Gunter Gerlach - Frauen von Brücken werfen

  • Titel: Frauen von Brücken werfen
    Autor: Gunter Gerlach
    Verlag: Conte-Verlag
    Erschienen: März 2012
    Seitenzahl: 178
    ISBN-10: 3941657623
    ISBN-13: 978-3941657625
    Preis: 11.90 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Wenn Händel Krimis schreibt, löst er zugleich reale Fälle. Er findet die Täter, bildlich gesprochen, zwischen den Tasten seines Computers. Das hat ihn bekannt und erfolgreich gemacht. Glück in der Liebe hat es ihm aber nicht beschert. Deshalb verschwindet er aus Berlin. Im ICE nach München lernt er eine attraktive Hexe kennen. Kaum, dass er sich in sie verliebt hat, hat sie ihn auch schon verzaubert. Oder umgekehrt. Er beginnt auf ihr Drängen die Geschichte ihrer ermordeten Freundin zu schreiben. Dabei kommt er auf die Spur eines Serientäters, der Frauen von Münchner Isarbrücken wirft. Nur die Schuhe der Opfer bleiben am Brückengeländer stehen. Ein Kommissar lässt sich von Händels Recherchen überzeugen und kooperiert. Die Suche führt kreuz und quer durch München und zu allen Isarbrücken. Die Spuren weisen aber immer wieder zur hübschen Hexe und ihrem Laden für magische Geschenke.


    Der Autor:
    Gunter Gerlach, geboren 1941 in Leipzig, studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Er schreibt Hörspiele, Rundfunkserien, Kurzprosa und außergewöhnliche Krimis, für die er bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. 2013 erhielt Gunter Gerlach den Friedrich-Glauser-Ehrenpreis der Autoren für besondere Verdienste um die deutschsprachige Kriminalliteratur. Er lebt in Hamburg.


    Meine Meinung:
    Ein klein wenig schräg, ein ganz klein wenig durchgeknallt. Ein sehr unterhaltener und lesenswerter Krimi. Ein Krimi mit handelnden Personen, die einen Fingerbreit neben der Normalität leben, die aus diesem Grunde aber auch irgendwie authentisch wirken, die einfach ein wenig „krimi-exotisch“ sind. Es sind aber auch Personen, die der Leserschaft, in kleinen Dosen versteht sich, wunderbare gebrauchsphilosophische Erkenntnisse mit auf den Weg geben. Auch wenn die Auflösung eventuell etwas vorhersehbar ist, so tut es dem Lesevergnügen jedoch keinen Abbruch. Auch Gerlachs freundlicher Zynismus passt in dieses Buch wie die Faust aufs Auge.


    Eigentlich ist die erzählte Geschichte nicht groß aufregend oder sonst irgendwie besonders. Aber wie sie erzählt wird, das ist das Besondere an ihr. Gerlachs Stil reicht von resigniertem Weltschmerz bis hin zu einem zynischen Optimismus – da schreibt jemand der die Welt kennt, sie aber nicht einmal ansatzweise versteht. Da schreibt jemand einen Krimi, dessen Protagonist auch Krimiautor ist, der aber nicht so gern Krimis liest und dem Krimiautoren und Möchtegern-Krimiautoren unheimlich auf den Senkel gehen. Und da muss man ihm als Leser beipflichten: Autoren (jetzt nicht nur Krimiautoren) haben oftmals die Eigenschaft, der Lesegemeine unheimlich auf den Sack zu gehen. Und Gerlach macht sich eben über den „Nabel der Welt“ (Autorinnen und Autoren) doch schon ein wenig lustig.


    Und so steht eben auch die eigentliche Handlung nicht unbedingt zuvörderst im Mittelpunkt, vielmehr sind es die handelnden Personen die den ganz besonderen Reiz dieses Buches ausmachen.


    Wichtige Erkenntnis aus diesem Buch: Frauen sind Hexen, oder?

    Gute Krimiunterhaltung die mit freundlichen 7 Eulenpunkten belohnt wird.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Wichtige Erkenntnis aus diesem Buch: Frauen sind Hexen, oder?


    Na, das kann ich toppen! :grin Mit einem Zitat aus "Mary, Tansey und die Reise in die Nacht" von Roddy Doyle:


    „Sie“, sagte Tansey. „Dieses Biest ist ein Weibchen.“„Oh, das sind die besten Biester doch immer“, sagte Emer.


    Und jetzt gestehe: Das Buch hast du nur wegen des Titels gekauft, ne? :peitsch :lache

  • Zitat

    Original von Rosha
    Und jetzt gestehe: Das Buch hast du nur wegen des Titels gekauft, ne? :peitsch :lache


    Auf diese Idee könnte man wirklich kommen - denn das was der Titel ausdrückt ist doch nun wahrlich eine sinnvolle Beschäftigung. ;-)


    Aber es verhält sich etwas anders. Dieses Buch ist eines der angesprochenen Bücher aus "Das Lavendelzimmer" von Nina George. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Aber es verhält sich etwas anders. Dieses Buch ist eines der angesprochenen Bücher aus "Das Lavendelzimmer" von Nina George. :wave


    Du fährst ja echt harte Geschütze auf. Ich wollte das "Lavendelzimmer" eigentlich noch nicht so schnell kaufen. Liegt ja noch soooo viel hier rum, aber wenn das so weiter geht... :wow

  • Zitat

    Original von Bodo


    Ich finde gerade den Titel reizvoll.... :gruebel


    Verheiratet? :grin


    Jungs, so geht das nicht weiter! Ich muss jetzt mal was für das weibliche Seelenheil tun:


