Schreibwettbewerb Juli/August 2013 - Thema: "Abseits"

  • Thema Juli 2013:


    "Abseits"


    Vom 01. bis 31. Juli 2013 - 18:00 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Juli 2013 zu o.g. Thema per Email an schreibwettbewerb@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 1. August eingestellt. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!



    Achtung: Achtet bitte auf die Änderungen! Annahmeschluß ist ab sofort immer am Monatsletzten um 18:00 Uhr und die e-mail Adresse hat sich wie folgt geändert - schreibwettbewerb@buechereule.de

  • von Inkslinger



    Rüdiger schaute sich um. Das Licht stach in seinen Augen und entwickelte sich zu dröhnenden Kopfschmerzen. Leise fluchend blinzelte er ein paar Mal, bis die Pein etwas abnahm. Sich selbst zur Ruhe ermahnend suchte er seine Umgebung nach bekannten Gegenständen ab. Nach einigen Sekunden erkannte er seine Geldbörse, die in ein paar Schritten Entfernung am Himmel schwebte.
    „Moment mal.“ dachte Rüdiger und kratzte sich verwirrt am Kopf.
    Doch auch nach dem zweiten Blick änderte sich nichts an seiner Beobachtung. Er blinzelte noch einmal und begriff plötzlich, was falsch an diesem struppigen Himmel war: Es war Gras.


    Er war in seinem Auto, doch irgendwie stand es nicht auf den vier dafür vorgesehenen Reifen, sondern lag auf dem Dach. Rüdiger versuchte, sich daran zu erinnern, wie es dazu gekommen war, doch es wollte ihm nicht gelingen. Daher machte er erstmal einen gedanklichen Bodycheck.
    „Kopf – vorhanden, tut weh. Arme – jup. Beine – jawohl. Zehen und Finger – intakt.“
    Erleichtert atmete er tief durch. Bis auf die nervigen Kopfschmerzen konnte er keine Einschränkungen oder Verletzungen feststellen. Jetzt musste er sich nur noch aus dem Wagen befreien.


    Unruhig rutschte er im Sitz hin und her. Wie war das gleich nochmal beim Verkehrsunterricht gewesen? Wie positionierte man sich so, dass man sich beim Öffnen des Gurtes nicht das Genick brach? Heute war wahrlich kein guter Tag zum Denken.
    Etliche Augenblicke verstrichen, ohne dass Rüdiger sich traute, irgendetwas Nützliches zu versuchen. Das Blut rauschte laut durch seinen Schädel. Plötzlich hörte er Sirenen. Noch nie in seinem Leben war er so froh, dass dieses nervtötende Geräusch schnell näher kam.
    Nach einigen Minuten war er frei. Blutergüsse, eine leichte Gehirnerschütterung und ein paar Schnittwunden wurden bei ihm festgestellt. Glück im Unglück, wie die Sanitäter öfter bewundernd bemerkten.


    Gedankenverloren ließ Rüdiger seinen Blick über die Szenerie schweifen. Sein geliebter BMW ruhte mitten auf dem Feld. Wie ein überdimensionaler Blechkäfer, den man für einen fiesen Scherz auf den Rücken geworfen hatte. Der umgefahrene Grenzpfeiler schien höhnend auf ihn zu zeigen. Natürlich Totalschaden. Plötzlich kamen die Erinnerungen an das Geschehen wieder.


    Rüdiger war auf dem Weg von der Gaststätte nach Hause. Vor ihm dümpelte ein kleiner Fiat herum. Lässig setzte er zum Überholmanöver an. Unvermittelt riss dieser Verkehrsbehinderer das Steuer nach links und streifte ihn an der Beifahrertür. Rüdiger kam ins Trudeln, schoss über den Fahrbahnrand und überschlug sich auf dem Acker.


    Sofort berichtete er dem umstehenden Polizisten alles, woran er sich erinnerte. Dieser betonte nochmals, was Rüdiger schon wusste: Er war ein echter Glückspilz!



    „Neue Umschau“ vom 10. Mai
    Ein schwerer Unfall ereignete sich gestern Abend gegen 17.25 Uhr auf der Landstraße. Eine 24-jährige Frau wurde durch einem anderen Verkehrsteilnehmer von der Fahrbahn gedrängt. Augenzeugen zufolge näherte sich ein offensichtlich betrunkener Fahrer in Schlangenlinien dem Fiat, erfasste ihn an der hinteren Stoßstange, schob ihn einige Meter vor sich her und scherte dann ruckartig nach links aus. Die junge Frau prallte gegen einen Baum und war sofort tot. […]

  • von Fukuro



    Da liege ich, ich liege da.
    Sie ziehen vorüber, vorüber ziehen sie. Ich schlafe, sie denken sie, sie denken so.
    Tue ich das? Das tue ich.
    Ich stehe neben mir, neben mir, da stehe ich.
    Sieh mich an, da liege ich. Ich schlafe, so denken sie.
    Der Schlaf ist für immer, für immer ist der ewige Schlaf.

