'Die verlorene Ehre der Katharina Blum' - Kapitel 24 - 39

  • Der Abschnitt beginnt der Erzähler in Kapitel 24 mit einer Entschuldigung dafür, dass ein Rückstau vorgenommen werden muss, eine Art Rückblende, aus der ja eigentlich die ganze Erzählung besteht. Immerhin ist der Mord am Anfang schon geschehen und im Nachhinein werden wir in den "Rückstau" hineingenommen und erleben die Ereignisse, die dazu führten, mit.
    Es ist lange her, dass ich andere Werke von Böll gelesen habe, und ich kann mich nicht mehr so recht darauf besinnen, ob diese wirklich interessante Umständlichkeit ein Markenzeichen Bölls ist oder nur hier vorkommt.


    Katharinas Charakter wird erneut beleuchtet, hier in Kapitel 24 nicht wie vorher von der moralischen, charakterlichen Seite, sondern in ihrem Umgang mit Finanzen und der statischen Planung ihres Alltags. Die einzigen Unregelmäßigkeiten, die sie sich zu erlauben scheint, sind ihre ominösen Autofahrten, die ihr keiner glaubt, die ich ihr aber wegen ihrer Einsamkeit und Leere durchaus abnehmen könnte, und weiter undurchsichtig oder halbdurchsichtig die "Herrenbesuche".


    In Kapitel 28 findet sich ein Hinweis darauf, wie stark der Einfluss des Rufmordes an Katharina durch die ZEITUNG tatsächlich ist, denn sie verliert das Interesse an ihrem Beruf und ihrer Wohnung, beides bisheriger Lebensinhalt und so etwas wie Freude, obwohl K. Blum nicht den Eindruck macht, als hätte Freude eine große Rolle für sie gespielt.
    In Kapitel 35 beschmutzt Katharina ihre Wohnung, in der gleichen Art, wie sie beschmutzt worden ist, und ihre Bekannten lassen sie gewähren. Ersatzhandlung als Weg zur Heilung? Ich glaube nicht. Ich sehe es eher so, dass Katharina abgeschlossen hat. Sie schändet das, was sie sich mühsam erschaffen und erarbeitet hatte, ihr Heim. Nun ist der Weg frei, auch zu dem Mord am Journalisten.

  • Zitat

    Original von Clare
    ... Katharinas Charakter wird erneut beleuchtet, hier in Kapitel 24 nicht wie vorher von der moralischen, charakterlichen Seite, sondern in ihrem Umgang mit Finanzen und der statischen Planung ihres Alltags. Die einzigen Unregelmäßigkeiten, die sie sich zu erlauben scheint, sind ihre ominösen Autofahrten, die ihr keiner glaubt, die ich ihr aber wegen ihrer Einsamkeit und Leere durchaus abnehmen könnte, und weiter undurchsichtig oder halbdurchsichtig die "Herrenbesuche".
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    Ganz ehrlich, ich würde ihr die Fahrten auch abkaufen. Vielleicht ist es für sie der Zipfel Freiheit, den sie sich in ihrem doch sehr exakt strukturiertem Leben gönnt. Sie ist ja scheinbar nur am Arbeiten, von einer Stelle fährt sie zur nächsten Arbeitsstelle und falls mal Pause ist, nimmt sie noch andere Aufträge an.
    Bei der Beurteilung der Beweismittel wird sie ja als sehr genau und penibel dargestellt, fast schon pedantisch.


    Allgemein muss ich sagen, ich kann Katharina immer weniger einschätzen. Während sie mir im ersten Abschnitt "nur" als einfache starke Frau vorgekommen ist, bin ich mir jetzt nicht sicher ob sie nicht doch eiskalt und berechnend ist. Wenn jemand wirklich so strukturiert lebt, läßt er sich auf einer Feier dann auf so ein Abenteuer ein und verhilft ihm dann noch ganz spontan nach einer gemeinsamen Nacht zur Flucht? Oder genießt sie gerade weil sie so ein Kopfleben hat einfach nur mal die Spontanität der Gefühle? Oder bei den Verhören, da zeigt sie ja kaum Gefühlsregungen. Und selbst wenn sie unschuldig ist, die vorgeworfene Zusammenarbeit mit einem Rechtsbrecher ist ja nun auch nicht von Pappe, von daher weiß ich nicht ob einen das so kaltlassen kann. :gruebel



