Tangermünde - Die verhinderte Hauptstadt

  • Vielleicht vermisst der eine oder andere eine neue "Brandenburger Geschichte". Nun ja, die machen gerade ein wenig Pause, weil der Produzent der Audio-Fassung gerade im Umzugsstress ist. Nach dem Sommer geht es damit weiter, eine neue Geschichte ist schon geplant.


    Aber zuvor habe ich die Ehre für den Blindenverband Kreis Havelland eine kleine Stadtführung durch die "Kaiserstadt" Tangermünde zu veranstalten. Ich setze damit eine Tradition fort, die schon mein Großvater begonnen hat, der ein großer Tangermünde-Fan gewesen ist (wie ich übrigens auch.... Jeder, der in der Gegend ist, sollte sich einen Besuch nicht entgehen lassen). Wie er damals möchte ich in dieser Führung nicht allzu viel über Architektur und Geschichte erzählen, sondern lieber Geschichten über eine Kleinstadt, die einst eine ganz große war.


    Ich möchte in diesem Thread nach und nach ein paar Texte posten, die ich - nicht auswendig, eher sinngemäß - auf dieser Führung verwenden werde. Ich bitte euch um Kommentare, ob das verständlich ist, wie es euch gefällt und ob ihr glaubt, dass den Leuten (alle älteren Semesters) das gefallen könnte.

  • Theodor Fontane erzählte einst die rührende Geschichte der Grete Minde aus Tangermünde. Sie beginnt ähnlich wie das Märchen vom Aschenputtel, endet aber tragisch. Ohne die Fürsorge der Mutter wird sie als Heranwachsende, nachdem der Vater gestorben ist, von Schwägerin und Halbbruder drangsaliert. Ihr einziger Lichtblick ist der Nachbarssohn Valtin, in den sie sich verliebt. Gemeinsam brennen sie durch und schlagen sich mit einer Puppenspielertruppe durchs Leben. Sie bekommt ein Kind von Valtin, der aber bald darauf todkrank wird und sie auffordert, zu ihrer Familie zurückzukehren. Als er bald darauf stirbt, folgt sie seinem Rat. Ihr Halbbruder weigert sich aber, sie wieder als Magd im Hause aufzunehmen. Mutig wendet sie sich an das Gericht der Stadt, um wenigstens das ihr zustehende Erbe einzuklagen. Von diesem wird das aber aufgrund meineidiger Aussagen ihres Halbbruders zurückgewiesen. In ihrer Verzweiflung legt sie einen Brand, der die ganze Stadt in Flammen setzt. Gemeinsam mit ihrem Kind sucht sie im Feuer den Tod.


    Der verheerende Brand von 1617 ist historisch belegt. Er ist so verheerend, dass er fast die gesamte Stadt in Schutt und Asche legt. Dieses Unglück bedeutet auch das Ende der Geschichte Tangermündes als reiche und mächtige Hansestadt. Die Person Grete Minde und den Erbschaftsprozess gab es wirklich. Fontane recherchierte für seine Novelle in den Archiven der Stadt. Wir können heute aber mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass Grete Minde nicht für den Brand verantwortlich gemacht werden kann. Historiker analysierten die Prozessakten und wiesen zahlreiche Widersprüche auf, die eine Schuld der jungen Frau ausschließen.


    Anders als in Fontanes Novelle wählte sie nicht den Freitod nach begangener Tat, sondern ihr wurde in einem öffentlichen Schauprozess durch brutale Foltermethoden ein Geständnis abgerungen. Grete Minde wurden „fünff finger an der Rechten Hand einer nach dem andern mit glühenden Zangen abgezwacket“, so das Urteil, „nachmalen ihr Leib mitt vier glühenden Zangen, nemlich in der Brust und Arm gegriffen, Folglich mitt eisernen Ketten uff einem erhabenen Pfahle angeschmiedet, lebendig geschmochet und allso vom leben zum tode verrichtet werden, von Rechts wegen.“


    Mit der Hinrichtung Grete Mindes haben wir ein dokumentiertes Beispiel der sogenannten Hexenverfolgungen vorliegen. Laut den Überlieferungen handelte es sich bei ihr um eine intelligente, und gebildete Frau, die engagiert und mutig ihre Ziele durchzusetzen versuchte. Damit war sie nicht nur der Familie Minde ein Dorn im Auge, sondern sie passte auch so gar nicht in das Rollenverständnis der Frau zur damaligen Zeit. Mit der durch ihre Rothaarigkeit extravaganten Erscheinung, bot sie sich zudem als idealer Sündenbock an, denn diese Haarfarbe galt als Zeichen des Teufels.


