Tangermünde - Die verhinderte Hauptstadt

  • Entdeckungen


    Wenn man durch die Straßen von Tangermünde geht, entdeckt man an den alten Fachwerkhäusern viele kleine Details. Die Häuser sind größtenteils Fachwerkbauten aus dem 17. Jahrhundert. Sie wurden nach dem verheerenden Brand von 1617 gebaut. Während man vor dem Brand eine giebelseitige Bauweise bevorzugte, um in der Enge der Stadt möglichst viele Häuser entlang einer Straße unterzubringen, war die neue Stadtanlage „traufenseitig“, d.h. mit der längeren Seite zur Straße, um im Falle eines Brandes leichter mit Löschgeräten heranzukommen.


    Auf den Türen der Häuser wurden die Initialen der Bewohner kunstvoll aufgebracht. Dies lässt sich an vielen Eingangstüren der Fachwerkhäuser beobachten. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau war im 17. Jahrhundert eigentlich noch ferne Zukunftsmusik. Zumindest die Initialen erzählen aber eine andere Geschichte. Überall sind die Namen sowohl des Mannes als auch der Frau angeschlagen in gleicher Art und Weise ohne einen Namen hervorzuheben. Auffällig ist auch, dass die Frauen damals bei der Heirat ihren Mädchennamen behielten. Dass Frauen den Namen des Mannes annehmen, diese Unsitte wurde erst von den Franzosen im 18. Jahrhundert eingeführt.


    Interessant an den Eingangstüren ist auch, dass sie zweigeteilt sind. Der obere Teil lässt sich wie ein Fenster separat öffnen. Dies erlaubte ein Schwätzchen mit dem Nachbarn oder der Nachbarin, ohne ihm oder ihr gleich die Tür zu öffnen, was zur damaligen Zeit mit einer Einladung zum Betreten gleichzusetzen war. Außerdem hielt man so dadurch die Haustiere zurück, die bei einer kompletten Öffnung zu leicht entweichen konnten. Man nennt diese Bauart deshalb auch „Klöntür“.


    An den engen Toreinfahrten erkennt man unten beidseitig große Steine. Diese Steine haben in unserer Sprache mit der Redewendung „Der Stein des Anstoßes“ einen Platz bekommen. Wegen der Enge der Einfahrt, war es nicht einfach einen Wagen oder eine Kutsche zielgenau hineinzumanövrieren, ohne das Tor zu beschädigen. Man ließ den Wagen deshalb absichtlich an den Steinen anstoßen, um das Rahmenholz des Tores zu schonen.


    Quer durch die Altstadt verlaufen vom Hünerdorfer zum Neustädter Tor parallel die „Lange Straße“ und die „Kirchstraße“ Wenn man an einem der beiden Tore steht, ist es nicht möglich, das andere Tor zu sehen. Diese Sichtachse wurde in mittelalterlichen Stadtanlagen vermieden. Das sollte es möglichen Eindringlingen erschweren, einen sofortigen Eindruck von der Größe der Stadt zu bekommen. Nur am etwas höher gelegenen Mittelpunkt, hier in Tangermünde ist es am historischen Rathaus, hat man eine Sicht auf beide Tore über die gesamte Länge der Straße.


    In der „Langen Straße“ befindet sich übrigens das nette kleine Restaurant „Zur Post“. Man erfährt dort in einer kleinen Museumsecke etwas über die frühere Bestimmung des Gebäudes als Post- und Pferdewechselstation. An der Fassade ist ein liebevoll restaurierter Postkasten aus der wilhelminischen Kaiserzeit angebracht, der auch noch bedient wird. Natürlich in der bekannten Farbe der Post, einem schönen knalligen…


    …blau.



    Kann mir jemand die Inschrift übersetzen?



  • Der Bierkrieg oder Die verhinderte Hauptstadt



    Diesen Text liest man in der Gaststätte „Exempel Gaststuben“, wo ein eigenes Bier nach historischer Tradition gebraut wird. Der Text ist die Begründung für den Namen dieser Spezialität: „Kuhschwanzbier“. Der Text lässt aber offen, ob die Besonderheit bei der Herstellung auch für die spezielle Würze verantwortlich ist, wegen der dieses Bier seit Jahrhunderten auch überregional ein Begriff ist.


