Eulen international oder funktioniert multi-kulti wirklich (nicht)?

  • Unter den Eulen gibt es User aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Mexiko, Kanada, etc. etc. (ich hab bestimmt wieder einige vergessen). Es treffen sich also hier doch viele Leute aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern und mit recht verschiedenen Lebensumständen und Weltanschauungen.


    So eine kleine Form von multi-kulti könnte man fast sagen. Nur ist multi-kulti in letzter Zeit gerade durch die Parolen der konservativen Parteien (mal wieder) mit sehr negativen Eigenschaften belegt worden.


    Sind multi-kulturelle Gesellschaften wirklich eine Sackgasse? Warum sollte das, was in einem I-Net-Forum im winzig kleinen Maßstab ganz passabel funktioniert, nicht auch auf größere Maßstäbe übertragen klappen? Oder sind wir gar erst am Beginn dieser größeren Maßstäbe und die Schwarzmalerei mancher Zeitgenossen ist nur das Festhalten an überkommenen Vorstellungen?


    Seht Ihr multi-kulturelle Gesellschaften eher als erstrebenswertes Ziel, als sinnvolle Weiterentwicklung der Zivilisation an, oder tendiert Ihr eher dazu, daß eine Vermischung der Kulturen mehr Nach- als Vorteile für alle ergibt?


    Gruss,


    Doc

  • Zunächst muss man sagen, dass ein unterschied zwischen einen i-net forum und dem realen Leben besteht. Im Forum sehe ich die Herkunft nicht und so denke ich auch an kein Vorurteil (nicht meine meinung; eine reine festellung). Im Grunde ist es ja wie, wenn eine Katze und ein Hund aufeinander treffen (manche Kulturen unterscheiden sich so sehr). Sind die beiden zusammen aufgewachsen, kennen sie sich und akzeptieren einander. Treffen sie zufällig aufeinander kann das schwierigkeiten geben (vor allem für die Katze).
    Dann die Frage, wie es zu dem multi-kulti kommt...
    ist es erzwungen, wie (krasses beispiel) in Israel, wo zwei Völker versuchen sich ein Land zu "teilen"
    oder ist es, wie hier, wo man eben einwandern kann (nicht immer kam der zuwachs in DE so zu stande)


    friedliches Multi-kulti finde ich gut! wenn leute es schaffen zusammen zu leben und dadurch eine art neue Kultur zu schaffen, ist das doch eine bereicherung.
    wenn die Leute aber in ihren Ansichten engstirnig sind und die meinung des anderen nicht akzeptieren oder zumindest tolerieren können und dann noch den anderen zu verändern (zb bekehren) wollen, dann bringt das nur Probleme und ist ein "schlechtes" Multkulti, in meinen Augen.

  • Ich sehe es ähnlich wie Ironie. Das Zusammenleben im Forum klappt deshalb so gut, weil jeder in seinem Kulturkreis bleibt und lediglich mit den andern kommuniziert. Anders wäre es vielleicht, wenn die Angehörigen dieser Kulturen auf engem Raum real zusammen wären.
    Ein Multi-kulti-Gesellschaft ist nicht erstrebenswert. Jede Kultur hat ihre Eigenheiten, die spezifisch auf den Raum bezogen sind, in dem sie entstand. Diese Gegebenheiten auf eine andere Region zu übertragen wäre grober Unfug. Viel besser finde ich es, durch häufigen Kontakt befruchtend auf die jeweilige andere Kultur einzuwirken und damit ein langsames gegenseitiges Angleichen zu erreichen.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • hier im forum treffen sich gleichgesinnte - nicht gleichgeschmackliche - und haben somit eine gemeinsame basis! und auch hier prallen ja manchmal die meinungen ganz schön aufeinander...
    ich glaube auch nicht, dass diese leute hier aus dem forum im wirklichen leben arge probleme miteinander hätten. sicher würden nicht gleich alle die dicksten freunde werden, aber man würde miteinander klarkommen.


    und ich glaube auch, dass so etwas im größeren maßstab möglich wäre, wenn es das gäbe, was wir hier haben: dialog!



    bo


  • nachteile? auf dauer nur für unflexible.

    "Ein Buch ist wie ein Spiegel: Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Weiser herausschauen."(Lichtenberg)

  • Hallo,


    ja Multikulti ist und wäre schön, leider nicht im Alltag zu verwirklichen.


    Ich habe gute Freunde aus allen Ecken der Welt, bin also wirklich nicht rassistisch oder... äh, warum entschuldigt man sich in diesem Land immer, wenn man Kritik an ausländischen "Mitbürgern" übt?


    Ich lebe sozusagen auch der Front. Im absoluten Brennpunkt unserer Stadt.
    Als ich jünger war, da hatte ich Probleme mit Türken. Zweimal in meinem Leben bin ich haarscharf an einer Vergewaltigung vorbeigeschrammt, jedesmal Türken, es war am frühen Morgen auf dem Weg in die Schule und einmal am hellen Nachmittag auf einem ganz normalen Spazierweg - ist auch nicht mein Stil halbnackt durch die Gegend zu laufen.


    Jetzt bin ich etwas älter und die Türkenbürschchen, die sich austoben wollen, bevor sie ihre Jungfrau heiraten haben das Interesse an mir verloren.


