'Die verlorene Ehre der Katharina Blum' - Kapitel 01 - 23

  • Mit dieser Erzählung habe ich mich in eine fremde Welt begeben.
    1974 war ich 3 Jahre alt, und von der BRD von 1974 habe ich auch nur ein verschwommenes, vom anderen in Deutschland damals herrschenden System geprägtes Bild.
    Ich bin gespannt, was ihr dazu zu sagen habt.


    So Einiges aus den ersten Kapiteln hätte Karl-Eduard v. Schnitzler, der oberste DDR-Fernseh-Agitator, genau so mit dem Finger gen Westen zeigend zitieren können und dazu warnend schnarren können: Seht ihr, so ist das im Westen! Da werden Leben kaputt gemacht vom Boulevard-Journalismus (der ZEITUNG).
    Wie die Ost-Seite es selber trieb, darum geht es hier nicht.


    Wie treibt man Menschen zu Dingen, die sie sonst vielleicht nie getan hätten? Kann man jeden so weit treiben?
    In Kapitel 1 wird ein Mord vorweggenommen, und danach erfahren wir die Geschichte, wie es dazu kam.
    Katharina Blum scheint vor den Ereignissen ein recht unscheinbares Frauchen gewesen zu sein, tüchtig im Leben und beim Arbeiten, einsam zu Hause und ohne viele Freunde und Ansprüche. Als sie ins Rampenlicht gerissen wird, werden auch die wenigen Freunde, die sie hat, mit in die Manege gezerrt.

  • Interessant das mal aus der ostdeutschen Perspektive zu sehen.


    Ich bin hier erst zur Hälfte durch, aber ich habe das Buch vor langer Zeit in der Schule gelesen. 1974 war ich zwar schon 8 Jahre alt, aber viel ist mir aus der Zeit auch nicht mehr in Erinnerung. Aber die ZEITUNG gibt es ja immer noch, und viel hat sich nicht geändert...


    Lustig finde ich, dass der Erzähler dies einen Bericht nennt, aber es ist ja nicht im typischen neutralen Berichts-Stil geschreiben, sondern der Erzähler (und damit der Autor) wertet ja schon sehr die Geschehnisse. Und auch diese Bilder mit den Quellen / Wasser etc. sind ja doch sehr untypisch für einen Bericht.


    Inhaltlich habe ich mich gefragt, wieso wurde Katharina überhaupt des zweiten Mordes verdächtigt, sie hat sich doch bereits am Sonntag gestellt und wurde sofort in Haft genommen, aber erst am Mittwoch wurde der zweite Journalist ermordet, und nach Aussage des Taxifahrer lebte er ja am Dienstag abend noch. Irgendwie unlogisch.


    Krass fand ich ja auch, dass sofort ihr Telefon abgehört wurde, ihre Wohnung durchsucht und sie mit zur Wache genommen wurde. Wieso haben die den Herrn nicht sofort auf der Party festgenommen, wenn er sogar wegen Mordes gesucht wird. Na ja, vielleicht klärt sich das ja noch auf.

  • Zitat

    Original von Amalia
    ...
    Lustig finde ich, dass der Erzähler dies einen Bericht nennt, aber es ist ja nicht im typischen neutralen Berichts-Stil geschreiben, sondern der Erzähler (und damit der Autor) wertet ja schon sehr die Geschehnisse. Und auch diese Bilder mit den Quellen / Wasser etc. sind ja doch sehr untypisch für einen Bericht.


    Bei mir steht "Typisch deutsch" als Notiz zu diesem Bild der Quellen un dWasser, die ordentlich drainiert werden müssen. "Ein ausgesprochener Ordungsvorgang"
    Seinem Vorsatz, dass alles ordentlich und sachlich und mit Niveau berichtet werden soll, bleibt der Erzähler ja dann doch nicht ganz treu.


    Zitat

    Inhaltlich habe ich mich gefragt, wieso wurde Katharina überhaupt des zweiten Mordes verdächtigt, sie hat sich doch bereits am Sonntag gestellt und wurde sofort in Haft genommen, aber erst am Mittwoch wurde der zweite Journalist ermordet, und nach Aussage des Taxifahrer lebte er ja am Dienstag abend noch. Irgendwie unlogisch.


    Ich habe mir so gedacht, dass wenn der Ruf erstmal ruiniert ist, dann werden dir auch Sachen angedichtet, mit denen du gar nichts zu schaffen gehabt haben kannst.


