3 CDs
187 Minuten
ungekürzte Lesung
Sprecherin: Andrea Sawatzki
Hörprobe beim Verlag *klick*
Zum Inhalt (vom Verlag)
Tagelang bellen die Hunde im Garten des Anwesens, bevor man Winfried Ott findet. Der 71-Jährige liegt nackt im Schlafzimmer seiner Villa, offenbar ermordet mit einer scharfkantigen Waffe. Zur gleichen Zeit entdeckt die Polizei in einem Waldstück eine verstörte junge Frau. Ihre roten Haare leuchten zwischen dem Grün der Bäume. Sie kann sich nicht erinnern, wie sie an diesen Ort gelangt ist. Was sie der Psychiaterin zu erzählen hat, lässt niemanden kalt. Aber entspricht das, was sie erlebt zu haben glaubt, auch der Wahrheit?
Ein allzu braves Mädchen ist Kriminalroman und abgründiges psychologisches Porträt zugleich. Schauspielerin Andrea Sawatzki liest ihren Roman eindringlich und mit einer Stimme, die Zartgefühl und Stärke, Verletzbarkeit und Spannung verbindet.
Zur Autorin & Sprecherin (vom Verlag)
Andrea Sawatzki, geboren 1963 in Schlehdorf am Kochelsee, ist eine der vielseitigsten Schauspielerinnen ihrer Generation. Ihre wichtigsten Filme waren Das Experiment, Die Affäre Semmeling, Die armen Millionäre, Helen Fred und Ted und Das Schneckenhaus. Seit 2002 gehört sie als spröde Tatort-Kommissarin Charlotte Sänger auch zu den populärsten deutschen TV-Ermittlerinnen. 2009 erhielt sie den Deutschen Vorlesepreis. Für ihre Interpretation von Daniel Glattauers Roman Gut gegen Nordwind wurde ihr zusammen mit Christian Berkel die Goldene Schallplatte verliehen. Mit Ein allzu braves Mädchen legt sie ihren ersten Roman vor.
Meine Meinung
Da Andrea Sawatzki zu meinen Lieblingssprecherinnen zählt, war ich sehr gespannt auf ihr erstes Buch, das sie noch dazu selbst ungekürzt eingelesen hat.
Gleich vorweg: Meiner Meinung nach ist "Ein allzu braves Mädchen" kein Krimi, zumindestens nicht spannend für jene, die in den letzten Jahren einige der Krimis gelesen bzw. gehört haben, in denen eine junge Frau mit schwieriger Kindheit eine der Hauptfiguren ist. Verfilmt hätte die Handlung durchaus spannend sein können, als (Hör-)Buch war es mir zu verschachtelt und teilweise auch - trotz der nur 187 Minuten - zu langweilig. Im Mittelpunkt steht das Seelenleben der jungen Frau, die polizeilichen Ermittlungen spielen nur am Rande eine Rolle.
Eigentlich sollte ich zwei unterschiedliche Rezensionen schreiben - eine für jene, die eben keine solchen Krimis gelesen haben und eine andere für alle, die dieses Handlungsmuster nicht mehr spannend oder überraschend finden (können).
Die anfangs namenlose Hauptfigur wird verstört im Wald aufgefunden, ohne Papiere und in die Psychiatrie gebracht. Hat sie etwas mit dem Mord an einem älteren Mann zu tun, der in einem Haus ganz in der Nähe gefunden wurde? Schnell wird klar, dass es Zusammenhänge zu geben scheint. Die junge Frau führt mehrere Gespräche mit einer Psychiaterin namens Dr. Minkowa, in denen sie recht schnell wohldosiert Episoden aus ihrer Kindheit und Jugend erzählt, einerseits verstört wirkt, jedoch die Gespräche gut zu kontrollieren scheint. Sie pflegt schon früh den an Alzheimer erkrankten und gewalttätigen Vater, ihre Mutter arbeitet als Krankenschwester und ist deshalb oft nachts nicht zu Hause. Verständlicherweise sehnt sich die junge Frau nach Anerkennung und der Titel "Ein allzu braves Mädchen" ist äußerst passend gewählt, denn ihre Umgebung hat stets erwartet, dass sie brav funktioniert.
Da die Erzählung im Jahr 1992 spielt, gibt es weder Internet noch Handys, die junge Frau wächst sehr isoliert auf, in ihrer kleinen Familie scheint es kaum emotionale Nähe zu geben. Dieses Element des Romans ist mir in guter Erinnerung geblieben - die Darstellung, wie ein Kind bzw. eine Heranwachsende von den Erwachsenen in der Umgebung völlig überfordert wird, ihre elementarsten Bedürfnisse konsequent ignoriert werden.
Andererseits erschien es mir - als Laie - recht unwahrscheinlich, dass sich diese Frau so schnell gegenüber Dr. Minkowa öffnen würde.
Sprachlich bietet die Erzählung nichts besonderes, teilweise sogar recht viele Wiederholungen und abgenutzte Phrasen. In der Papierversion hätte mich dies vermutlich allerdings mehr gestört als beim Hörbuch, denn Andrea Sawatzki liest ihren ersten Roman äußerst einfühlsam, versteht es, passende Nuancen für die gebrochene junge Frau und die Psychologin zu finden.
Fazit
Andrea Sawatzkis Erstling ist das Porträt einer jungen Frau, die schon früh von beiden Elternteilen überfordert wird, Misshandlungen ausgesetzt ist und die sich nach Anerkennung sehnt. Die Autorin stellt die Frage, wie ein Mensch zum Opfer wird und was ihn zum Täter machen könnte, inwieweit manche Schuldfragen sich eindeutig klären lassen.
Da ich die sprunghafte Erzählung weder spannend noch überraschend fand, habe ich das Buch unter "Belletristik" einsortiert und würde es eher jenen empfehlen, die sich für psychologische Hintergründe interessieren, noch nicht viel in diese Richtung gelesen haben und nach einem ausgezeichnet gesprochenen Hörbuch suchen.