    Was den Brand tatsächlich ausgelöst hat, kann heute nicht mehr geklärt werden. Ziemlich sicher ist, dass es Brandstiftung gewesen sein muss, denn es gab drei unterschiedliche Brandherde, die alle zur selben Zeit ausbrachen. Aber gerade diese Tatsache macht eine Täterschaft der der Grete Minde mehr als unwahrscheinlich. Im Jahre 2009 wurde am Ort ihrer Hinrichtung eine Bronzestatue enthüllt, die man dort besichtigen kann.

  • Wenn du das vorträgst mag es angehen, so liest sich das etwas trocken, mehr Reiseführer als Erzählung. Etwas emotionslos, mehr Mitgefühl mit Grete Minde, aber auch Informationen über die Zahl der beim Brand Verstorbenen um sich die Dimension vorstellen zu können - und den Hass, der eine Schuldige suchen lassen musste.

  • Was wurde aus Grete Mindes Kind? Oder gab es das nur in Fontanes Erzählung?


    Ich finde die Erzählung nicht emotionslos. Ganz im Gegenteil. So ein furchtbares Thema gewinnt an Eindringlichkeit, wenn es mit schneidender Klarheit erzählt wird.


    Beowulfs Hinweis, auf die Größe der Stadt einzugehen, ist jedoch sinnvoll.


    Ansonsten ist die Erzählung informativ und interessant.

  • Ich schließe mich Roshas Fragen und ihrer Einschätzung in jedem Punkt an.
    Danke für die tolle Geschichte und JA, ich HABE mich neulich schon gefragt, wann wohl Neues aus Brandenburg kommt! :anbet:wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Danke für die Anmerkungen ;-) Es ist absichtlich etwas distanziert erzählt. Also dieser Reiseführer-Stil ist durchaus beabsichtigt, denn genau darum handelt es sich ja. Aber ich werde auch noch ein paar Zahlen zu dem Brand recherchieren. Danke für den Tipp....


    Über das Kind der historischen "Grete Minde" ist mir nichts bekannt. das werde ich wohl auch nicht mehr so schnell recherchieren können. Gut möglich, dass das eine Erfindung von Fontane ist.


    Ach so... hier übrigens noch das Bild von der Bronzefigur ....


  • Ich fand die Geschichte sehr interessant und habe das dann gleich mal gegoogelt.


    Die Lebensgeschichte liest sich sehr spannend. Aber Fontane hat dann doch das ein oder andere abgeändert ;-).


    edit: Bei dem Brand sollen keine Menschen zu Schaden gekommen sein. Was mit dem Kind passiert ist (ein Junge übrigens), habe ich auch noch nicht herausgefunden.

  • Mit dem folgenden Text wollte ich die Führung eröffnen. Was meint ihr, ist das zu "historisch"? Ich selbst finde das ziemlich wichtig für das Verständnis der Stadt und der Region. Die Teilnahmer sind ausnahmslos Brandenburger, von denen viele vielleicht nicht einmal wissen, von wo das alles mal seinen Ausgang nahm...



    Die Wiege der Mark


    Liebe Freunde, Willkommen in Tangermünde, der Hauptstadt der Mark Brandenburg! Einige von euch werden jetzt stutzen. Wieso Hauptstadt? Wieso Brandenburg? Wir sind hier doch in Sachsen-Anhalt?


    Genau genommen sind wir in einem Gebiet, das man heutzutage "Altmark" nennt. Als Mark bezeichnete man im frühen und im Hochmittelalter das Grenzgebiet eines Reiches. Die natürliche Ostgrenze des aus dem fränkischen Großreich Karls des Großen hervorgegangenen "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" bildete die Elbe. Die erhöhte Lage der Region bot sich strategisch für den Bau einer Burg an, um Richtung Osten die slawischen und wendischen Stämme zu kontrollieren, von denen immer die Gefahr von Raubzügen ausging. Außerdem war Tangermünde aufgrund der Lage an der Elbe ein hervorragender Handelsplatz.