    Schlagzeile in der Bild: "Mann wirft Frau aus dem Fenster"


    Schlagzeile in Schöner Wohnen: "Frau wirft Mann aus dem Fenster"


    So, jetzt stimmt die sexistische Quote wieder... :-]

  • Mich hat ja jetzt ehrlich gesagt auch erst mal der Titel in den Rezi-Thread gelockt (das in Verbindung mit der Tatsache, dass die Rezi von Voltaire ist :lache). Klingt doch eigentlich recht spaßig, kommt also mal auf die Wunschliste.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Ich habe diesen experimentellen Krimi inzwischen auch gelesen, eine weitere Inhaltsangabe oder den Klappentext erspare ich mir und euch. Dieser Krimi ist zunächst einmal sehr unterhaltsam und erfrischend anders.
    Allein schon der Start ist witzig, hier wird eine Idee, die ich von dem sehr geschätzten Kurt Tucholsky kenne, in der Form aufgegriffen und inhaltlich auf die Erwartungen der Leserschaft an Krimis angewendet.
    Der Erzählstil ist für Krimis ungewöhnlich, erinnert mich formal ebenso ein wenig an Tucholsky. Es geht nicht immer "straight" am roten Faden der Handlung entlang, nein, die Erzählung ist geprägt von einem Wechsel zwischen Handlung, inneren Monologen , etwas Action und Kritik an der Vermarktung handwerklich schlecht gemachter Krimis bzw. Romane, wobei der Ton mal ironisch, mal zynisch, dann auch wieder ernsthaft ist.
    Ungewöhnlich ist auch, dass eine Hexe und allerlei Hexereien in diesem Krimi vorkommen, was zum Teil für den Erzähler erst einmal merkwürdig ist, von ihmn jedoch schnell und fast schon selbstverständlich hingenommen wird und zu einigen Gesprächen darüber, ob und inwieweit es tatsächlich Magie gibt, führt.


    Die mäandernde Erzählweise führte für mich dazu, dass ich immer mehr die Lust verlor, diese Erzählung weiterzuverfolgen. Einige unappetliche Szenen machten es auch nicht reizvoller, die Lektüre fortzusetzen, und als nach einem ziemliche wirren Hin- und Her auf der Handlungsebene auch auf Seite 104/105 zum so-und-sovielten Male die Hervorhebung der Besonderheit dieser Art des Schreibens sowie weitere literaturtheoretische Hinweise folgten, erstarb meine Lust zum Weiterlesen vorerst völlig. Da hätte ich doch lieber einen besser aufgestellten Spannungsbogen und weniger Kollegenschelte in so einem Krimi. Geschickt integrierter Kritik mag ich, doch davon kann man hier leider nicht sprechen. Wenn der Autor seinen experimentellen Krimi ohne diese immer wieder eingeschobene Kollegenschelte geschrieben hätte, wäre das für mich wesentlich überzeugender gewesen. Ein Kunstwerk, hier ein Kriminalroman mit dem Anspruch auf literarische Qualität, sollte für sich sprechen. Wenn es wirklich gelungen ist, werden die Leser_innen, die nicht so sehr auf die Mainstream-Belletristik und Mainstream-Krimis geeicht sind, das bemerken, neugierig sein, mehr davon lesen wollen. Je mehr mir aber ein Autor in seinem Roman erklärt, wie gut er selbst beobachtet und wie überaus individuell er dabei ist, zudem auch noch über die Anhäufung von Klischees anderer Krimiautoren "meckert", fühle ich mich als Leserin nicht geschätzt. Denn eine kluge Leserin, ein kluger Leser wird gut beobachtete Charaktere und geschickt eingestreute kluge kritsche Gedanken von selbst bemerken und zu schätzen wissen.


    Ein weiterer Aspekt, der mich nicht überzeugen konnte, war die Charakterisierung der weiblichen Figuren. Diese wurden zu einseitig aus der männlichen Perspektive gesehen, für mich als Frau gab es kaum Anknüpfungsmöglichkeiten, so blieben mir die weiblichen Figuren fremd und berührten mich nicht.


    Somit muss ich leider sagen, dass mich dieses Krimi-Literturkritik- Hexen-Experiment nicht überzeugen konnte.
    Es gibt einfach viel zu viele wunderbare Autor_innen, die sehr individuell in ihrer Art des Sich-Ausdrückens sind, die genau beobachten und zudem in der Lage sind, Geschichten so charmant und geschickt zu entwickeln und erzählen, als dass ich meine Zeit auch den restlichen Seiten dieses Romanes widmen möchte.


    Fazit: Da mir der Anfang gut gefallen hat, auch der eine oder andere Gedanke mir sympathisch und klug erschien und die eine oder andere Szene mich zum Lachen oder Schmunzeln anregte, ich mich andererseits von anderen Szenen abgestoßen fühlte und mich schließlich das Zuviel an - als Literaturkritik verpackte - Eigenlob des Ich-Erzählers nervte, so dass ich nur knapp Zweidrittel diese Buches lesen mochte, erscheint eine Bewertung mit 5 Eulenpunkten angemessen.

  • Eine sehr interessante Rezi, Ginger Ale. Sehr interessant..... :gruebel

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Eine sehr interessante Rezi, Ginger Ale. Sehr interessant..... :gruebel


    finde ich auch und das macht es mir etwas leichter dieses Buch erstmal hintenan zu stellen :-]