    Zitat

    Krass fand ich ja auch, dass sofort ihr Telefon abgehört wurde, ihre Wohnung durchsucht und sie mit zur Wache genommen wurde. Wieso haben die den Herrn nicht sofort auf der Party festgenommen, wenn er sogar wegen Mordes gesucht wird. Na ja, vielleicht klärt sich das ja noch auf.


    Ich weiß nicht, ob wirklich so schnell abgehört wurde, aber in Zeiten von RAF und Kaltem Krieg kann das schon so gewesen sein.

  • Dieses Buch lese ich nach 37 Jahren wieder und staune darüber, wie anders ich es in Erinnerung hatte.


    Vor allem erstaunt mich Bölls lakonischer Erzählton, mit dem er m. E. eine Distanz zum Erzählten, vor allem aber zu den Figuren schafft. Dass er eingangs einen sachlichen Bericht ankündigt, empfinde ich als klugen Schachzug. Denn damit spiegelt er den ganz anderen, nämlich distanzlosen und aggressiven Ton der "Zeitung", die von sich selbst ja auch behauptet, sachlich zu sein.


    Die für uns aus heutiger Sicht völlig überzogene Vorgehensweise der Polizei, aber auch der journalistische Stil der "Zeitung" stellten (soweit ich mich erinnere) durchaus realistische Abbildungen der politischen Gefühlslage und gängiger boulevard-journalistische Praktiken in der Bundesrepublik dar.

  • Schräges Buch - schräger Schreibstil!


    Die ersten beiden Kapitel war ich etwas verwirrt ... :lache aber jetzt finde ich es klasse!!!! Ich finde es fast etwas komisch, soll das so?


    Danke Clare für den Einwurf mit der RAF. Mein Papa hat mir auch mal von einer Aktion erzählt als wir in Bayern im Urlaub waren und in eine Kontrolle gekommen sind. Sie waren schwer bewaffnet und Papa hatte seinen Ausweis nicht dabei. Da mussten wir dort stehen bleiben und Mama ist in Hotel gefahren um den Ausweis zu holen. Das muss auch so um die Zeit gewesen sein, ich kann mich da aber überhaupt nicht erinnern.
    Eventuell waren sie zu der Zeit mit Genehmigungen freizügiger und schneller.
    (Ich war übrigens 4 zu der Zeit :grin)


    Ja, die ZEITUNG sprach als erstes mit dem Toten.... :lache


    So, jetzt will ich auch wissen, wie es weitergeht!

  • Ich muß sagen, ich bin wirklich sehr positiv überrascht, wie angenehm und leicht sich das Buch lesen läßt. :wow Für mich ist es die erste Begegnung mit Heinrich Böll ( und dem Buch sowieso ) und da es als Schullektüre bekannt ist, ging ich wohl automatisch davon aus, daß es sich auch um eine trockene Lektüre handeln müßte. :lache Aber Hut ab, soviel Humor und versteckte ironische Anspielungen hätte ich dem Autor wirklich nicht zugetraut.


    Zitat

    Original von Clare
    Wie treibt man Menschen zu Dingen, die sie sonst vielleicht nie getan hätten? Kann man jeden so weit treiben?


    Das ist eine wirklich gute Frage. Grundsätzlich kann die Boulevardpresse meiner Meinung nach Personen des öffentlichen Lebens ganz schön unter Druck setzen und sie zu Handlungen treiben, die sie sich wohl selbst nie zugetraut hätten. Aber einen Journalisten umzubringen ?


    Zitat

    Original von Clare
    Katharina Blum scheint vor den Ereignissen ein recht unscheinbares Frauchen gewesen zu sein, tüchtig im Leben und beim Arbeiten, einsam zu Hause und ohne viele Freunde und Ansprüche. Als sie ins Rampenlicht gerissen wird, werden auch die wenigen Freunde, die sie hat, mit in die Manege gezerrt.


    Ich bin noch etwas zwiespältig, was den "wahren" Charakter Katharinas angeht. Der Außenwelt gegenüber hat sie sich als prüdes Mauerblümchen präsentiert, was ihr allein schon aufgrund ihres Berufes definitv auch zugute kam. Was aber haben diese Männerbesuche zu bedeuten und vor allem, warum weigert sie sich, eine Erklärung dafür abzugeben ?