    Eine erste urkundliche Erwähnung fand die Burg im Jahr 1009. In diesem Dokument ging es um einen Streit zwischen zwei Adligen, bei dem einer der beiden Streithähne zu Tode kam. Der Getötete stammte von der Burg Tangermünde und dieses Ereignis nahm man 2009 zum Anlass, das 1000-jährige Jubiläum der Stadt Tangermünde zu feiern. Damit beging die Stadt bereits ihre zweite Tausendjahrfeier, denn die deutschtümelnden Nazis glaubten Belege gefunden zu haben, die von einer Gründung im Jahre 933 zeugten und ließen dieses Ereignis mit entsprechendem Pomp zelebrieren. Möglicherweise erlebt Tangermünde in gut 250 Jahren eine weitere Tausendjahrfeier, denn aus dem Jahr 1275 stammt die erste Urkunde, die von einer "Stadt" an der Mündung des Tangers in die Elbe berichtet.


    In dieser Zeit erlebte der Marktflecken einen unvergleichlichen Aufschwung und Tangermünde wurde in kurzer Zeit zu einer wichtigen und reichen Handelsstadt, die gemeinsam mit weiteren Binnenstädten dem Bund der Hanse beitrat. Die Hanse-Mitgliedschaft war ein entscheidender Faktor für die Perspektive einer Stadt wie Tangermünde, die durch ihre Lage die besten Voraussetzungen bot, zu einem einflussreichen Faktor in dem mächtigen Handelsbündnis zu werden. Die Stadt lief damit langsam aber sicher dem benachbarten Stendal den Rang als Zentrum der Region ab. Die beiden Städte lieferten sich gewissermaßen ein Wettrennen. Dabei gewann Tangermünde gleich in mehreren Kategorien. Mit dem 85 Meter hohen Turm der Stephanskirche besitzt Tangermünde den höchsten Kirchturm der Altmark und auch die Anzahl der Brauereien, 86 an der Zahl, war zu jener Zeit unübertroffen. Aber dazu später mehr.


    Den Slawen waren inzwischen durch die Expansion des askanischen Markgrafen "Albrecht des Bären" weite Gebiete östlich der Elbe abgetzrotzt worden. Die alte Mark veränderte sich von einer Grenzlage in das administrativen Zentrum der Region. Diese wurde bald nach der nicht weit entfernten Stadt an der Havel "Mark Brandenburg" genannt. Dieses neue Land wurde über lange Zeit von Tangermünde aus regiert und verwaltet. Somit kann die Altmark mit ihrem damaligen Zentrum Tangermünde als die Wiege der Mark Brandenburg angesehen werden.


    Erst ein halbes Jahrtausend später, in der Folge der napoleonischen Kriege, wurde die Altmark und damit auch die Stadt Tangermünde der preußischen Provinz Sachsen angegliedert.


    Edit: Ausschnitt vom Neustädter Tor: Das Wappen der Stadt Tangermünde (Mitte) ist fast identisch mit dem Brandenburgischen Adler
    (rechts)


  • Zitat

    Original von Nick
    Anmerkung zu Grete Minde - vielleicht erzählst Du nicht ALLE grausigen Einzelheiten der Folterung (ich fand es schon ziemlich schrecklich ...)


    Na und Grete Minde erst... :yikes


    Die Wahrheit ist oft brutal, ich bin dafür, dass die Schilderung der Folter bleibt. :dafuer

  • Wir befinden uns am nordöstlichen Ende der historischen Altstadt. Tangermünde ist eine der wenigen norddeutsche Städte, deren alte Stadtmauer noch nahezu vollständig erhalten ist. Die zwei Kilometer lange, zehn bis zwölf Meter hohe Befestigungsanlage stammt aus dem frühen 14. Jahrhundert und war einst mit einem hölzernen Wehrgang versehen. Der Mauerring umschließt das Gelände der historischen Stadtlage, die sich von Südwesten zum Nordosten parallel zum Tanger erstreckt, der wenige hundert Meter weiter in die Elbe mündet. Das Stadtgebiet befindet sich in einer erhöhten Lage und war somit gleich doppelt geschützt. Zum einen vor den immer wieder auftretenden Elb-Hochwassern, zum anderen war eine Bedrohung durch Angriffe slawischer Stämme durch die weite Sicht, die man von hier aus in Richtung Osten hatte lange genug vorher zu erkennen, so dass man noch Sicherungsmaßnahmen ergreifen konnte.