    Die kleine Kuhschwanzbierbrauerei ist der letzte Überrest einer großen Brauereitradition in Tangermünde. Zeitweise gab es hier 67 Brauereien. Jeder, der es sich leisten konnte braute sein eigenes Bier. Das war im Mittelalter hier in der Altmark zwar üblich, da es keine Pflicht zur Genehmigung eines solchen Erwerbs gab, dennoch ist diese Zahl ein Rekord im Vergleich zu anderen altmärkischen Städten.


    Die Liebe der Altmärker zum Gerstensaft und der Herstellung desselben war allerdings auch ein Grund dafür, dass die Hohenzollern sich aus Tangermünde zurückzogen. Ein Enkel des vorhin erwähnten ersten Kurfürsten mit dem Namen Friedrich war Johann Cicero, der diesen Beinamen erhielt, weil er ein vortreffliches Latein sprach. Johann war einer der vielen Landesherren, für die die Mark einzig und allein zur Geldbeschaffung diente, die sich ansonsten lieber in den südlicheren Stammländern aufhielten. Übrigens, nein die Währung gleichen Namens hatte ihren Namen nicht aus diesem Grunde. Um sein Säckel zu füllen, und den teuren Schlossbau in Berlin zu refinanzieren, den sein Onkel Friedrich Eisenzahn begonnen hatte, führte er 1488 die sogenannte „Bierziese“ ein. Das war eine Steuer, die jeden Brauer verpflichtete zwölf Pfennige (damals ein Groschen) auf jede Tonne gebrauten Bieres abzuführen. Davon steckte er selbst acht Pfennige ein, vier sollten die Stadträte erhalten. Rittergüter und Klöster waren von dieser Steuer ausgenommen, da sie vorgeblich nur für den eigenen Verzehr produzierten. Mit diesem Schachzug brachte er Sowohl Adel als auch Klerus und Stadträte auf seine Seite.


    Aber er hatte seine Rechnung ohne die hunderte von Kleinbrauern gemacht, die die Last tragen sollten. In zahlreichen altmärkischen Städten, auch in Tangermünde, verweigerte man die Entrichtung der Steuer, die dann gewaltsam eingetrieben werden musste. Es kam zunächst zu Handgreiflichkeiten, später gestützt durch die Verbände und Innungen zur offenen Revolte, die sich zu einem Flächenbrand ausweitete. Johann marschierte in seine Burg in Tangermünde ein und schlug den Aufstand gewaltsam nieder. Die Rädelsführer wurden in Stendal hingerichtet oder eingesperrt. Auch der Gefängnisturm auf der Burg zu Tangermünde war zu jener Zeit überfüllt.


    Der „altmärkische Bierzieseaufstand“ war nicht das Ende der Rebellion und in der Zwischenzeit hatte Johann durch weitere Steuern und Abgabeforderungen auch den lokalen Adel und die Stadträte gegen sich aufgebracht. In dieser feindseligen Umgebung fühlte sich der Kurfürst nicht mehr wohl und verlegte die Hauptresidenz nach Berlin, wo sie bis zum Ende der Hohenzollerndynastie auch blieb und was ausschlaggebend dafür war, dass aus diesem abgelegenen einstigen Fischerdorf die deutsche Hauptstadt wurde.


    Keiner weiß, was geschehen wäre, wären die Altmärker folgsamere Untergebene gewesen…


    In der wilhelminischen Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts besannen sich die Hohenzollern auf die wichtige Rolle, die Tangermünde einst für die Dynastie gespielt hat. In dieser Zeit begannen die ersten umfangreichen Restaurierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen für die historische Bausubstanz.


    Exempel-Gaststuben und Gefängnisturm



  • Ich kann es leider nicht übersetzen, aber versuch es doch einmal in
    "Einfach fragen".
    Bei einem der anderen Bilder musste ich an ein Gedicht denken, das mir meine Omi beibrachte, als ich noch ein Engerling war:
    Da unten an der Ecke ist der Briefkasten recht blau.
    Wie man einen Brief reinsteckt, das weiß ich ganz genau:
    Ich stell mich auf die Zehenspitzen, heb die Klappe hoch,
    lass den Brief hinunterflitzen schsch ins Loch.
    Danke, wie immer interessant! :anbet :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Hast du die Inschrift irgendwo ganz? Oder weißt du, ob da noch was vor ANNO steht bzw. was nach dies folgt?