    Zitat

    Original von Amalia
    Inhaltlich habe ich mich gefragt, wieso wurde Katharina überhaupt des zweiten Mordes verdächtigt, sie hat sich doch bereits am Sonntag gestellt und wurde sofort in Haft genommen, aber erst am Mittwoch wurde der zweite Journalist ermordet, und nach Aussage des Taxifahrer lebte er ja am Dienstag abend noch. Irgendwie unlogisch.


    Das fand ich auch etwas merkwürdig. Für Mittwoch hatte Katharina doch ein wasserfestes Alibi ?! Sie saß in Untersuchungshaft. :pille


    Zitat

    Original von Clare
    Seinem Vorsatz, dass alles ordentlich und sachlich und mit Niveau berichtet werden soll, bleibt der Erzähler ja dann doch nicht ganz treu.


    Diesen Vorsatz habe ich mir eher mit einem Augenzwinkern des Autors vorgestellt.


    Zitat

    Original von Krimi-Mimi
    Ja, die ZEITUNG sprach als erstes mit dem Toten.... :lache


    :lache

  • Zitat

    Original von -Christine-
    ...


    Ich bin noch etwas zwiespältig, was den "wahren" Charakter Katharinas angeht. Der Außenwelt gegenüber hat sie sich als prüdes Mauerblümchen präsentiert, was ihr allein schon aufgrund ihres Berufes definitv auch zugute kam. Was aber haben diese Männerbesuche zu bedeuten und vor allem, warum weigert sie sich, eine Erklärung dafür abzugeben ?


    Dazu sage ich nichts mehr, denn ich habe die Erzählung schon fertig gelesen. :grin

  • Och menno, ich bin grad mal auf Seite 26 angekommen und die erste ist schon fertig. :cry :lache


    Wobei ich jetzt zugeben muss, dass ich das Buch schon mal (in grauer SchulVorzeit) gelesen habe. Das dürfte jetzt so gut 15 Jahre her sein und ich erinner mich eher wenig bis kaum an die Handlung. Dachte ich jedenfalls, bis ich zu lesen anfing - so nach und nach kommen doch noch ein paar Erinnerungsfetzen hoch, was ich ziemlich spannend finde.


    Lustig finde ich auch, dass ich teilweise Kommentare an verschiedenen Textstellen vorfinde, die damals im Unterricht besprochen wurden. Unter anderem habe ich auch einen Zettel mit einer Legende zu den einzelnen Personen auf einem Zettel im Buch gefunden, jede ist farblich anders gekennzeichnet, es geht also recht bunt her in meinem Buch. :rofl


    Zitat

    Original von Clare


    Bei mir steht "Typisch deutsch" als Notiz zu diesem Bild der Quellen un dWasser, die ordentlich drainiert werden müssen. "Ein ausgesprochener Ordungsvorgang"
    Seinem Vorsatz, dass alles ordentlich und sachlich und mit Niveau berichtet werden soll, bleibt der Erzähler ja dann doch nicht ganz treu.


    Kapitel 2 ist eigentlich ein verkappter Hinweis auf die ZEITUNG (bzw. die BILD im Speziellen):
    Mit seinem "es war unvermeidlich" (Zeile 3) verknüpft Böll den Abschnitt mit der Klarstellung auf Seite 5, in der er die Ähnlichkeiten der in der Erzählung dargestellten Praktiken mit den (tatsächlichen) Praktiken der Bild-Zeitung ebenfalls als "unvermeidlich" bezeichnet. Die "Kanäle", die zusammengeführt werden, sind eine Metapher für die Zeitung, ebenso das Pfützenwasserpotential (-> Schmutz). Interessant ist die Vorstellung, dass eben jene Kanäle geradewegs in eine "behördlicherseits erstellte Abflussrinne" (und hier sind wohl Polizei und sonstige Staatsorgane gemeint) führen.

    Diese meine Seite 8 ist übrigens (für meine Verhältnisse) recht vollgekritzelt. :chen


    Da ich den Abschnitt noch nicht ganz beendet habe (nennt mich LeseSchnecke, aber leider hatte ich heute abend nicht ausreichend Zeit - ich genieße Bölls Sprache allerdings auch und lese des öfteren Sätze, Passagen zweimal), möchte ich zum Inhalt noch nicht allzu viel sagen. Hinsichtlich des Schreibstils schließe ich mich aber definitiv Nadja an:

    Zitat

    Original von Nadja Quint
    Vor allem erstaunt mich Bölls lakonischer Erzählton, mit dem er m. E. eine Distanz zum Erzählten, vor allem aber zu den Figuren schafft. Dass er eingangs einen sachlichen Bericht ankündigt, empfinde ich als klugen Schachzug. Denn damit spiegelt er den ganz anderen, nämlich distanzlosen und aggressiven Ton der "Zeitung", die von sich selbst ja auch behauptet, sachlich zu sein.