  • von Suzann



    Er hatte alles geplant. Niemand würde ihm etwas aufzwingen, was er nicht wollte. Ohne dass sie es wussten, hatte er seinen beiden überfürsorglichen Töchtern einen Strich durch die Rechnung gemacht. Bei diesem Gedanken grinste Jacob zufrieden, während er im Hühnerhof stand und Körner durch seine Finger rieselten. Das Federvieh machte sich gackernd über das Frühstück her. Er liebte diese frühen Stunden, wenn das Licht noch ganz neu war, Vogelstimmen die Luft beherrschten und die Bäume ihren sanften Duft verströmten. Er liebte das schon seit vielen Jahren, seit seine Sara, die nie geraucht oder getrunken hatte, an Zungenkrebs zugrunde gegangen war. Während Saras schrecklicher Leidenszeit hatte er den Anschluss an das Leben verloren und ihn nie mehr wieder gefunden, schließlich auch nicht mehr gewollt.
    Seine Töchter hatten ihn für verrückt erklärt, als er in diese abgelegene Gegend gezogen war, sich einen Stall voll kleiner Tiere und ein Klohäuschen im Garten zugelegt hatte. Aber so hatte er seinen Seelenfrieden wieder gefunden. Abseits von der lauten Welt mit ihren rasanten technischen Entwicklungen. Aber jetzt, mit fast 79 Jahren, merkte er immer deutlicher, wie sein Körper den Geist aufgab. Er hatte keine Angst vor dem Tod. Wovor er sich fürchtete war, dass die Zukunftspläne seiner lieben, aber ignoranten Töchter wahr werden könnten. Da war die Rede von gut geführten Pflegeheimen in der Nähe der Familie, von gesellschaftlichen Programmen und guter medizinischer Versorgung. Sie wollten ihn zu einem bettlägerigen, senilen Idioten machen, der unterbezahltem Heimpersonal hilflos ausgeliefert war! Nicht mit ihm! Vorher würde er sich die Pulsadern öffnen!


    Sein gemütlicher Rundgang hatte ihn zur Pferdekoppel gebracht und er sah den Ponys bei ihren morgendlichen Kapriolen zu. Als sie ihn bemerkten, kamen sie gesprächig auf ihn zugetrabt und streckten ihre Hälse durch das Gatter. Sie wussten, dass er immer etwas Leckeres für sie dabei hatte. Eine Möhre, einen Apfel. Irgendwann gesellte sich auch sein fetter Kater zu ihm und machte ihn nachdrücklich darauf aufmerksam, dass er am Verhungern war. Der ewig mürrische Gesichtseindruck des alten Haudegens erinnerte ihn an den Notar, der seine letzten Wünsche und Verfügungen zu Papier gebracht und beglaubigt hatte. Die verdrießliche und hektische Art des Mannes hatte ihn in seinem Entschluss bestätigt, nie mehr in dieses menschenverachtende Hamsterrad namens Zivilisation zurückzukehren. Er hatte sich jegliche lebenserhaltende Maßnahmen verboten und das Finanzielle geregelt.
    Und heute war es soweit sein. Er spürte ein flaues Gefühl in der Magengegend. Ein Rückzieher wäre jetzt nur noch schwer möglich. Er kehrte in sein kleines Häuschen zurück, hängte seinen labbrigen, breitrandigen Filzhut an den Nagel neben der Türe und fütterte den Kater. Dann setzte er sich in seinen Lieblingssessel und lies die Zeiger der alten Junghans Regulator nicht mehr aus den Augen. Schließlich war es so weit. Pünktlich auf die Minute streckte sich sein Arm und seine Hand ergriff…
    … die Türklinke. „Hallo, ich bin Pavla“, lächelte ihn ein flächiges, aber freundliches Gesicht an, „ihre neue Vollzeitpflegekraft.“

  • von Johanna



    Jenseits der Berge in einem fernen Land,
    lebt einst ein Jüngling, in einfachem Gewand


    Ganz einsam und allein
    Stand er vorm Drachenstein


    Hier ward er hin verbannt, so wurde es entschieden.
    Fort mußte er, sonst gäb es keinen Frieden.


