Die Schmetterlingsfrau - Marie Hermanson

  • Marie Hermanson
    Die Schmetterlingsfrau


    Übersetzt aus dem Schwedischen von Regine Elsässer
    Deutsche Taschenbuchausgabe von suhrkamp, 2004,242 Seiten
    Originaltitel „Värddjuret“ erschien bereits 1995


    Inhalt (innerer Klappentext):


    Anna, Mitte dreißig, ist unabhängig und beruflich erfolgreich – und wurde gerade von ihrem Liebhaber verlassen.


    Sie bucht eine Reise nach Borneo, um in der Hitze des Dschungels Roger zu vergessen. Tatsächlich bringt ein Ausflug in den Urwald und die direkte Berührung mit dem Dschungel sie auf andere Gedanken – ein rätselhaftes Zucken, ein unbekanntes Gefühl im linken Bein lenken all ihre Aufmerksamkeit auf sich.


    Zurück in Schweden, lässt Anna ihr „Reisesouvenir“ vom Tropenspezialisten und Insektenforscher Willof untersuchen. Und dieser ist begeistert: eine seltene Schmetterlingsart hat sich Anna als Wirtstier ausgesucht und in ihrem Oberschenkel drei Schmetterlingspuppen platziert.


    Willof überredet die Auserwählte, in sein Schmetterlingshaus zu ziehen und dort die Puppen in ihrem Bein bis zum Schlüpfen zu tragen.
    Für Anna eine leichte Entscheidung; sie quartiert sich im Glashaus ein, wo sich bald ihre Erinnerungen an Vergangenes wie von selbst mit der Gegenwart verweben.


    Und die vermeintliche Oase? Entwickelt sich binnen kurzem zu einem Ort merkwürdigster Vorgänge.


    Meine Meinung:


    Marie Hermanson, 1965 geboren und Autorin des bekannten Romans „Muschelstrand“, hat eine Geschichte gewoben wie ein Spinnennetz, in dem man sich gleich am Anfang verfängt und aus dem man nur wieder herauskommt, wenn einen jemand rettet: in diesem Fall das Ende des Buches. Vorher hat man kaum eine Chance, mit dem Lesen aufzuhören.


    Nüchtern, realistisch, spannend und gänzlich ohne Tand und Kitsch kommt dieser Roman bestens aus.


    Selbstverständlich ist mit der allgemein bekannten „Merkwürdigkeit“ der skandinavischen Literatur zu rechnen (die ich aber sehr liebe).


    Auf der Buchrückseite steht (ich zitiere kurz die „Brigitte“) „Die Schmetterlingsfrau ist ein packender, höchst raffinierter Roman über Liebe, Freundschaft, Einsamkeit und darüber, dass sich im Leben von einem Tag auf den anderen alles ändern kann.“


    Packend? Definitiv ja. Raffiniert ist er auch, keine Frage. Aber Liebe, Freundschaft, Einsamkeit? Nein. Das unterschreibe ich nicht. Das sind die winzigsten Elemente, die darin vorkommen.


    Aber lest selber.


    9 Punkte und Gruß vom killerbinchen :wave


    P.S. Es versteht sich hoffentlich von selbst, dass Leser, die eine Insekten- oder Flatter-Phobie haben, lieber die Finger von diesem Buch lassen sollten...

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von killerbinchen ()

  • Meine Eindrücke:


    Wenn die Schmetterlingsraupe ausgewachsen ist, verpuppt sie sich. In ihrem Kokon verwandelt sie sich in einen Schmetterling.


    Anna lebt wie in einem Kokon. Sie ist Mitte dreißig, Zeichnerin, allein. Ihre Eltern und die Tanten sind gestorben, Kinder hat sie nicht. Ihr Kontakt zur Außenwelt besteht aus gelegentlichen Treffen mit Bekannten und Kollegen und aus Affären mit verheirateten Männern. Nachdem Roger mit ihr Schluss gemacht hat, gönnt sie sich eine Reise nach Borneo. Bei einem Ausflug in den Dschungel stürzt sie eine Böschung hinunter und muss eine Weile allein ausharren, bis sie gefunden wird. Nach Schweden zurückgekehrt, entdeckt sie eine Schwellung an der Innenseite ihres Oberschenkels. Sie bekommt Fieber und geht zum Arzt. In der Klinik erfährt sie von Dr. Willof, Tropen- und Schmetterlingsforscher, dass sie von drei Raupen des vom Aussterben bedrohten tropischen Schmetterlings Recentia alba als Wirtstier auserkoren wurde, anstelle der Affen, in deren Fleisch sich die Raupen sonst verpuppen. Anna lässt sich von Willof überreden, den Raupen in seinem privaten Schmetterlingshaus bestmögliche äußere Bedingungen zu bieten, bis sie in etwa einer Woche schlüpfen. Sie zieht in das Schmetterlingshaus ein, ein tropisches Glashaus inmitten des schwedischen Winters.


    Im Schmetterlingshaus reflektiert sie ihr bisheriges Leben, das sich mit den aktuellen Ereignissen immer mehr vermischt. Die Realität verschwimmt, bald weiß Anna nicht mehr, wie lange sie bei den Schmetterlingen lebt. Es geht ihr zunehmend schlechter, sie fiebert, die Grenzen zwischen Drinnen und Draußen verwischen und bleiben doch klar. Sie will fliehen, als Willofs Frau ihr mitteilt, dass sie anstelle dreier Schmetterlingspuppen Spinnen austrägt, doch sie kann nicht. Zunächst bleibt sie gefangen, im Schmetterlingshaus und in sich selbst. Am Ende des Buches bin ich nicht sicher, ob sie es schafft, als Schmetterling aus ihrem Kokon zu schlüpfen.


    Was für eine Geschichte! Sie spielt mit den Themen 'Innen und Außen', 'Fremd und Vertraut', 'Puppe-Sein und Puppen austragen', 'Kinderlosigkeit und Fruchtbarkeit'. Sie schickt Anna auf eine Reise ins Innere mit ungewissem Ausgang. Annas seelische Abgeschiedenheit vom Rest der Menschheit wird glaubwürdig begründet; in der Abgeschiedenheit des Glashauses verliert sie sich immer mehr - während sie sich findet. Faszinierend.


    9 Punkte


    Edit: Punkte ergänzt.