    Genau diese distanzierte Erzählweise des Autors auf das Geschehen ist mir auch aufgefallen - was natürlich nicht heißt, dass er sich an der ein oder anderen Stelle nicht auch mal einschaltet. Böll arbeitet auch häufig mit Ironie (in meinem Buch übrigens gelb oder mit Schlangenlinien unterstrichen :rofl). Grundsätzlich ist es ja kein Bericht, sondern eine Erzählung, die durchaus Spielraum für die eigenen Ansichten und Kritikpunkte des Autors zulässt. Ich freue mich schon auf die weitere Auseinandersetzung mit dem Text. ;-)


    Ach ja, zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung war ich übrigens -6. Ich fürchte, ich kenne die 70er Jahre nur aus Erzählungen oder dem Geschichtsunterricht. :wow

  • Mir geht es so wie Christine. Mein erster Kontakt mit Böll und da es Schullektüre sein soll, habe ich irgendwie einen trockenen Schreibstil erwartet. Von daher bin ich absolut positiv überrascht vom Buch.


    Das Buch fing für mich schon einmal wieder mit einer verschobenen Wahrnehmung an. Aus dem "radikalen Rechtsbrecher" machte ich im Eifer des Gefechtes gleich mal einen "rechtsradikalen Verbrecher". Zuerst dachte ich ja nur, wie man ( oder ich ) schon durch die täglichen Nachrichten geprägt bin, das ich gleich an Rechtsradikalismus denken muss. Aber irgendwie paßt es dann doch, weil ich finde, das Buch ist irgendwie zeitlos und könnte auch heute, fast 40 Jahre später, sich so zutragen.


    Und ich war am Anfang verwundert, wie man als Haushälterin zu einer Eigentumswohnung und Kleinwagen kommen kann. Ich dachte noch so, der Job wird bzw. wurde aber gut bezahlt. Die Erklärungen im Nachhinein erscheinen mir zum Teil logisch, Katharinas Leben scheint ja mehr oder weniger nur aus Arbeiten bestanden zu haben.
    Gut gefallen hat mir an ihr, dass sie sich von der Polizei nicht einschüchtern lässt und auf ihre genaue Wortwahl besteht. Und, wo sie recht hat, hat sie Recht. Wenn man die Wörter genau betrachtet kommen da schon unterschiedliche Definitionen am Ende heraus.


    Entweder habe ich schon wieder Probleme mit den Namen oder ich habe etwas überlesen. Wer sind denn Lüding und Alois Sträubleder? Ich habe zwar die paar Seiten noch einmal überflogen, aber irgendwie nichts dazu gefunden. :gruebel

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Kurzer Einwurf eines Nicht-LR-Teilnehmers:
    Wenn ich hier die Kommentare so lese, dann verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass es eigentlich doch sehr schade ist, das Heinrich Böll so ganz langsam in Vergessenheit geraten zu sein scheint.
    Und wie man eben an den Kommentaren hier sieht, ist die Lektüre seiner Bücher immer wieder neu empfehlenswert.
    Eine wirklich tolle Sache, dass es eines der Böll-Bücher in eine Leserunde geschafft hat.


    Für mich war (und eigentlich auch noch ist) Heinrich Böll immer Wegbegleiter auf meiner ganz persönlichen literarischen Lesereise. "Glücklicherweise" habe ich damals in den Sechziger Jahren Heinrich Böll nicht in der der Schule lesen müssen. Wahrscheinlich wäre er mir dann - so wie einige andere - auch vermiest worden.


    Ich erlaube mir weiterhin, hier mit großem Interesse mitzulesen. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von -Christine-



    Ich bin noch etwas zwiespältig, was den "wahren" Charakter Katharinas angeht. Der Außenwelt gegenüber hat sie sich als prüdes Mauerblümchen präsentiert, was ihr allein schon aufgrund ihres Berufes definitv auch zugute kam. Was aber haben diese Männerbesuche zu bedeuten und vor allem, warum weigert sie sich, eine Erklärung dafür abzugeben ?