    Als Opfer wurd er auserkoren,
    zur Sättigung des Carnivoren.


    Ein jedes Jahr dies war verlangt
    Dazu sein Heimatdorf verdammt.


    Der Drache war sonst nicht zufrieden.
    Und hätt den Ort nicht mehr gemieden.


    Ganz mutterseelenallein, so stand er hier,
    starb fast vor Angst, vorm großen Tier.


    Der Felsen wackelt; da donnert es und blitzt
    Was kommt denn da heraus geflitzt?


    Huch, da steht vor ihm ein kleiner Wicht
    Ein Drache ist das jetzt aber nicht.


    Der Zwerg, ganz hässlich, krumm und klein
    Gelindert ist ganz kurz des Jungens Pein.


    Da knarzt das Männlein tief und rau.
    „Nimm Du mich an als Deine Frau?“


    Entsetzt der Jüngling weicht zurück.
    „Halt, stop, riskiere nicht Dein Glück“


    „Geflüchtet sind die andren alle
    Die sind nun in der Totenhalle.“


    „Gibt schlimmeres, was soll ich machen.
    Ertragen und halt trotzdem lachen?


    Bleib lieber ein gesunder Mann.“
    So denkt er kurz und nimmt sie dann,


    Gesprochen ist es kaum, das Ehe-Wort,
    da ist auch schon das Männlein fort.


    „Wieso bin ich denn jetzt allein,
    das kann doch nun nicht sein“


    Da sieht er dann, im güldnen Kleid,
    die wunderschönste, blonde Maid.


    Sie steht bei ihm und strahlt ihn an,
    „ich danke Dir, mein liebster Mann“


    „Vom Fluch errettet bin ich nun
    Das Böse darf nun endlich ruh´n“


    Sie lebten dann ganz glücklich und zufrieden
    Solang sie sind zusamm´ geblieben.

  • von Zuckelliese



    Hubert und Laurin verpackten ihre umfangreiche Ausrüstung im Auto. Heute sollte ihr erster Wettkampf stattfinden. „Team Junior und Senior“.


    Die Grundstellung war das Wichtigste, was man beherrschen musste. Diese ersten Worte des Trainers standen Hubert sofort vor Augen, als das Spiel begann. Sein Spielpartner, Laurin, der wesentlich jünger war, hatte 14 Tage Trainingsvorsprung, den er unbedingt aufholen wollte. Die Schläge, die der Kerl drauf hatte, beeindruckten ihn nach dem Urlaub mächtig. Zuerst war ihm der Seniorenschläger etwas unangenehm aufgestoßen, der ihm vom Pro gereicht wurde, aber nach vielen Stunden Internetrecherche kannte er die Unterschiede der Spielwerkzeuge und-Regeln genauer. Der erste Abschlag gelang nicht hundertprozentig und bei der Verfolgung des Balls mussten beide im höheren Gras lange suchen. Laurin schoss knapp am Bunker vorbei und rieb sich die Schulter. Der Trainingsvorsprung fiel damit einer Verzerrung zum Opfer. Der zweite Abschlag führte den Ball hinter die Büsche auf der anderen Seite der Bahn. Hubert ging zügig in die Richtung und schob vorsichtig die Zweige auseinander. Da leuchtete der Kleine Ball genau auf dem nackten Po eines Liebespaars. Hubert zog das fünfer Eisen aus dem Bag und pendelte mit beiden Armen in die richtige Position. Plötzlich zuckte der Untergrund, weil ihn ein harter Schlag traf. Der Ball verfehlte sein Ziel um Längen. Als Laurin geraume Zeit später am Busch auf seinen Spielpartner traf, hörte er ihn nur noch leise flüstern:“Ich wollte auch mal wieder einlochen.“ Das Feierabendbier nach dem Spiel wurde schnell ausgetrunken. Hubert machte sich schwere Vorwürfe wegen der Körperverletzung an einem Unbeteiligten und der Unterbrechung eines Zeugungsakts. Der Pro erklärte sich zu weiteren Trainingseinheiten gern bereit, er musste ja seinen Lebensunterhalt damit verdienen und die beiden hatten es bitter nötig. Der Hamstergriff bedurfte wohl noch längerer Übung. Der Hamster(Schläger)verlor bei Hubert noch zu oft sein Leben.


    Im nächsten Sommer wollten beide Anfänger ihr Handicap deutlich verbessern und das Leben der Hamster durch festes, aber nicht tödliches Zugreifen schonen. Hindernisse, die am Rande des Spielfeldes lauerten, sollten dann kein Problem mehr für sie sein.