    An dieser Stelle befand sich früher ein hohes doppelbogiges Stadttor, das "Hünherdorfer Tor". Den Namen bekam das Tor von dem vor der Stadt gelegenen sogenannten Hühnerdorf, das sich zu den Füßen der benachbart zur Stadt gegenen Burg vor der befestigten Stadtanlage erstreckte. "Hühnerdorf" wurde es deshalb genannt, weil sich die Bewohner für den Preis eines Huhnes pro Jahr beim dem Burgherren das Recht erkaufen mussten, in Gefahrensituationen innerhalb der schützenden Mauern der Burganlage aufgenommen zu werden. Dieser zusätzlich zu den üblichen Fron- und Pachtabgaben erhobene Schutzzoll war natürlich nicht freiwilliger Natur.


    Heute steht von dem einstigen Tor nur noch der Mittelturm. Dieses Gebäude erhielt die Bezeichnung "Eulenturm". Mit viel Phantasie erkennt man in seiner äußeren Form die Gestalt einer Eule, aber seinen Namen erhielt er aus einem anderen Grund. "Eulen" war einst die Schimpfbezeichnung für straffällig gewordene Frauen. In diesem Turm wurden diese "Eulen" eingekerkert. Auch Grete Minde wurde nach dem Brand 1617 hier zwei Jahre festgehalten, bevor sie 1619 hingerichtet wurde.


    Bei einer Stadtführung, die ich vor wenigen Wochen miterlebte fragte ein kleiner Junge die Stadtführerin, warum man den Turm nicht in "Storchenturm" umbenannt hätte , denn die Turmspitze wird in den Sommermonaten von einer Storchenfamilie bewohnt, die auf den nahe gelegenen Elbwiesen ideale Nahrungsquellen vorfindet. Man habe sich an diesen Namen schon gewöhnt und es wäre schwierig, sich da umzustellen, war die Antwort, aber andererseits wäre das auch kein Unterscheidungsmerkmal, denn es gibt mehrere "Storchentürme". Insgesamt haben sich zwölf Paare auf den historischen Gebäuden der Altstadt ein Nest errichtet, so zum Beispiel auch auf dem historischen Rathaus.


  • Ich habe übrigens mal das Stadtarchiv von Tangermünde angeschrieben, weil ich gern wissen will, was mit dem Kind passiert ist. Ich bin sehr gespannt, was und ob die antworten. :wave


    edit: Die Antwort ging sogar ziemlich schnell. Eine sehr nette Frau vom Stadtarchiv hat mir mitgeteilt, dass Grete Mindes Sohn (Balthasar) nach dem Tod der Eltern von den Behörden an die Klosterfrauen übergeben wurde.


    Dann wird er 1633 (im Alter von ca. 17) noch mal erwähnt. Er soll gedroht haben, den Tod seiner Mutter zu rächen, falls man ihm das restliche Erbe nicht auszahlen würde.


    Danach gibt es keine weiteren Aufzeichnungen mehr. Wohl auch durch den Dreißigjährigen Krieg, wie die Dame meint.

  • Weiter geht's mit unserem Rundgang durch Tangermünde. Wir sind jetzt an der Burg.


    Die Kaiserstadt


    Einige von Euch erinnern sich vielleicht noch an die "Brandenburger Geschichte" aus dem "Ohrwurm", als es um den "falschen Woldemar" ging. Die askanischen Fürsten der Region wollten darin dem aus Bayern stammenden Markgrafen Ludwig die Macht entreißen, in dem sie einen Betrüger ins Rennen schickten. Dieser behauptete, der seit Jahren verschollene alte Markgraf Waldemar zu sein, den man eigentlich bereits 30 Jahre vorher zu Grabe getragen hatte. Unterstützt wurde diese Aktion zwischenzeitlich von dem böhmischen König und deutschen Kaiser Karl IV. Karl hatte selber ein Auge auf das Land an und jenseits der Elbe geworfen, aber die bayerischen Wittelsbacher konnten den Betrug aufdecken und Karl musste ihre Macht akzeptieren.


