetzt punkten zu kennen. Ich denke vielen Mechanikern geht das ähnlich.
Kaum ein Buchhändler regt sich darüber auf, wenn die Kunden mit Titelfragmenten kommen und den Autoren nicht kennen. Das ist doch gerade die Herausforderung. Buchhändler sein, heißt Detektiv sein. Wenn der Kunde einen normal fragt, helfen wir liebend gern und entschuldigen uns noch tausend mal, dass wir dieses "blaue Buch mt ein bißchen Gelb" leider nicht finden konnten.
Aus dem Alter, dass ein Buchhändler sich mit seiner Ware identifizieren muss, sind wir leider raus. Wer würde denn dann noch "Shades of Grey" anbieten? Und ja wir haben die Seller auf den großen Tischen am Eingangsbereich liegen. Aber wer macht denn die Seller? Ihr Kunden ihr Leser. Die Seller muss man einfach da haben, damit verdienen wir unser Geld! Kein Buchhändler kann es sich mehr leisten, nur ausgewählte, für gut befundene Bücher, anzubieten. Das ist traurig, aber wahr. Kein Buchhändler kann was dafür.
Menschen, die noch nie im Einzelhandel oder ähnliches gearbeitet haben, können sich gar nicht vorstellen, was wir uns manchmal bieten lassen müssen. Selten ist es der Verkäufer, der gereizt auf einen Kunden zugerannt kommt und ihm irgendwelche Begriffe um die Ohren haut. Aber auf der anderen Seite gibt es viele faule Verkäufer, die einfach mal keinen Bock auf ausführliche Beratung haben oder diese auch einfach nicht bieten können. Das ist auch nicht in Ordnung. Leider ist es im Buchhandel in großen Häusern nicht ungewöhnlich, dass man in verschiedenen Bereichen eingesetzt wird und nicht in allen gleich gutes fundiertes Wissen hat. Das frustriert dann Kunde und Kollege gleichermaßen.
Diejenigen, die hier als Kunden im Buchhandel geantwortet haben, sind mit diesem Brief ja gar nicht gemeint. Wenn mal jemand kein "Guten Tag" sagt oder nach ner Tüte fragt, wird sich auch kein Buchhändler mehr aufregen oder wenn man auf was zeigt und nicht weiß wie es heißt. Da regt sich Einzelfall doch kein Bäcker mehr auf. Die hätten ja viel zu tun.
Aber es gibt diese Kunden, die zeigen, dass sie die Macht haben, dass du ihnen dienen musst und dass du als Verkäufer ja sowieso faul und dumm bist. Aber der Verkäufer lächelt und dient und hinterher bei der Zigarette hinten auf dem Hof mit dem Kollegen muss er sich dann auskotzen und dieser Hinterhof ist nun eben ins Internet gewandert.
Was ich sagen will, fühlt euch bitte nicht persönlich damit angesprochen. Habt ein klein wenig Verständnis für den Alltagsbuchhändler und wir Buchhändler wollen uns bemühen nicht immer so überheblich rüber zu kommen. Da wir so belesen und dadurch so eloquent sind, sind wir einfach besser