  • von arter



    Wenn du noch den Kaffee gefiltert genießt,
    wie einst von Tante Melitta,
    der Geschmack von Pads sich dir nicht erschließt
    und Crema findest du bitter.


    Dann bist du keiner von heute mehr,
    an dir bildet sich Schimmel bereits.
    Dann hast du es täglich zunehmend schwer,
    denn dann stehst du im …


    Abseits!


    Wenn du gerne Gespräche führst,
    dein Gegenüber im Augenkontakt.
    Falls du Irritationen verspürst,
    wenn er dabei sein Handy hackt,


    dann bist du nicht unter den Hippen mehr,
    und vergammelst bereits.
    Dann hast du es täglich zunehmend schwer,
    denn dann stehst du im …


    Abseits!


    Wenn es nicht dein Verlangen ist,
    präsent zu sein im Buch der Gesichter,
    mit einer Handvoll von Freunden zufrieden bist,
    dann werden deine Haare lichter.


    Dann bist du keiner der Unsrigen mehr,
    gehörst zum alten Eisen bereits.
    Dann hast du es täglich zunehmend schwer,
    denn dann stehst du im …


    Abseits!


    -


    Doch in einer Frage macht dir keiner was vor.
    Da bist du noch uptodate.
    Da spitzt noch jeder Laie sein Ohr,
    wenn du erklärst worum es geht:


    -


    Stürmst du ganz allein aufs andere Tor,
    vor dir nur noch ein Mann,
    dein Partner legt den Ball dir vor
    und zwar vorwärts, sag was ist dann?


    Dann gilt es nicht, dann ist es kein Tor,
    Der Linesman winkt auch bereits.
    Drum meide es immer und sieh dich bloß vor,
    denn dann stehst du im …



    Doch wenn du untätig daneben stehst,
    dann sei nicht so naiv,
    dass du noch hin zum Geschehen gehst,
    denn so bleibst du passiv.


    Dann gilt es, dann ist es ein Tor.
    Schiri weist zur Mitte bereits.
    Dann jubelt ihr alle gemeinsam im Chor,
    denn dann ist es kein …



    Doch wenn dich dann noch der Ehrgeiz packt,
    bringt es euch um den verdienten Lohn,
    wenn du zum Ball gehst, dann wird es vertrackt,
    eine neue Spielsituation.


    Dann gilt es nicht, dann ist es kein Tor,
    der Linesman winkt auch bereits.
    Drum meide es immer und sieh dich bloß vor,
    denn dann stehst du im …



    Aber wenn der Gegner den Ball erwischt,
    dann streng dich noch mal an!
    Dann werden die Karten neu gemischt,
    vielleicht bist du der Mann.


    Dann gilt es, dann ist es ein Tor.
    Schiri weist zur Mitte bereits.
    Dann jubelt ihr alle gemeinsam im Chor,
    denn dann ist es kein …



    Doch wenn du dann noch mal das Abspiel wagst,
    pass auf wo dein Mitspieler ist.
    Nicht, dass du dann am Ende klagst,
    weil du die Regel vergisst.


    Dann gilt es nicht, dann ist es kein Tor,
    der Linesman winkt auch bereits.
    Drum meide es immer und sieh dich bloß vor,
    denn er stand wohl auch im …


    Die letzten fünf Strophen so lange wiederholen, bis es auch der letzte verstanden hat.


    Abseits!

  • von Voltaire



    Nur nicht einschlafen! Um Gottes Willen jetzt nicht einschlafen. Denn dann würden die Träume kommen – und mit ihnen würde auch er kommen.


    Jill wusste, lange würde sie es nicht mehr aushalten. Irgendwann würde sie einschlafen – und träumen. Und es war ihr klar: Er wartete bereits auf sie.


    Freddy Krueger! Das Monster aus den Träumen der jungen Menschen; junge Menschen die nichts weiter getan hatten, als in der Elm Street zu leben und die Kinder ihrer Eltern zu sein. Junge Menschen, die nun für die Sünden ihrer Eltern büßen mussten. Es waren die Eltern die versucht hatten Freddy umzubringen. Sie hatten ihn in den Kellerraum seines Hauses gesperrt und dann den Keller in Brand gesteckt. Freddy starb einen grauenvollen und qualvollen Tod. Doch seine nach Rache lechzende Seele lebte weiter. In ihren Träumen verfolgte er sie. Träume, die die Kinder seiner Mörder träumten. Und in diesen Träumen tötete er. Gnadenlos und mit aller Brutalität.


    Und dann war Jill eingeschlafen.