    Wer schon einmal in Prag war, wird an diesen großen römisch deutschen Kaiser nicht vorbeikommen. Karlsbrücke, Karlsplatz und Karls-Universität: Scheinbar alles was in dieser Stadt Bedeutung hat, wurde diesem Mann gewidmet, der so viel für das Ansehen Böhmens und der Stadt Prag beigetragen hat. Sein Interesse war es, das gesamte östliche Territorium des Reiches entlang des Verlaufes der Elbe zu kontrollieren. Deshalb war für ihn auch Brandenburg mit dem Kernland ein wichtiges Thema. Und so kam ihm sehr entgegen, dass in der Folgezeit der neue Wittelsbacher Brandenburgische Markgraf Otto, genannt "der Faule" - wie bereits seine Vorfahren - das Land verlottern ließ. Da sich dessen sprichwörtliche Faulheit auch auf die Erzeugung von Nachkommen bezog, ergriff Karl die Gelegenheit und kaufte den Wittelsbachern 1371 die Mark Brandenburg ab.


    Ganz anders als die Bayerischen Vorgänger kümmerte sich Karl IV. sehr intensiv um seinen neuen Besitz. Die damals sehr reiche und angesehene Stadt Tangermünde in der alten Mark wurde von ihm als Machtzentrum ausgewählt. Er baute die Burg zu einer Kaiserpfalz aus und der Herrscher verbrachte in den Jahren bis zu seinem Tode 1378 jeweils mehrere Monate auf seinem Zweitwohnsitz. In der Folge stieg Tangermünde zur wichtigsten Stadt des mitteldeutschen Raumes auf.


    Karl sorgte dafür, dass die Mark Brandenburg in der Erbfolge des Hauses der "Luxemburger" blieb. Seine Nachfolger kümmerten sich aber kaum noch um die Region und wurden auch selten auf der Burg Tangermünde gesehen. Das Land versank wieder in Anarchie, der Einfluss der Stadt Tangermünde blieb aber bestehen, nicht zuletzt auch durch die Mitgliedschaft in der "Hanse", die mit weiteren Binnenstädten der Altmark ein mächtiges wirtschaftlich erfolgreiches Bündnis einging.


    Sigismund, der letzte Brandenburgische Markgraf aus dem Geschlecht der Luxemburger verschacherte das Land 1415 an einen unbedeutenden Burggrafen aus Nürnberg, als Gegenleistung dafür, dass der seine Wahl zum deutschen König unterstützt hatte. Mit diesem neuen Besitzwechsel wurde ein neues Kapitel nicht nur in der Geschichte der Stadt Tangermünde aufgeschlagen. Er legte auch die Grundlage für die weitere Geschichte Brandenburgs und später sogar für die Geschichte Deutschlands. Aber darüber später mehr.



  • Was haben die Wittelbacher denn den ganzen Tag und die ganze Nacht gemacht? Nicht regiert, nicht gezeugt - gebaut? Anderweitig Krieg geführt?
    Interessant, interessant - vielen Dank!

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Die sind am liebsten zu Hause gewesen in ihrem schönen Bayern. Die Mark Brandenburg war den meisten Besitzern zu karg. Sie wollten sie zwar besitzen, die Abgaben kassieren, aber sich sonst nicht weiter drum kümmern. Das war ja auch schon der Grund für die Fürsten den "falschen Waldemar" ins Spiel zu bringen


    Da war Karl eine rühmliche Ausnahme. Aber seine Nachfahren waren - wie erwähnt - auch nicht mehr sonderlich interessiert. Karls Sohn Wenzel erhielt übrigens ebenfalls den Beinamen "der Faule". Hat vom Papa alles in den Hintern gesteckt bekommen und war so faul, dass er sogar als deutscher König abgesetzt wurde. Danach kam Karls nächster Sohn Sigismund an die Reihe , der aber wichtigeres zu tun hatte, z.B. sich mit den Hussiten zu schlagen und König von Ungarn zu werden. Deshalb verschacherte er die Mark zunächst an seinen Vetter Jobst, denn der unterstützte ihn dabei ungarischer König zu werden. Dann bekamen sie sich aber gegenseitig in die Haare weil beide deutscher König werden wollten. Schließlich setzte sich der Vetter durch, verstarb aber kurz danach und Sigismund hatte wieder Brandenburg am Hacken, dabei wollte er lieber endlich König werden. Na und dann kam der Deal mit den Hohenzollern...