    Zitat

    Original von Clare
    ... In Kapitel 28 findet sich ein Hinweis darauf, wie stark der Einfluss des Rufmordes an Katharina durch die ZEITUNG tatsächlich ist, denn sie verliert das Interesse an ihrem Beruf und ihrer Wohnung, beides bisheriger Lebensinhalt und so etwas wie Freude, obwohl K. Blum nicht den Eindruck macht, als hätte Freude eine große Rolle für sie gespielt.
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    Interessant dazu auch die Erklärungen der Polizei im Kapitel 27. Sie sei ja jetzt eine "Person der Zeitgeschichte" und damit "Gegenstand berechtigten öffentlichen Interesses". Oder auf S. 58 "Die Pressefreiheit dürfe nicht leichtfertig angetastet werden ..." Und was ist mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte? Erst einmal kübelweise Dreck über Personen schütten um die Auflage zu erhöhen und dann kann man ja sehen, ob sich die Person wehrt und eine Privatklage anstrebt. Welche Folgen das für die Betroffenen hat und welche Hetzjagd das nach sich zieht kann denen ja egal sein. :bonk



    Zitat

    Original von Clare
    ... In Kapitel 35 beschmutzt Katharina ihre Wohnung, in der gleichen Art, wie sie beschmutzt worden ist, und ihre Bekannten lassen sie gewähren. Ersatzhandlung als Weg zur Heilung? Ich glaube nicht. Ich sehe es eher so, dass Katharina abgeschlossen hat. Sie schändet das, was sie sich mühsam erschaffen und erarbeitet hatte, ihr Heim. Nun ist der Weg frei, auch zu dem Mord am Journalisten...


    Ich denke auch nicht. Das ist nicht einfach nur Wut und Frust, dafür geht sie zu zielgerichtet vor. Sie geht ja wirklich in jedes Zimmer und bewirft ihre Errungenschaften mit Schmutz.



    Besonders erwähnen möchte ich noch das Kapitel 37, welches mir außerordentlich gut gefallen hat. Böll beschreibt hier mit einer Ironie ( oder Satire?) die ganzen Ereignisse und verharmlost sie extra und es gipfelt in der Frage: "Was ist denn eigentlich Schlimmes passiert? Fast nichts, wenn man es genau betrachtet, oder besser gesagt: fast nur Positives ...."
    Das wirkt auf mich wie die Standardausrede der ZEITUNG. Wir haben über sie berichtet und dabei sind unschöne Dinge auf den Tisch gekommen. Na und? Ist doch nichts Schlimmes passiert und morgen ist es eh Schnee von gestern. Welche Folgen so eine Berichterstattung für den Einzelnen hat wird bewußt oder unbewußt unter den Tisch gekehrt.

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Zitat

    Original von Macska


    Allgemein muss ich sagen, ich kann Katharina immer weniger einschätzen. Während sie mir im ersten Abschnitt "nur" als einfache starke Frau vorgekommen ist, bin ich mir jetzt nicht sicher ob sie nicht doch eiskalt und berechnend ist. Wenn jemand wirklich so strukturiert lebt, läßt er sich auf einer Feier dann auf so ein Abenteuer ein und verhilft ihm dann noch ganz spontan nach einer gemeinsamen Nacht zur Flucht? Oder genießt sie gerade weil sie so ein Kopfleben hat einfach nur mal die Spontanität der Gefühle? Oder bei den Verhören, da zeigt sie ja kaum Gefühlsregungen. Und selbst wenn sie unschuldig ist, die vorgeworfene Zusammenarbeit mit einem Rechtsbrecher ist ja nun auch nicht von Pappe, von daher weiß ich nicht ob einen das so kaltlassen kann. :gruebel


    Sie ist eben nicht leicht einschätzbar, das macht ihre Persönlichkeit so spannend. All diese Beschreibungen sind zutreffend, aber keine stimmt ganz. Und vor allem: Katharina ist m.E. nirgendwo wirklich psychisch gefestigt. Im geschützten Raum ihres Autos ist sie noch am ehesten in der Lage, sich einer lebendigen Außenwelt auszusetzen, ansonsten sucht sie Geborgenheit in ihrer Eigentumswohnung und anderen Haushalten.