    Am Mittelteil habe ich mich mal versucht:


    ... sind die Wohnungen an dieser Stelle kurz vor der Erhöhung des Kreuzes verbrannt, das 13 Tage ... war.

  • Folgendes hab ich mir zurechtgestoppelt, keine Gewähr für Richtigkeit:
    PETRI FALCKENI AC CATARINAE MATTHIASEN - Peter Falcke und Catarina Matthiasen
    HABITATIONES HOC IN LOCO EXUSTAE SUNT - deren Wohnungen hier an diesem Ort verbrannt sind
    PRIDIES EXALTATIONIS CRUCIS - am Tag vor der Erhöhung des Kreuzes
    QUI ERAT XIII DIES SEPTE... - der am dreizehnten September war

    Wissen Sie, Intelligenz ist ein Rasiermesser: Man kann sie sinnvoll nutzen, sich damit aber ebenso gut auch die Gurgel durchschneiden. Im Grunde ihres Wesens ist sie ungesund. Lem


    The farther one travels, the less one knows. George Harrison

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Holle ()

  • Huhu Groupie: ich denke, vor dem "anno" kommt noch ein Hochzeitsdatum oder irgendwas, auf das es sich bezieht und das ich für eine Übersetzung gebrauchen könnte... ich habs einfach mal weggelassen für klügere Köpfe :)

    Wissen Sie, Intelligenz ist ein Rasiermesser: Man kann sie sinnvoll nutzen, sich damit aber ebenso gut auch die Gurgel durchschneiden. Im Grunde ihres Wesens ist sie ungesund. Lem


    The farther one travels, the less one knows. George Harrison

  • oder vielleicht auch so:
    ANNO PETRI FALCKENI AC CATARINAE MATTHIASEN - im Jahr des Peter Falcke und der Catarina Matthiasen, als...
    zeitgemäßer: In dem Jahr, als Peter Falcke und Catarina Matthiasen, deren Wohnungen....

    Wissen Sie, Intelligenz ist ein Rasiermesser: Man kann sie sinnvoll nutzen, sich damit aber ebenso gut auch die Gurgel durchschneiden. Im Grunde ihres Wesens ist sie ungesund. Lem


    The farther one travels, the less one knows. George Harrison

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Holle ()

  • Holle, Groupie. Danke für diese Infos. Was mich noch ein wenig stört, ist, dass es sich um zwei Häuser gehandelt haben soll. Ich glaube eher, dass es das gemeinsame Haus der beiden war, das bei dem großen Brand zerstört wurde. Wie ich ja schon erzählt habe, gab es im 17.Jahrhundert noch keinen gemeinsamen Familiennamen.


    Also... (Erbaut...) in dem Jahr, als das (alte) Haus Peter Falckes und Katharina Mathiasens verbrannte, am Tag vor der Erhöhung des Kreuzes, am 13. September (1617).


    Am Samstag war es soweit, die Leute waren begeistert. Es hat mir selbst großen Spaß gemacht. Ich werde die ganze Stadtführung auch noch auf die Webseite der "Brandenburger Geschichten" ins Internet stellen. Da werde ich auch noch auf die Inschrift eingehen. Danke allen, die sich hier eingebracht haben. Übrigens, Grete Minde wird als nächste "Brandenburger Geschichte" erscheinen. Ich passe den Text noch etwas an und freue mich, wenn jemand Feedback dazu gibt.


    :wave

  • Vielleicht klappt das ja mal. Warum nichtmal eine Büchereulen-Stadtbesichtigung im Anschluss an ein ET könnte man das gut Sonntags noch unterbringen. Lohnt sich wahrscheinlich nur für jemanden der eher Richtung Osten abreist...


    Übrigens war Tangermünde heute in der Tagesschau zu sehen nach dem Bericht Frau Merkel in Fischbeck sagte der Off-Sprecher als letzten Satz so etwas wie... "Die Menschen in Fischbeck können wieder hoffen" Eingeblendet wurde dabei die Silhouette von Tangermünde. Na ja, die ist sicher auch ein wenig imposanter als die von Fischbeck ;-)