Aus dem Französischen von Kurt Leonhard
142 Seiten, broschiert
Kurzbeschreibung:
Der Mensch, der sich dem Abenteuer seines Bewusstseins verschrieben hat, ist am Gegenpol seiner Unschuld angekommen.
Gedanklich wie stilistisch ist Ciorans Werk eines der wichtigsten Zeugnisse für das Weltverständnis unserer Zeit.
»Dem Menschen tut es nicht gut, wenn er sich immerfort in Erinnerung ruft, daß er ein Mensch ist. Über sich selbst reflektieren ist schon schlimm genug; mit dem Eifer eines Besessenen über das Menschengeschlecht reflektieren ist aber noch schlimmer, denn dadurch erhält die elendige Beliebigkeit der Introspektion eine objektive Grundlage und philosophische Rechtfertigung.«
Über den Autor:
E. M. Cioran wurde 1911 in Rumänien geboren. Er studierte in Bukarest Philosophie - vor allem Kant, Fichte, Schopenhauer, Hegel und Bergson -, kam 1937 als Stipendiat nach Paris, wo er bis zu seinem Tod im Juni 1995 lebte.
Mein Eindruck:
Der Absturz in die Zeit ist ein Buch mit Essays von Cioran, das 1964 erstmals veröffentlicht wurde.
Damit ist es weder Frühwerk noch Spätwerk, in die Ciorans Werke sonst so gerne eingestuft werden.
Cioran macht sich zu verschiedenen Themen Gedanken, die ganz zentral und unmittelbar mit dem Schicksal der Menschen zu tun haben. Und die Schlüsse, die er zieht, sind größtenteils nicht schmeichelhaft für den Mensch, „das Tier mit der schwarzen Galle“, wie er ihn nennt.
Das äußert sich z.B. stark in dem Kapitel Die Gefahren der Weisheit.
Eigentlich durchzieht das ganze Buch ein bemerkenswerter Nihilismus.
In dem Kapitel “Über die Krankheit” finde ich zunächst nicht, was ich erwartet habe. Ciorans Thesen dazu kann ich nicht nachvollziehen, doch in dem darauffolgenden Kapitel “Die älteste Furcht sieht es schon anders aus. Da bezieht sich Cioran auf das Thema Krankheit und Tod mit einer Anmerkung zu Tolstoj, speziell zu dessen Erzählung Der Tod des Iwan Iljitsch, die ich persönlich für ganz außerordentlich halte.
Ciorans Resümee: Iwan Iljitsch, ein typischer Durchschnittsgeist, hätte ohne die Krankheit kein Relief und keine Konsistenz. Indem sie ihn zerstört, verleiht sie ihm eine Seinsdimension.
Das mag sein, aber ich denke, dass Cioran den zermürbenden Weg zur Zerstörung in seinem Essay nicht so würdigt, wie es Tolstoj getan hat. Außerdem glaube ich nicht, das Leiden alleine schon adelt.
Wenigstens schätzt Cioran die Dichte und Tiefe des späten Tolstoj.
Cioran schließt dieses Kapitel mit einem Vergleich zu Dostojewski und verblüffenden Schlussfolgerungen.
Das Buch endet mit „Aus der Zeit herausfallen“, wo die Willenlosigkeit als Krankheit, der Wille selbst aber eine andere, noch schlimmere ist.
Das unentrinnbare Ende, wobei es nicht mehr darauf ankommt ob durch ein langsames Hinsiechen oder durch eine plötzliche Katastrophe.
Nach Ciorans Prognose der Apokalypse fühlt man sich als Leser am Ende doch irgendwie getröstet und an Ciorans These ist vielleicht doch etwas dran. Der Mensch kann alles ertragen, solange er sich beklagen kann und es anderen ebenso schlecht geht.
Als Fazit bleibt aber, dass mich vieles in diesen Buch gedanklich nicht erreicht hat und in Ciorans Gesamtwerk würde ich dem Buch für mich keine allzu hohe Stellung zuordnen.
![]() |
ASIN/ISBN: 312901571X |