    Gerade diese innere Labilität prägt ja die Persönlichkeit vieler Menschen aus, die im Krieg/Nachkrieg geboren wurden. Die Traumatisierung wirkt nach, auch wenn sie den Krieg selbst nicht bewusst erlebt haben. Aus diesem Boden entspringt m.E. auch die Gewaltbereitschaft der RAF-Mitglieder, die um jeden Preis ein (realitätsfremdes) Ideal von Gerechtigkeit suchen.

  • Zitat

    Original von Nadja Quint
    Sie ist eben nicht leicht einschätzbar, das macht ihre Persönlichkeit so spannend. All diese Beschreibungen sind zutreffend, aber keine stimmt ganz. Und vor allem: Katharina ist m.E. nirgendwo wirklich psychisch gefestigt. Im geschützten Raum ihres Autos ist sie noch am ehesten in der Lage, sich einer lebendigen Außenwelt auszusetzen, ansonsten sucht sie Geborgenheit in ihrer Eigentumswohnung und anderen Haushalten.


    Das ist interessant. Ich habe das Auto bisher nur als ihre Fluchtmöglichkeit vor der Einsamkeit und der Ereignisslosigkeit ihrer Abende gesehen. Das Auto als Schutzraum, wirklich interessant.


    Zitat

    Gerade diese innere Labilität prägt ja die Persönlichkeit vieler Menschen aus, die im Krieg/Nachkrieg geboren wurden. Die Traumatisierung wirkt nach, auch wenn sie den Krieg selbst nicht bewusst erlebt haben. Aus diesem Boden entspringt m.E. auch die Gewaltbereitschaft der RAF-Mitglieder, die um jeden Preis ein (realitätsfremdes) Ideal von Gerechtigkeit suchen.


    Der gleichen Quelle entspringt dann wohl auch der Wunsch der Nachkriegsgeneration etwas völlig Anderes zu schaffen, etwas Neues, Besseres, auf der einen oder anderen Seite mit unterschiedlich großem Eifer und Erfolg? Soweit für mich nachvollziehbar.
    Um einschätzen zu können, wie Gewaltbereitschaft aus dieser Traumatisierung entspringen kann, habe ich mich mit der RAF zu wenig beschäftigt, war einfach zu weit weg...Aber interessieren würde es mich schon.
    Magst du noch etwas dazu schreiben, Nadja? Das fände ich sehr interessant. :wave

  • Zitat

    Original von Macska
    ...
    Besonders erwähnen möchte ich noch das Kapitel 37, welches mir außerordentlich gut gefallen hat. Böll beschreibt hier mit einer Ironie ( oder Satire?) die ganzen Ereignisse und verharmlost sie extra und es gipfelt in der Frage: "Was ist denn eigentlich Schlimmes passiert? Fast nichts, wenn man es genau betrachtet, oder besser gesagt: fast nur Positives ...."
    Das wirkt auf mich wie die Standardausrede der ZEITUNG. Wir haben über sie berichtet und dabei sind unschöne Dinge auf den Tisch gekommen. Na und? Ist doch nichts Schlimmes passiert und morgen ist es eh Schnee von gestern. Welche Folgen so eine Berichterstattung für den Einzelnen hat wird bewußt oder unbewußt unter den Tisch gekehrt.


    Dass die Sensationsnachrichten von heute morgen schon Schnee von gestern sind, stimmt ja. Zurück bleiben die traumatisierten Leute, die sich in ihrer Nachbarschaft nicht mehr zeigen können, gesellschaftlich erledigt sind, traumatisiert und vielleicht ihren Job verlieren.