    Sie sah ihn vor sich. Der Schlapphut, der nichts von den grässlichen Brandnarben auf seinem Gesicht verbarg. Dazu dieser widerlich rot-grün gestreifte Pullover und diese braune abgewetzte Hose. Freddy is back in town and in your dreams.


    Und natürlich sah sie auch seine Messerhand. An seiner rechten Hand hatte Freddy statt Finger – fünf unglaublich scharfe Messer. Messer mit denen er seine Opfer zerstückelte.


    Tief und fest schlief das sechzehnjährige Mädchen; seinen vielleicht letzten Schlaf.


    „Eins – zwei – drei – Freddy kommt vorbei.“


    Jill schrie auf. Ihr Traum hatte sie auf den Hinterhof der alten Fabrik geführt. Das fahle Mondlicht warf bizarre Schatten.


    Und dann stand er vor ihr. Diabolisch grinsend. Die Klingen seiner Messerhand spielten ihre tödliche Melodie.


    „So Jill. Heute ist deine Nacht!“ Freddys Stimme war samtweich und unheilverkündend.
    „Bitte Freddy. Bitte. Lass mich leben.“ Jill schaute flehend auf die grauenvolle Erscheinung. Freddys Augen blickten so kalt wie das Eis der Hölle.


    „Es ist zu spät, Jill. Deine Nacht ist heute.“ Freddys grauenhafte Visage verzog sich zu einem noch grauenvolleren Grinsen.


    „Aber Jill. Bevor meine Freunde sich hier mit deinem jungen Körper beschäftigen, gibt es vom lieben Freddy noch eine Weisheit mit auf den Weg.“


    „Freddy! Bitte lass mich gehen.“ Jill wusste das ihr Flehen umsonst war. Freddys Messer würde gleich eine Blutorgie feiern, sie würde hingemetzelt werden. Und es gab nichts was sie dagegen tun könnte. Nichts!


    „Jill! Merke dir eines: Abseits ist dann, wenn der Schiedsrichter pfeift!“


    Und dann hörte Jill nur noch ihr eigenes Schreien……..

  • von rienchen



    „Verdammter Mist“. Felix fluchte. Der Hundertzweiundzwanziger Bus fuhr ihm vor der Nase weg, er meinte sogar, den Busfahrer noch grinsen zu sehen. „Wichser.“ Er stütze die Hände auf die Knie. Noch zehn Minuten, bis der Hunderdreißiger kam. Er wurde auf den Kaffee verzichten und sich beeilen müssen. Erstmal eine rauchen. An der Ecke standen zwei Damen mit einem Wachturm in der Hand, die ihn auffallend musterten und bereits ansetzten. „Das Schicksal … „ Felix verdrehte innerlich die Augen, hörte aber schon gar nicht mehr hin. Denn in diesem Augenblick sah er sie. Die junge Frau stand abseits der Bushaltestelle und sah abwesend in den Himmel, als wolle sie dem Rest der Welt ein Schnippchen schlagen. Er wusste, dass alles an ihr stimmte. Im Bus stellte er sich neben sie und als ein junger Typ sie anrempelte, berührten sich ihre Körper und sie lächelten sich elektrisierend an. „Ich bin Mia“, sagte sie nur und Felix fiel in die planetengroße Iris ihrer Augen.


    Ab diesem Tag nahm er immer den Hunderdreißiger. Mia stand immer an der gleichen Stelle, Felix stieg Ecke Pestalozzi aus und Tag um Tag erzählte er mehr von sich. Schon abends freute er sich auf die Busfahrt am nächsten Morgen um drei Minuten nach Sieben. Er schien auch ohne Kaffee über den Beton zu schweben, der zu seinem Büro führte.


    Als er eines morgens um die Ecke bog, stand sie nicht da. Ungläubig ging er um das Haltestellenhäuschen herum, sah auf die Uhr, aber es blieb dabei. Die Tage vergingen, Mia tauchte nicht auf. Felix' Schritte wurden schwerer. Nach wie vor nahm er den Hunderdreißiger und als ihn mal wieder der junge Typ anrempelte, brach es aus ihm heraus. „Pass doch auf, Du Vollidiot!“ „Ist ja gut, Mann, was issn heute los mit Dir? Keine Lust auf Unterhaltung?“ Er grinste. Felix machte große Augen. Unterhaltung? „Sonst biste doch auch nicht so agressiv … erzähl mir lieber was, wie jeden Morgen. Du weißt schon.“ „Wo ist Mia?“, fragte Felix. „Welche Mia? Ich bin Max!“


