Vater, warum hast Du mich verlassen – Jürg Amann

  • Die Autobiografie Jesu Christi


    Verlag: Arche
    Gebundene Ausgabe: 112 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Was geschieht mit einem Menschen, dem durch besondere Zeitumstände, durch Prophezeiungen, in die er hineinwächst, und durch die eigene geistige Veranlagung Göttlichkeit aufgebürdet wird? Antworten auf diese Frage gewinnt Jürg Amann aus den vier neutestamentlichen Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Aus diesen Texten hat Amann die Autobiografie Jesu Christi extrahiert, eine faszinieren-de Erzählung, in der uns einer der berühmtesten Heilsbringer der Menschheitsgeschichte nahekommt wie nie zuvor – ganz im Sinne des Fazits von Pontius Pilatus, dem römischen Statthalter, der Jesus gegen eigenes Ermessen und nur unter dem Druck der Menge zum Kreuzestod verurteilte und ausrief: »Seht, ein Mensch!«<


    Über den Autor:
    Jürg Amann, geboren 1947 in Winterthur, Studium der Germanistik, Literaturkritiker und Dramaturg, seit 1976 freier Schriftsteller (Prosa, Theaterstücke, Hörspiele, Lyrik, Essays). Zahlreiche Preise, u. a. Ingeborg-Bachmann-Preis, Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis, ausgezeichnet bei der Floriana 2002 (für Auszüge aus "Mutter töten").
    Am 05.Mai 2013 ist Jürg Amann nach langer Krankheit gestorben.


    Mein Eindruck:
    Jürg Amanns letztes Buch ist ein ganz erstaunliches. Ein Buch, was vermutlich durch die schwere Krankheit und nahenden Tod des Autors motiviert war. Er erzählt die Autobiografie von Jesus Christus anhand der 4 Evangelien. Jürg Amann verfälscht nichts an Jesus Leben und Werdegang, er übernimmt den biblischen Stil in der Sprache, was den Text umso Glaubhafter macht. Alles ist sehr verdichtet, daher ist trotz der Fülle an Ereignissen wieder ein schmales Buch herausgekommen, dass aber umso mehr eine wuchtige Wirkung beim Leser auslöst, sofern er sich darauf einlässt.

  • Danke für die Rezension. Ich habe das Buch auf meine Wunschliste gesetzt. "Die kalabrische Hochzeit" ist einer meiner Lieblingsbücher.

  • „Ihr aber, was sagt ihr, wer ich bin?“
    Matthäus 16,15b Elberfelder Bibel



    „Die Autobiografie Jesu Christi“ lautet der Untertitel. Eine ziemlich knappe, will mir scheinen, mehr eine konzentrierte Nacherzählung der vier Evangelien ist der Text für mich. Und eigentlich kennt man das ja auch alles schon, das man man doch schon gelesen, in meinem Fall nicht nur einmal, nicht nur in einer Variante sprich Bibelausgabe. Allerdings bringt Amann immer wieder kleine Widerhaken an, etwas, was so (wörtlich) nicht in der Bibel steht, was man eben so, eben anders interpretieren kann, wie der Autor es hier tut. Bei der Hochzeit von Kanaan zum Beispiel (S. 30 ff.), bei der blutflüssigen Frau (S. 35), bei der Verklärung Jesu (S. 62) oder der Geschichte von Lazarus und dem reichen Mann (S. 80). Kleine Abweichungen, manchmal nur ein paar Worte mehr oder weniger, schon wendet sich der Blickwinkel. Geradezu spannend zu lesen die Erklärung, die Jesus im Weiteren gibt auf die Frage, ob Ehescheidung erlaubt sei (S. 67, 68).


    Trotz der Kürze ein sehr ergiebiger Text, den ich gerne gelesen habe. Wer Jesus für Jürg Amann war, weiß ich nun. Dass das Buch meinen Blick auf den „Menschensohn“ geändert oder verstellt hätte, kann ich nicht behaupten; das wird wohl auch nicht unbedingt der Sinn des Ganzen gewesen sein.