    Mir fällt grad ein, ich habe noch nicht mal ein Buch über Karl gelesen. Dabei ist die ganze Geschichte Wittelsbacher vs. Luxemburger höchst interessant und wechselhaft und alles andere als nur eine Angelegenheit der Region Brandenburg. Die haben sich fast überall gegenseitig bekriegt. Mal hatten der eine, mal die anderen den Kopf oben. Am Ende vererbte Sigismund die Reichswürde an seinen Schwiegersohn, einem Habsburger, die sich am Ende als die lachenden Dritten herausstellten...


    Sorry, das war mal ein bisserl Geschichte - Off-Topic

  • Noch ist nicht klar, ob der Ausflug mit dem Blindenverband nach Tangermünde im Juli überhaupt stattfinden kann. Ein Umweg über Magdeburg oder Wittenberge wäre wohl zu weit. Dass man die B188 bis dahin wieder notdürftig hergestellt hat, wage ich ganz stark zu bezweifeln. Trotzdem mache ich mit den Planungen weiter. Hier der Text zum Thema



    Tangermünde und die Elbe



    Seit der Stadtgründung war die Elbe die Lebensader der Stadt. Zum einen war sie ein natürliches Hindernis gegen Angreifer aus dem Osten, zum anderen ein wichtiger Handels- und Transportweg. Die Mündung des Flüsschens Tanger stellte zudem eine ideale Anlage für einen Hafen dar.


    Im historischen Rathaus und im Stadtgeschichtlichen Museum von Tangermünde lassen sich verschiedene Relikte aus der Zeit besichtigen, als die Stadt ein wichtiger Knotenpunkt der Binnenschifffahrt war. Neben diversen Ankern, Planken und Befestigungseinrichtungen auch ein Teil der Schleppkette mit der im 19. Jahrhundert die Binnenschifffahrt revolutioniert worden war. Vor dieser Zeit konnten Schiffe nur durch Treideln, d.h. Ziehen durch Muskelkraft von Land aus auf der Elbe stromaufwärts bewegt werden. Als die Dampfschifffahrt die Welt eroberte geschah dies wegen der schweren Mövrierbarkeit zunächst auf den Ozeanen. Mit der Schleppkette konnte die Dampfkraft auch in der Binnenschifffahrt ausgenutzt werden. Über 600 km wurde die Schleppkette durch die Elbe verlegt, an der sich der Schleppdampfer stromaufwärts hangelte und 20 bis 30 Schleppkähne hinter sich herzog. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Kettenschlepper nach und nach durch den Raddampfer abgelöst.


    Immer wieder tritt die Elbe über ihre Ufer. Der Stadtkern ist mit einer Höhenlage von 43m über N.N. vor diesen Hochwassern aber ausreichend geschützt, so dass es selbst in den extremen Hochwasserjahren 2002 und 2013 keine Schäden an der historischen Bausubstanz gab und es liegen auch keine historischen Berichte über Überschwemmungen vor. Lediglich die hohe Stadtmauer auf der Elbseite wird vom Wasser umspült wenn der Hafen- und Mündungsbereich immer mal wieder unter Wasser stehen. In den Hochwasserzeiten liegt die Stadt an einem „See“ von ca. 8km Länge und 2-3 km Breite, auf deren anderer Seite die Städtchen Jerichow und Fischbeck befinden. Die gesamten Wiesen sind vom Elbwasser bedeckt. Im Jahre 2002 glaubte man bei einem Pegelstand von 7,68 Metern eine Jahrhundertflut erlebt zu haben und das Gebiet ist damals ohne Schäden davongekommen.


    Im Juni dieses Jahres erlebte die Region die schlimmste anzunehmende Katastrophe unter deren Folge man noch lange zu leiden haben wird. Am Pegel von Tangermünde wurde am 9. Juni ein Stand von 8,36 Meter gemessen, noch über einen halben Meter höher als elf Jahre vorher. Genau an diesem Tage befand ich mich zu den Recherchen für diese Stadtführung in der Stadt. 24 Stunden später wäre ich nicht mehr nach Hause gekommen. Alm Abend dieses Tages spitzte sich die Lage dramatisch zu.