    Felix schnappte nach Luft, als er aus dem Bus stolperte. Er sprintete, rempelte Fußgänger an, Zweige von Büschen am Wegesrand peitschten ihm Striemen ins Gesicht. Den Schmerz in der Seite fühlte er nicht. Atemlos ließ er sich auf die Stelle am Boden fallen, an der er Mia das erste Mal gesehen hatte. Seine Lippen schmeckten kalten Beton. „Das Schicksal ...“ töte eine Stimme hinter ihm. „Das Schicksal, oder wer oder was hier auch immer die Scheiben dreht, ist ein gottverdammtes Riesenarschloch“; schrie Felix in die Richtung der beiden Damen , die mit ihren Schmierblättchen schnell das Weite suchten. Er betrachtete den Beton, fühlte ihn. Unter seinen Fingern erschien eine Schrift. Dich gefunden, Felix … warte nicht … erinnere mich an Dich... immer Sie verschwand genauso schnell, wie sie erschienen war. Felix wischte sich die Tränen ab und stand auf. Er würde Mia nie wiedersehen, aber das zählte nicht.


    Hier hatte sie immer gestanden, ein bisschen Abseits. Er sah in den Himmel und lächelte.

  • von churchill



    Die goldenen Zwanziger Jahre
    gebaren im Norden von Deutschland
    ein Kind wie so viele. In Bremen,
    im Mittelfeld lernte er spielen.
    Dann führte der Führer den Jungen
    gen Osten, den Krieg zu gewinnen.


    Gefangen, den Sowjets entkommen,
    gelandet in englischen Lagern.
    Die Jugend dem Wahnsinn geopfert,
    erwachsen dem Spiel treu geblieben.
    Die Zukunft lag zwischen zwei Pfosten,
    gestartet im Tor von St. Helens.


    Der Ruf kam von Manchester City
    vier Jahre nach Ende des Krieges.
    Zu früh, meinten wohl zwanzigtausend
    und forderten: "Off with the German!"
    Er blieb und er hielt und er siegte
    und wurde vom Fremden zum Helden


    in England. In Deutschland dagegen
    vertraute der Chef keinem Söldner.
    Die Siege in britischen Stadien
    beeindruckten Herberger wenig,
    und Weltmeister wurden nur jene,
    die deutsch auf dem Kontinent kickten.


    So wurde der weltbeste Keeper
    ganz anders zur wahren Legende:
    Es waren nur fünfzehn Minuten,
    in denen er hielt wie der Teufel.
    Gewann im Alleingang in Wembley
    trotz Schmerzen und Qual und Genickbruch.


    In England geehrt und gefeiert,
    in Deutschland, der Heimat, vergessen.
    Gestorben in Spanien im Juli.
    Bis dahin tatsächlich am Leben ...
    Im Nachruf als Großer gewürdigt.
    Wie immer weit weg. Ganz woanders.

  • von Kirsten S.



    Groß und rund stand der Mond am Himmel. Sein Leuchten ließ den Wald in bizarrem Licht erscheinen. Eine Schleiereule flog lautlos über ihren Kopf hinweg. Finja zuckte zusammen, ihr Herz schlug rasend schnell. Doch sie fühlte sich getrieben, musste weiterlaufen. Äste knackten unter ihren Füßen, einer stach schmerzhaft in die Fußsohle. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie barfuß unterwegs war. Seltsam. Was mache ich denn hier? Sie erinnerte sich nicht daran, dass sie die kleine Hütte am Waldrand verlassen hatte, in der sie seit einer Woche wohnte. Ihre Tante, zu der sie kaum Kontakt gehabt hatte, hatte sie ihr schon vor einem Jahr vererbt. Nachdem in der letzten Zeit sowohl in ihrem beruflichen als auch ihrem Privatleben einiges schief gelaufen war, fand sie die Idee, ihren Urlaub hier zu verbringen, erfrischend. In Sichtnähe zum Dorf, aber nicht zu nah, hatte sie sich in der vergangenen Woche schon wunderbar erholt.


    Doch was tat sie jetzt hier? Wie auf einem unsichtbaren Pfad wurde sie durch den Wald gezogen. Magnetisch. Sie konnte sich nicht dagegen wehren, und wollte es auch nicht. Eine Fledermaus flog direkt vor ihrem Gesicht durch, tausend helle Augen schienen sie zu beobachten. Doch seltsamerweise beunruhigte sie das nicht. Je weiter sie ging, desto gelassener fühlte sie sich.