    Die Figur Katharina finde ich sehr interessant, nicht nur in der Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit ihrer eigenen Persönlichkeit, sondern auch wegen der gesellschaftspolitischen Entwicklung, die sich darin spiegelt.


    Sie ist in der Nachkriegszeit in kleinbürgerlichen Verhältnissen geboren, hat einen Volksschulabschluss und wird Haushaltshilfe. Alles sieht zunächst danach aus, dass hier die berufliche Karriere schon zu ende sein könnte.
    Aber sie besucht später eben doch noch die Fachschule, macht sich selbstständig, hat ein eigenes Auto und arbeitet teilweise in großbürgerlichen Kreisen, wo sie offenbar nicht nur als Servicekraft geduldet, sondern als eine Art Familienmitglied integriert wird.


    Außerdem wagt sie es, ihren Ehemann zu verlassen, selbst für den Preis, nach damaliger Rechtssprechung schuldig geschieden zu werden. Sie besitzt eine Eigentumswohnung und nimmt Männer mit nach Hause, auch wenn sie das nur ungern zugibt.

  • Ich war echt geschockt, wie viel Katharina arbeitet, Zeit für ein Privatleben bleibt da wohl kaum - bis auf die Herrenbesuch ein paar Mal im Jahr. Und mir ist auch aufgefallen, wie oft sie von Männern "angemacht" wird, entweder sie ist sehr attraktiv - oder eine alleinstehende Frau wurde quasi als Freiwild betrachtet. Auch die Umgangsformen der Polizei sind doch sehr fragwürdig.
    Ich finde auch es lässt sich sehr gut lesen, auch die kurzen Kapitel machen es leicht. Und ja, es hat eine besondere Art von Humor, fast zynisch. Herr Böll hat es ja auch mit sehr viel Wut im Bauch auf die Zeitung geschrieben, da er selbst Opfer wurde (Thema RAF). Krass wie die Zeitung jede positive Aussage ins Gegenteil verdreht!


    Zu Lüding und Sträubleder, die kennt man bisher auch noch nicht - aber nach einer Bemerkung von Trude scheint es sich bei den beiden wohl um den Herrenbesuch zu handeln.

  • Zitat

    Original von Amalia
    Ich war echt geschockt, wie viel Katharina arbeitet, Zeit für ein Privatleben bleibt da wohl kaum - bis auf die Herrenbesuch ein paar Mal im Jahr. Und mir ist auch aufgefallen, wie oft sie von Männern "angemacht" wird, entweder sie ist sehr attraktiv - oder eine alleinstehende Frau wurde quasi als Freiwild betrachtet. Auch die Umgangsformen der Polizei sind doch sehr fragwürdig.
    Ich finde auch es lässt sich sehr gut lesen, auch die kurzen Kapitel machen es leicht. Und ja, es hat eine besondere Art von Humor, fast zynisch. Herr Böll hat es ja auch mit sehr viel Wut im Bauch auf die Zeitung geschrieben, da er selbst Opfer wurde (Thema RAF). Krass wie die Zeitung jede positive Aussage ins Gegenteil verdreht!


    Zu Lüding und Sträubleder, die kennt man bisher auch noch nicht - aber nach einer Bemerkung von Trude scheint es sich bei den beiden wohl um den Herrenbesuch zu handeln.


    Katharina wird an verschiedenen Stellen als attraktiv beschrieben, aber es ist möglich, dass das später im Buch erst vorkommt. ;-)
    Sie ist fleißig und zielstrebig, will etwas eigenes haben, besitzen, selbst erarbeiten, von niemand abhängig sein, vielleicht ein Rückbleibsel ihrer gescheiterten Ehe. Sie hat gar keine andere Möglichkeit, als viel zu arbeiten.


    Böll war im Zusammenhang mir der RAF Opfer der Boulevard-Presse? Das muss ich gleich mal recherchieren, danke!

  • Zitat

    Original von Clare
    Böll war im Zusammenhang mir der RAF Opfer der Boulevard-Presse? Das muss ich gleich mal recherchieren, danke!


    Er wurde nicht nur von der Boulevard-Presse sondern auch von Teilen der Politik als "RAF-Sympathisant" verunglimpft.