  • Zitat

    Original von Clare



    Der gleichen Quelle entspringt dann wohl auch der Wunsch der Nachkriegsgeneration etwas völlig Anderes zu schaffen, etwas Neues, Besseres, auf der einen oder anderen Seite mit unterschiedlich großem Eifer und Erfolg? Soweit für mich nachvollziehbar.
    Um einschätzen zu können, wie Gewaltbereitschaft aus dieser Traumatisierung entspringen kann, habe ich mich mit der RAF zu wenig beschäftigt, war einfach zu weit weg...Aber interessieren würde es mich schon.
    Magst du noch etwas dazu schreiben, Nadja? Das fände ich sehr interessant. :wave


    Ja, gern. Wobei ich mich bei einem so hoch komplexen Thema nicht verzetteln möchte. Beim Zusammenhang von Traumatisierung und Gewaltbereitschaft geht es selbstverständlich nicht nur um die RAF, sondern um das Festhalten an einer Ideologie um jeden Preis (als Heilungsversuch erlebter seelischer Verletzung) bis hin zur Entwicklung von Gewalt und Terrorismus gleich welcher politischer und/oder religiöser Couleur.


    Böll hat m.E. an der Figur Katharina aufgezeigt, wie die Entstehung von Gewalt nicht in Gruppen (z.B. RAF) oder Massen (z. B. Nazis)
    funktioniert, sondern bei einer Einzelperson. Katharina hat sich zwar eine äußere Selbstständigkeit geschaffen, ist aber durchdrungen von der Sehnsucht nach der großen Liebe zu einem Mann, der für ihre verletzte Seele eine Art Erlöser darstellen soll und mit dem sie in einer gerechten Welt ein harmonisches Leben führen kann.


    Mit dem erlebten Verrat dieser Lebensideale wird sie gewaltbereit.

  • Das ist wieder eine fantastische Leserunde, einfach toll! :anbet


    Die einsamen, ziellosen Autofahrten nehme ich ihr auch ohne weiteres ab. Eine Fluchtmöglichkeit vor einsamen verregneten Abenden ohne wirklich jeden "Schutzraum" verlassen zu müssen, so kommt es mir auch vor.


    Dass Katharina bei den Verhören keinerlei Gefühlsregung erkennen lässt, wirkt auf mich eher wie ein Schutzmechansmus, um unter dieser Belastung nicht zu zerbrechen.


    Allerdings, dass sie diesen Götten so spontan mit nach Hause nimmt und ihm zur Flucht verhilft, passt so gar nicht in das Bild, das ich mir von ihr gemacht habe.

  • Zitat

    Original von Zwergin


    Allerdings, dass sie diesen Götten so spontan mit nach Hause nimmt und ihm zur Flucht verhilft, passt so gar nicht in das Bild, das ich mir von ihr gemacht habe.


    Ich kann es mir auch nur so vorstellen, dass sie sich heftig in ihn verknallt hat und nicht nachvollzieht, wer er wirklich ist und welche Konsequenzen ihr Handeln haben könnte. M.E. zeigt sich an dieser Stelle, wir gewaltig ihre Sehnsucht nach der großen Liebe ist.


    Dass wir über Götten so wenig erfahren, macht deutlich, wie überzogen die Reaktionen von Polizei und Boulevardpresse sind. Obwohl nicht klar ist, worum es tatsächlich geht, entspinnt sich eine Tragödie von griechischem Ausmaß. Clare hat Götten an anderer Stelle unserer LR als "Katalysator" bezeichnet, das finde ich sehr treffend.

  • Ich finde das Buch sogar richtig spannend, obwohl man ja schon das Ende kennt (die Ermordung des Journalisten). Aber man möchte ja auch wissen, was es jetzt mit Katharina und Götten auf sich hat und dem Herrenbesuch (Alois?)


    Ich finde die Ermittlungen der Polizei echt erschreckend, ihr gesamtes Privatleben wird auseinander genommen, und oben drauf noch die Zeitung und die Reaktionen ihrer Mitbürger, das war dann wohl alles zuviel.

  • Es stellt sich die Frage: Wie weit kann man Menschen treiben, wenn nur der Druck stark genug ist, sei es nun Leidensdruck oder der durch soziale Isolation entstehende Druck oder der Druck der Masse...?


    Das ist in diesem Jahr schon die zweite Leserunde, bei der ich darüber nachdenke (andere LR war die zu "Herr der Fliegen").