    Dann öffnete sich der Wald und sie blickte auf einen dunklen See, in dessen Mitte sich der helle Vollmond spiegelte. Feuchtkühle Luft wehte ihr entgegen. Im nächsten Moment stand sie schon am Ufer, ihr dünnes Nachthemd glitt auf den Erdboden, dann betrat sie langsam das kalte Wasser. Dessen Oberfläche kräuselte sich und der Mond schien auf ihr zu tanzen. Finja stieß sich ab und drehte sich auf den Rücken um den Mond über ihr zu bewundern. Vollkommene Ruhe und Zufriedenheit machten sich in ihr breit.


    Wenig später verließ sie den See. Urplötzlich flog wieder eine Schleiereule an ihr vorbei und setzte sich direkt vor ihr auf einen Stein. Im nächsten Moment stand ein junger Mann vor ihr. Von Mondlicht umflutet. Ein weißer Umhang hing über seinen Schultern, eine Blätterkrone zierte seinen Kopf. Finja schluckte trocken, noch immer war sie splitternackt. Doch sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Lautlos kam er auf sie zu, ihr Herz schlug bis zum Hals. Sein Umhang segelte zu Boden und er stand nackt vor ihr. Wie eine griechische Gottheit, schoss ihr durch den Kopf. Dann senkte der Fremde den Kopf, zog sie an sich und küsste sie.


    Mit klopfendem Herzen setzte sich Finja in ihrem Bett auf. Die Morgensonne schien durchs Fenster. War alles nur ein Traum, dachte sie und fühlte sich beinahe ein wenig enttäuscht. Dann blieb ihr Blick am Nachttisch hängen, auf dem ein dunkelgrüner Blätterkranz lag.

  • von Lese-rina



    Hinter sieben Bergen, zehn Windkraftanlagen und fünfzehn Autobahnen lebte Loreley. Sie war weder besonders schön noch intelligent, aber ein herzensgutes Mädchen (mittel)junge Frau.


    Als Loreley eines Tages am Moor vorbeikam, hörte sie klägliches Weinen. Neugierig blickte sie sich um und entdeckte eine Unke. „Was hast du denn? Tut dir etwas weh?“ Mitfühlend ließ sie sich auf die Knie sinken. „Wuähhh“ heulte die Unke. „Heute morgen hat mich die blöde Ringelnatter aus der Facebook-Freundesliste geworfen. Jetzt habe ich nur noch 999 Freunde!“ Loreley musste sich ein Lächeln verkneifen. „Wie wärs mit dir?“ schlagartig hörte die Unke ihr Weinen auf „du könntest doch mein 1000ster Facebookfreund werden!“ „Ich?“ Loreley gefiel dieser Gedanke gar nicht. Eine Unke auf der Freundesliste? Cool ist was anderes! „Oh ja, bitte, bitte!“ „Na gut, weils du bist!“ willigte Loreley schließlich ein und zückte ihr Smartphone. „Danke, du hast mir den Tag gerettet,“ sprach die Unke und sprang ins Moor, dass es nur so platschte.


    Loreley ging am Schlossgarten entlang. Gerade als sie die prachtvollen Rosen bewunderte, rannte ihr Königin Stachelbeere mit schmerzverzerrtem Gesicht entgegen. „Oh nein, ich habe mich schon wieder an der Spindel gestochen!“ Das durfte wohl nicht wahr sein, dann würde wieder das gesamte Schloss in Tiefschlaf verfallen und aus war es mit nächtelangen Feiern. Doch Loreley wusste Rat und suchte in ihrer roten Umhängetasche nach einem Heftpflaster. So verarztet bestand für Königin Stachelbeere keine Gefahr mehr.


    Oben auf dem Berg traf Loreley eine alte Frau, die sich mit einem riesigen Federbett abmühte. „He du, kannst du mir mal helfen?“ fragte diese. „Klar,“ antwortete Loreley, „was soll ich denn tun?“ „Wir müssen Schneeflocken auf die Erde schütteln.“ „Schneeflocken?“ Loreley runzelte die Stirn „es ist doch Hochsommer!“ „Echt?“ ungläubig starte die alte Frau sie an und als Loreley bestätigte, seufzte sie erleichtert auf. „Und ich dachte schon, meine Hitzewallungen liegen an den Wechseljahren. Dann kann ich ja noch einige Monate den sieben Zwergen im Bergwerk helfen“. Sie verschwand im Haus, doch die Eule, die bisher auf ihrer Schulter gesessen hatte, flatterte zu Loreley.