    Auszug aus Wikipedia:


    Im Nobelpreis-Jahr 1972, ein Jahr nach Erscheinen seines Romans Gruppenbild mit Dame, sorgte Böll für einen innenpolitischen Skandal, als er sich in einem Essay für den Spiegel unter dem Titel Will Ulrike Gnade oder freies Geleit? mit der Person und dem Werdegang der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof beschäftigte und die Berichterstattung der Springer-Presse scharf angriff. Der Titel war vom Spiegel gegen Bölls Willen verändert worden, die durch die Nennung des Vornamens suggerierte Vertrautheit des Autors mit Meinhof entsprach weder Bölls Intention noch dem Inhalt des Textes.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    ... Wenn ich hier die Kommentare so lese, dann verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass es eigentlich doch sehr schade ist, das Heinrich Böll so ganz langsam in Vergessenheit geraten zu sein scheint.
    Und wie man eben an den Kommentaren hier sieht, ist die Lektüre seiner Bücher immer wieder neu empfehlenswert.
    ...


    Das kann ich nur unterschreiben. Ich bin von dem Buch absolut begeistert und habe mir vorgenommen, auf jeden Fall noch wenigstens ein Buch von ihm zu lesen.


    Zitat

    Original von Clare
    … Katharina wird an verschiedenen Stellen als attraktiv beschrieben, aber es ist möglich, dass das später im Buch erst vorkommt. ;-)
    Sie ist fleißig und zielstrebig, will etwas eigenes haben, besitzen, selbst erarbeiten, von niemand abhängig sein, vielleicht ein Rückbleibsel ihrer gescheiterten Ehe. Sie hat gar keine andere Möglichkeit, als viel zu arbeiten.


    Auf Katharinas Attraktivität wird direkt im 2. Teil hingewiesen, vorher konnte man das eher nur erahnen oder zwischen den Zeilen lesen - zumindest ist mir der Hinweis erst im 2. Teil ins Auge gesprungen.


    Du hast Recht, sie will sicherlich was aus ihrem Leben machen und nicht von anderen abhängig sein. Ich denke aber eher das es ein Rückbleibsel aus der Kindheit ist und ihre Ehe vielleicht auch deshalb gescheitert ist, sie war einfach zu selbständig für ihren Mann bzw. sie geht zielstrebig ihren Weg. Ihr Vater ist verwundet aus dem Krieg gekommen, ihre Mutter kommt mit der ganzen Situation nicht klar und greift mehr oder weniger zur Flasche. In gewisser Weise war die Mutter also nicht stark genug um ihr Leben ohne Alkohol auf die Reihe zu kriegen.

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Zitat

    [i]Original von Macska[/


    Ich bin von dem Buch absolut begeistert
    und habe mir vorgenommen, auf jeden Fall noch wenigstens ein Buch von ihm zu lesen.


    Unbedingt, liebe Macska. Böll war immer vor allem ein herausragender Chronist. Am besten haben mir die Romane "Haus ohne Hüter" und "Ansichten eines Clowns" gefallen, die beide m.E. kongenial verfilmt wurden. Aus dem Deutschunterricht der Siebziger Jahre weiß ich, dass diese beiden als Lektüre gemieden wurden: psychologisch hochgradig konflikthaft und zu freizügig. "Billiard um halb zehn" war da schon gefälliger (und m.E. langweiliger). Wer Böll als Satiriker mag, kommt natürlich nicht herum um den kleinen Band "Nicht nur zur Weihnachtszeit".


    Bölls literarisches Können wurde ja oft angezweifelt, und zu meiner Schande muss ich zugeben: Ich gehöre auch zu denen, die denken, dass andere deutsche Autoren dieser Zeit literarisch mehr drauf hatten. Aber mit dieser Haltung hänge ich mich weit aus dem Fenster und mache mich angreifbar, das weiß ich wohl.




  • *reinhusch*


    :writeich habe "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" in der Schule lesen müssen, und kein bisschen verstanden was genau mir dieses Buch eigentlich sagen soll. Ich war 14 Jahre alt, und hab mich in der Story überhaupt nicht zurecht gefunden. Außerdem fand ich ganz schlimm das es mich in meiner Marion Zimmer-Bradley hardcore Phase gestört hat. :chen


    Wahrscheinlich würde ich heute an die Geschichte ganz anders ran gehen, sie ist ja durchaus immer wieder mal aktuell, aber damals fand ich das ganz schlimm und tierisch nervig. Vor allem weil in der Schule dann noch alles auseinander genommen und tot diskutiert wurde...


    *raushusch*