    Mir stellt sich immer die Frage, ob ich selbst so weit zu treiben wäre, Dinge zu tun, die ich sonst nie getan hätte, wenn nur der Druck machtvoll genug ist.
    Ich bin mittlerweile der Meinung, dass vielleicht jeder zu fast allem fähig ist, wenn man nur einen wunden Punkt oder eine Schwachstelle bei ihm gefunden hat, und das hat wirklich etwas Erschreckendes.

  • Ja Clare, das ist wirklich interessant und erschreckend, wenn man darüber nachdenkt. Aber vielleicht ist es auch so, dass nicht jeder in so einer Situation gewalttätig anderen gegenüber reagiert, sondern oft ist es auch so, dass sich diese Gewalt quasi gegen die eigene Person richtet, und derjenige depressssiv wird und z.B. einen Selbstmordversuch unternimmt. Aber ich finde dieser Fall der Katahrina Blum könnte auch ein klassisches Beispiel für eine Art Amoklauf sein, wenn dieser Druck z.B. durch die Institution Schule auf eine Person ausgeht. Ob dieser Druck nun wirklich zu einer Gewalttat führt, vielleicht ist es auch doch abhängig vom Persönlichkeitstyp, der Sozialisation etc. Beim Fall von Katharina finde ich besonders beeindruckend, dass wir es überhaupt nicht mit einer impulsiven Person zu tun haben, sondern sogar eher mit einer kühlen, sehr überlegten Person, die hier vielleicht sogar alles sorgsam plant (ich bin noch nicht durch mit dem Buch...)

  • Leider habe ich den Abschnitt erst gut zur Hälfte gelesen, aber ich musste mir jetzt einfach mal eure Posts hier durchlesen. Das, was ihr hier schon geschrieben habt, ist jedenfalls sehr interessant!


    Katharinas Tagesablauf ist straff organisiert. Darüber hinaus hat sie jeden Lebensbereich fest im Griff, alles ist durchgeplant, selbst die Bücher sind perfekt geführt. Ist das nicht auch eine Art Schutzfunktion? Ich gebe meinem Leben eine undurchdringbare Struktur, um nicht von Unsicherheiten aus der Bahn geworfen zu werden?
    Die Herrenbesuche passen da nicht so recht rein. Und eigentlich auch nicht, dass sie sich von ihrem Mann hat scheiden lassen. Aber vielleicht hat sie diese Penibilität, die da mitschwingt, erst danach entwickelt?


    Zitat

    Original von Nadja QuintUnd vor allem: Katharina ist m.E. nirgendwo wirklich psychisch gefestigt. Im geschützten Raum ihres Autos ist sie noch am ehesten in der Lage, sich einer lebendigen Außenwelt auszusetzen, ansonsten sucht sie Geborgenheit in ihrer Eigentumswohnung und anderen Haushalten.


    Dass selbst die Autofahrten als Schutzsuche betrachtet werden können, ist wirklich ein sehr interessanter Aspekt.
    Interessant ist auch, wieso sie dann Götten von dem "Tanzvergnügen" mit zu sich nach Hause nimmt. Ich mag nicht so recht glauben, dass es dabei allein und ausschließlich um Verliebtheit geht. Vielleicht geht es ihr auch um das Ausbrechen aus den (teilweise von ihr selbst auferlegten) gesellschaftlichen Zwängen? Da sie ja nicht oft "Tanzvergnügen" aufsucht, spielte womöglich auch eine gewisse "Berauschtheit" eine Rolle (wobei ich das nicht auf Alkohol oder gar harte Drogen beziehe, sondern einfach an der Stimmung des Abends, ein Hochgefühl, das sich einstellt).


    Zitat

    Original von Zwergin
    Ich bin der Meinung, dass es nicht die Frage ist, ob ein Leidensdruck, welcher Art auch immer, zu Gewalttaten führt, sondern wann. Irgendwo hat wohl jeder Mensch einen Punkt erreicht, an dem er zu allem fähig ist.


    Auch das ist ein sehr interessanter Punkt. Wie manch andere hier in der Runde, denke ich auch darüber nach. Wie weit kann man den einzelnen Menschen zu Gewalt treiben? Sofern unter "Gewalttaten" auch die Gewalt gegen sich selbst zu verstehen ist, würde ich mich Zwergin anschließen. Für mich ist es allerdings nur schwer vorstellbar, dass jeder Mensch zu Gewalt gegen andere getrieben werden kann. Wobei es hier speziell ja auch auf die Art des (Leidens-)Drucks ankommt, der ausgeübt wird.