    „Du hast heute vielen geholfen,“ rief sie „als Dank hast du einen Wunsch frei.“ Und ehe Loreley antworten konnte, fuhr die Eule fort: „So, liebe Loreley, wer soll nun dein Herzblatt sein? Möchtest du Alois, den jungen Recken, der stark wie ein Bär dir die Macht seiner ganzen Männlichkeit zeigt? Oder lieber den Schöngeist Leonhard, der dich mit seinen wunderbaren Liedern voller Romantik verzaubern wird? Oder doch lieber Edwina, der je nach Bedarf vom liebestollen Liebhaber zur verständnisvollen Freundin wechseln kann? So, nun musst du dich entscheiden!“ Loreley sieht verständnislos zur Eule „Herzblatt??? Muss das sein? So ein Mann wird auf Dauer doch langweilig. Viel lieber hätte ich einen großen Schrank voller Bücher!“ „Dein Wunsch sei dir erfüllt,“ versprach die Eule und verschwand. Als Loreley nach Hause kam, stand dort ein großer Zauberschrank mit Büchern aller Genres, der sich selbstständig auffüllte. Und wenn sie nicht gestorben ist - und doch kein Mann dazwischenkam - so liest sie noch heute.

  • von Groupie



    02:56 Uhr! Die Leuchtziffern meines Weckers zeigten an, dass es mitten in der Nacht war. Ich schloss die Augen noch mal und atmete tief ein. Da war er endlich, dieser einzigartige Geruch von absoluter Ruhe und Freiheit, auf den ich bereits seit Tagen wartete. Ich stand auf und setzte mich in eine Decke gehüllt auf die Fensterbank. Die Nase steckte ich durch das geöffnete Fenster und inhalierte die kalte Luft. So hätte ich die ganze Nacht dort sitzen können, um das Glitzern der einzelnen Flocken in der tiefblauen Nacht zu beobachten. Aber ich wollte früh aufbrechen und dafür fit sein.


    Ich konnte erst nach einer ganzen Weile wieder einschlafen. Aber trotzdem verzog sich mein Mund sofort zu einem Lächeln, als der Wecker klingelte. Ich sprang auf und machte mich fertig. Meine Sachen waren schon seit Tagen zusammengepackt. Zum Schluss nahm ich vorsichtig mein Board von der Wand und machte mich auf den Weg zum Mount Beneluce.


    Schon als kleines Mädchen konnte ich die ersten Schneeflocken kaum erwarten. Ich hatte immer sehnsüchtig auf den Winter hingefiebert und war bei den ersten Flocken kaum noch zu halten. Selbst als meine Mutter vor 4 Jahren starb, flüchtete ich zu meinem Berg und fand dort mehr Trost als sonst irgendwo.


    Nach einer 90-minütigen Fahrt war ich endlich da. Ich griff nach meinen Sachen auf dem Rücksitz und war in Windeseile umgezogen. Ich ging zum Häuschen, um mir einen Pass für den Tag zu besorgen. Paul kochte gerade Kaffee und es war eigentlich noch nicht geöffnet, doch er kannte mich bereits seit Jahren. "Na, Mädchen, bist du wieder aus dem Bett gefallen?" Dabei zwinkerte er mir zu. "Du kennst mich doch, ich habe den Berg gern noch eine Weile für mich allein, bevor hier die Touristenschwärme einfallen." Offiziell nahm der Lift erst eine halbe Stunde später die Arbeit auf, aber für mich machte Paul eine Ausnahme.


    Es war totenstill und außer mir war auf dem Berg niemand zu sehen. Ich entspannte mich völlig und alles fiel von mir ab. Vor mir lag der Berg in all seiner Pracht und die Sonne tauchte die Landschaft in ein warmes Licht. Ich schaffte die erste Abfahrt, bevor sich die Touristen langsam breitmachten. Sie konnten einem gewaltig auf die Nerven gehen.


    Irgendwann reichte es mir. Ich nahm den Lift ein letztes Mal für diesen Tag, denn ich war bereits völlig erledigt. Oben folgte ich diesmal jedoch nicht den Massen, sondern nahm die entgegengesetzte Richtung, vorbei an den roten Schildern. Ich stellte mich auf mein Board, ließ den Blick noch einmal über den Berg schweifen und fuhr los. Ganz allein durch den wattigen Pulverschnee. Mein Herz raste. So musste sich fliegen anfühlen. Ich war berauscht. Als ich hinter mir ein leises Grummeln wahrnahm, blickte ich mich um. Ich fiel in den Schnee und überschlug mich ein paar Mal, bevor ich liegenblieb. Ich war wie gelähmt. Etwas so Schönes und so Gewaltiges hatte ich noch nie zuvor gesehen. Dann wurde alles dunkel …