    Die Gelder, die nach der Situation von 2002 zum Hochwasserschutz investiert wurden, sind offenbar nicht dort investiert worden, wo es am nötigsten war. Der Deich bei Fischbeck war alt und marode und hätte dringend saniert werden müssen. Er konnte dem gigantischen Druck der Wassermassen trotz intensivster Verteidigungsmaßnahmen der Rettungskräfte nicht standhalten und brach in der Nacht zum Montag. Über eine Woche lang strömte das Wasser ungehindert ins Hinterland. Der „See“ vor Tangermünde erstreckte sich bald über eine Fläche halb so groß wie die Müritz. Mehrere Orte sind überschwemmt worden. Am schlimmsten traf es Fischbeck, wo nach der Katastrophe kaum noch ein bewohnbares Haus zurückbleiben dürfte. Die Verbindungswege Richtung Berlin (die B188 und die ICE-Trasse) sind auf unabsehbare Zeit unterbrochen. Noch ist nicht klar, wie und in welchem Zeitrahmen die Infrastruktur wiederhergestellt werden kann, ganz zu schweigen von den zerstörten Ortschaften.




    Blicke auf den "See" vor Tangermünde am Tag vor dem Deichbruch in Fischbeck.



    Der Ort Fischbeck im Juni 2013 (Quelle "Volksstimme")

  • Noch eine Woche... hui wie die Zeit vergeht. nach meinem Urlaub schnell noch ein paar Texte vorbereiten...


    Die Hohenzollern


    Kommen wir nochmal zu meiner einleitenden Behauptung, dass wir uns in der Hauptstadt Brandenburgs befinden. Ich erwähnte den Nürnberger Burggrafen Friedrich, der die Mark Brandenburg zum Dank dafür erhielt, dass er Sigismund zum deutschen Königsthron verholfen hat. Dieses Lehen war ein bedeutender Prestigegewinn, denn als Brandenburgischer Kurfürst hatte er eine der sieben „Kurstimmen“ inne und war somit zu einem der mächtigsten Fürsten im Reich aufgestiegen. Das war auch der Beginn der Erfolgsgeschichte der Dynastie der Hohenzollern, die erst 1918 mit der Abdankung des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II.


    Friedrich machte die von Kaiser Karl ausgebaute Burg Tangermünde zu seiner Residenz, verlebte einige Lebensjahre dort und sicherte die Machtposition in der Mark gegen den einheimischen Adel. In seinen späten Lebensjahren zog er sich in seine fränkische Heimat zurück und überließ die Regentschaft seinem ältesten Sohn Johann. Ein Denkmal von Friedrich steht im Innenhof der Tangermünder Burg. Es zeigt einen schneidigen stattlichen Mann. Der Überlieferung nach war er auch sehr fruchtbar. Mit seiner Frau Elisabeth zeugte er sechs Töchter und vier Söhne. Johann führte die Regierungsgeschäfte nicht so, wie sich der Vater das vorstellte. Er beschäftigte sich lieber mit alchemistischen Wunderdingen, so dass Friedrich die Erbfolge neu regelte.


    Den zweiten Sohn Friedrich kennt ihr vielleicht noch aus unserer „Brandenburger Geschichte“, als es um den „Berliner Unwillen“ ging. Er wurde auf der Burg Tangermünde geboren und erhielt den Beinamen „Eisenzahn“. Wie in der „Brandenburger Geschichte“ berichtet wurde, begann Friedrich Eisenzahn mit dem Bau eines Schlosses in dem damals noch weniger bedeutenden Berlin um die aufmüpfigen Städter unter Kontrolle zu behalten und er errichtete dort eine zweite Residenz. Tangermünde blieb aber dennoch das unangefochtene Machtzentrum der Hohenzollern im 15. Jahrhunderts und Berlin nur eine Nebenresidenz. Erst sein Neffe Albrecht Achilles verlegte Ende des 15. Jahrhunderts die Hauptresidenz nach Berlin. Wie es dazu kam und wie das mit einem allseits beliebten Getränk zu tun hat, davon erzähle ich später noch ein wenig.


    Die enge Verbindung der Hohenzollern zu Tangermünde ist auch auf dem Wappenfeld zu erkennen, das sich hier am Neustädter Tor befindet. Neben den fast identischen Brandenburgischen und Tangermünder roten Adlern erkennt man auch den schwarzen Adler der Hohenzollern mit einem schwarz-weißen Schild. Schwarz und weiß sind die Stammfarben der Hohenzollern, die heute noch in der Trikotfärbung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft weiterlebt.