  • Zitat

    Original von LeseBär


    Auch das ist ein sehr interessanter Punkt. Wie manch andere hier in der Runde, denke ich auch darüber nach. Wie weit kann man den einzelnen Menschen zu Gewalt treiben? Sofern unter "Gewalttaten" auch die Gewalt gegen sich selbst zu verstehen ist, würde ich mich Zwergin anschließen. Für mich ist es allerdings nur schwer vorstellbar, dass jeder Mensch zu Gewalt gegen andere getrieben werden kann. Wobei es hier speziell ja auch auf die Art des (Leidens-)Drucks ankommt, der ausgeübt wird.


    Das ist individuell sicher ganz unterschiedlich, und ich stimme Dir gern zu, Lesebär, dass wir bei diesen Überlegungen die Gewalt gegen sich selbst einbeziehen müssen.


    Bei der Figur Katharina wäre m.E. grundsätzlich auch denkbar gewesen, dass sie tief depressiv wird oder eine Abhängigkeitskrankheit entwickelt (was ja auch eine Form von Gewalt gegen sich selbst darstellt) oder sich suizidiert.

  • Ich bin stark der Meinung, dass man einen Menschen mit geeigneten Methoden und Druck zu Handlungen bringen kann, die er sonst weit von sich weisen würde. Notwehr fällt für mich auch ein bisschen in diesen Bereich. Psychischer Druck kann große Auswirkung haben, nach innen wie nach aussen.


    Ich bin erstaunt, wie viel die Polizei allein durch das Durchsuchen der Wohnungen als auch durch das Kombinieren des Zählerstandes mit den Entfernungen zwischen den Arbeitplätzen lesen kann. Ein Privatleben ist plötzlich keines mehr. In Zeiten von Facebook und amerikanischer Ermittlungsendungen fast schon erschreckend normal.


    Katharina wird als wohlanständige Frau gezeigt, die gelegentlichen Fahrten über Land nehme ich ihr ab, ich selbst liebe es auch, hinten im Auto zu sitzen und mich durch die Gegend kutschieren zu lassen. Heute fast schon ein Ding der Unmöglichkeit, bedenkt man Umwelt und Finanzen. Ich wundere mich nicht über ihre nichtvorhandene Auskunftsfreudigkeit, ich wünschte, auch die Polizei würde die Privatsphäre mehr achten. Ich weiß, dass sie diese Dinge wissen muss um angemessen ermitteln zu können. Ich weiß auch, das nichts schlimmer ist als verschwiegene Verdächtige. Auf der anderen Seite wird munter an die Presse weitergegeben, was nicht in die Öffentlichkeit gehört. Ohne fehlendes Schuldbewusstsein. Eine Schande ist das.

  • Zitat

    Original von Zwergin
    Das ist wieder eine fantastische Leserunde, einfach toll! :anbet


    Allerdings, dass sie diesen Götten so spontan mit nach Hause nimmt und ihm zur Flucht verhilft, passt so gar nicht in das Bild, das ich mir von ihr gemacht habe.


    Das bereitet mir ebenfalls Kopfzerbrechen... :grin


    Zitat

    Original von Clare
    Mir stellt sich immer die Frage, ob ich selbst so weit zu treiben wäre, Dinge zu tun, die ich sonst nie getan hätte, wenn nur der Druck machtvoll genug ist.


    Ich glaube auch, dass wir alle irgendwo einen "wunden Punkt" haben oder aber wenn etwas einfach zu lange ausgeübt wird. Jeder kommt sicherlich an den Punkt, wo es nicht weitergehen kann. Obwohl ich nach dem Motto lebe: "Man bekommt nur soviel aufgebürdet, wie man tragen kann!" Das hilft oft!



    Ich bin sehr gespannt wie es zu der Ermordung des Journalisten kommt!

  • Zitat

    Original von schnatterinchen
    Wer ist denn so bekloppt und rechnet aus wieviel km man fährt?


    Jede deutsche Behörde, die sich irgendeinen Hinweis daraus erhofft. ;-) So bekloppt ist das gar nicht...