Ich liebe dich, aber nicht heute - Gaby Hauptmann

  • Vor ihrer Tätigkeit als Autorin und Journalistin war die 1957 in Trossingen geborene Gaby Hauptmann Chefredakteurin des Privatsenders Seefunk Radio Bodensee und arbeitete bei verschiedenen Fernsehsendern (HR, SWF, VOX) als Produzentin, Regisseurin und Moderatorin. Aus ihrer Feder stammen über 20 Frauenromane, die in mehrere Sprachen übersetzt verlegt und teils verfilmt wurden. Dazu gehören unter anderem Die Meute der Erben, Hengstparade oder auch Suche impotenten Mann fürs Leben. Mit Alexa - die Amazone, dem 1994 erschienenen Debütroman, wandte sich Gaby Hauptmann an ein jugendliches Publikum. An die gleiche Zielgruppe richtet sich auch ihre mittlerweile neun Bände umfassende Buchreihe Kaya - frei und stark.


    Doch zurück zum gerade vor mir liegenden Buch. Auf das kam ich dank diverser Pressemeldungen. Loveletter meinte ein kurzweiliger Frauenroman; die Neue Westfälische urteilte Schon nach wenigen Seiten fühlt sich die Hauptfigur wie eine alte Freundin an. Das klang so gut, dass ich mich nach längerer Pause wieder einmal für einen Hauptmann-Roman entschied.


    Obwohl ich keinen der bisher gelesenen Hauptmann-Romane als tiefschürfende, emotional geladene Lektüre bezeichnen möchte, haben mich alle zumindest auf entspannende Art unterhalten. Einen krassen Kontrast dazu bot mir jedoch Ich liebe dich, aber nicht heute. Und im Bezug auf die Zitate eben: Das Buch zählt weder zu den kurzweiligsten Romanen, die ich in letzter Zeit gelesen habe, noch konnte ich mich mit der weiblichen Hauptfigur anfreunden. Stattdessen spukte mir beim Lesen unweigerlich das Wort Torschlusspanik durch den Kopf. Und mir kam die Redewendung in den Sinn: Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis.


    Genau das macht Liane, besagte Hauptfigur, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Zumindest im übertragenen Sinn. Obwohl sie nicht mehr die Jüngste ist, ist sie noch weit entfernt davon, zum alten Eisen zu gehören. Gut aussehend, beruflich erfolgreich, privat ein gern gesehener Gast bei ihren Freunden. Doch weil ihr in ihrer Beziehung mit Marius ein wenig das Kribbeln abhandengekommen ist, beschließt sie etwas dagegen zu unternehmen.


    Setzt sie auf mehr Spontanität und Romantik? Einen Liebesurlaub? Kauft sie Reizwäsche? Denkt sie sich Rollenspielchen aus? Nein, obwohl Hauptmann ihre Liane durchaus (und im Bezug auf die Autorin völlig überraschend für mich) recht klar beschriebene Sex-Abenteuer etwa in einem Güterwaggon erleben lässt, gestaltet sich deren Versuch, die Beziehung zu retten etwas anders.


    Marius und Liane sollen sich andere Partner suchen, sich verlieben und sich gegenseitig davon berichten. Wirklich betrügen können sie sich so nicht. Soweit so gut. Wer es braucht, kann damit womöglich tatsächlich glücklich werden. Auch wenn die Idee an sich natürlich den Stolperstein birgt, dass derjenige, der sich verliebt, das womöglich ernsthaft tut und gar nicht in die alte Beziehung zurück will. Es gibt einen weiteren Erzählstrang, in dem Liane durch einen dummen Zufall ins Visier skrupelloser Verbrecher gerät. Doch keine Angst, die Autorin hat nicht das Genre gewechselt - der Fokus liegt auf Lianes Versuch, mehr Prickeln in ihr eingefahrenes Leben zu bekommen.


    Bedauerlicherweise kam bei keinem Erzählstrang wirkliche Spannung oder Lesespaß auf. Auch die gerade erwähnten Sex-Abenteuer sind nicht so prickelnd beschrieben, dass sie mich zu einem schnelleren Umblättern animierten. Insgesamt erscheint der gesamte Roman sehr distanziert. Wirkliche Gefühle konnte ich weder bei Liane noch bei Marius, der recht rasch auf Lianes Plan eingeht, entdecken. Sein Plan, sich für Lianes plötzliche Stimmung zu revanchieren, birgt durchaus Potenzial. Dieses verpufft allerdings angesichts der Abgeklärtheit der beiden.


    Positiv zu erwähnen ist jedoch, dass Liane mit ihren anfänglichen Beweggründen nicht völlig aus der Luft gegriffen wirkt. Auch ihre Idee dürften reale Paare schon vorgelebt haben. Doch greifbarer macht das Hauptmanns Hauptfigur nicht. Zu den übrigen Beteiligten ist zu sagen, dass sie samt und sonders eher unscheinbar bleiben, sind sie doch allenfalls schmückendes oder seitenfüllendes Beiwerk für Lianes Egotrip. Emotionen kann man durch die Art der Beschreibung als LeserIn nicht miterleben und bleibt außen vor. Ich weiß zwar, dass die Hauptfigur vom Bodensee nach England, von dort ganz spontan nach Italien und zurück an den See, kurz nach Ibiza und wieder zurück an den See flattert, doch mitgerissen hat sie mich nicht. Zu trocken gestaltete sich in diesem Zusammenhang manchmal auch die Beschreibung der Handlungsorte.


    Der zweite Erzählstrang könnte spannend sein, wirkt aber im Hinblick auf Lianes Verhalten schlicht unglaubwürdig. Gerät sie in Panik? Das sollte man angesichts der Ereignisse annehmen. Doch bei Liane hält die Panik gerade mal so lange vor, bis sie sich daran erinnert, dass sie doch eigentlich etwas erleben möchte. Ihre amourösen Abenteuer scheinen nicht nur wichtiger als ihre Arbeit oder ihre Beziehung zu sein, ihr Leben an sich nimmt in etwa den gleichen (niedrigen) Stellenwert ein.


    Die Intention hinter der Aktion - Leben in die leicht abgestandene Beziehung von Liane und Marius zu bringen - erscheint verwaschen. Hauptmanns Beschreibungen lassen Liane wie jemanden wirken, der einfach nichts mit sich anzufangen weiß. Der Angst hat etwas zu verpassen, ohne wirklich verzweifelt darüber zu sein. Und angesichts der Retourkutsche von Marius sollte man annehmen, dass es da mehr zu schreiben gäbe. Allerdings beschreibt die Autorin die Segeltour eingangs wesentlich ausführlicher, als das klärende Gespräch zwischen Liane und ihrem Partner, bevor sie das Ende rosarot angehaucht ausklingen lässt.


    Fazit: :lesend :lesend :lesend


    Lebendige, spritzige Dialoge hätten die eine oder andere Länge übertünchen können, doch die habe ich in dem Buch meist vergeblich gesucht. Wesentlich öfter fand ich zähe Überlegungen, Plattitüden und leicht pseudo-philosophische Schwafeleien. Ein Buch, in dem sich blasse Charaktere in der seicht vor sich hinplätschernden Handlung eher treiben lassen als agieren. Irgendwie hatte ich meine anderen Hauptmann-Romane unterhaltsamer und peppiger in Erinnerung.


    Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

    Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.
    Mark Twain

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