    Jetzt stehe ich vor dem Problem, der etwa gleichaltrigen oder älteren Russen. Vor meinem Haus ist eine kleine Grünanlage, die bei Hochhäusern vorgeschrieben ist - als kleiner trister Spielplatz.
    Kinder sieht man dort nicht. Jugendliche, die regelmäßig vom Notarzt wegen Überdoses abgeholt werden, die mit Baseball-Schlägern und Messern protzen schon.... Sogar Spuren einer heimlichen nächtlichen Geburt gab es da schon im Sandkasten.
    Ich lebe dem gegenüber in einem Einfamilienhaus. Diesen Winter bin ich abends um 19 Uhr noch schnell zum Auto gegangen - plötzlich bauten sich zwei völlig betrunkene "Deutsch-Russen" (sorry, so nennen sie sich selbst, ob sie nun aus Kasachstan oder der Ukraine stammen) vor mir auf - und begrüßen mich mit einem schwammigen, grinsenden "Guten Abend" - Ich weiß nicht was passiert wäre, wenn mein Nachbar nicht auch gerade von der Arbeit gekommen wäre - aber so schnell, wie die weg waren, hatten die nicht vor mir nur einen schönen Abend zu wünschen.


    Im Supermarkt werde ich nicht verstanden, das Mädchen aus der Nachbarschaft das mich "adoptiert" hat, wurde früher ausgeschimpft, weil es immer zu "der Deutschen" läuft (inzwischen rufen sie mich wegen jedem Behördenschrieb an - ich bin ganz brauchbar).


    Sorry, aber das hat nichts damit zu tun, ob ich mit einem Mexikaner, Afrikaner, Russen oder Türken über Bücher spreche.
    Ich spreche von Leuten, die gar keine Bücher kennen und froh sind, wenn sie die Aufschrift auf ihrer Schnapfsflasche richtig identifizieren können.


    Diese Menschen empfinde ich persönlich als Bedrohung.


    Sorry, wenn das jetzt sehr platt klingt, es ist nur mein alltägliches Leben, sobald ich vor die Türe gehe.


    Liebe Grüße


    Buchling

  • nein, buchling, es klingt nicht platt, finde ich.
    es klingt nach deinem realen erleben und empfinden und macht (mich zumindest) betroffen.
    aber ich glaube, dass es nicht immer so bleiben wird.

    "Ein Buch ist wie ein Spiegel: Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Weiser herausschauen."(Lichtenberg)

  • Diese Wort "Multi-Kulti" gibt es nur im deutschsprachigen Raum mit einer emotionalen Bedeutung.


    Die Kultur (im Sinne vom englischen Civilisation) ist zwar eine Eigenart, aber viel wichtig ist der sozioökonomische Hintergrund. Die Nationalität oder Abstammung zu einer ethnischen Gruppe wird nebensächlich, wenn man andere Gemeinsamkeiten findet. Sobald man gleiche Interessen, Hobbies und ähnliche familiäre Strukturen hat, kann man aufeinander zugehen, miteinander Spass haben, auch mal diskutieren ohne dass jemand dies als persönlichen Affront sieht und u.U. sogar heiraten.


    Wieso gilt es als ungeschriebenes Gesetz, dass man beim Small Talk nicht über Politik, Religion oder Sport sprechen soll? Es soll die Komunikation fördern und bei vorgenannten Themen bilden sich häufig emotionale Differenzen.


    Zu Buchlings Erfahrungen: Solche unkultivierte und sozial benachteiligte Menschen, die sich ihre Bestätigung oder Wünsche durch andere Massnahmen als durch Kaufen oder Verdienen erlangen wollen, gibt es in jedem Kulturkreis und ich merke, dass ich bei einem gewissen Auftreten bestimmter Leute meine Autoschlüssel zu einer Waffe forme und mich auf eine körperliche Auseinandersetzung vorbereite, auch wenn diese vielleicht harmlos sind.

  • Buchlings Erfahrungen sind ja kein Einzelfall. Es ist doch fast die Regel, daß Zuwanderer meist den sozial benachteiligten Gruppen angehören. Sicher, es gibt auch andere, die fassen aber recht bald hier Fuß. Zur Zeit betreue ich einen Perser - auf diese Herkunftsbezeichnung legt er großen Wert -, der sich zwei Geschäfte aufgebaut hat und immer bestrebt ist, sein Deutsch zu verbessern. Er gehört auch zu der Sorte Mensch, die sich eben nicht absondert, sondern auf andere zugeht. Mag sein, daß es damit zusammenhängt, daß er Christ ist.
    Ich kenne auch andere Iraner (Schiiten), auf die das Verhaltensmuster der Türken ebenso paßt. Und genau da beginnen die Probleme.
    Hier im Saarland hat man normalerweise keine Abneigungen gegen Fremde, haben wir doch selbst mehrfach die Nationalität geändert. Trotzdem lehnen wir im Allgemeinen einen kulturellen Eintopf ab. Wir möchten unsere saarländische Identität behalten und weiterhin pflegen. Wer sich hier niederläßt, von dem wird erwartet, daß er Lyoner und Schwenker ebenso annimmt wie die Sprache. :grin

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood
    Nur ist multi-kulti in letzter Zeit gerade durch die Parolen der konservativen Parteien (mal wieder) mit sehr negativen Eigenschaften belegt worden.


    Sind multi-kulturelle Gesellschaften wirklich eine Sackgasse? Warum sollte das, was in einem I-Net-Forum im winzig kleinen Maßstab ganz passabel funktioniert, nicht auch auf größere Maßstäbe übertragen klappen? Oder sind wir gar erst am Beginn dieser größeren Maßstäbe und die Schwarzmalerei mancher Zeitgenossen ist nur das Festhalten an überkommenen Vorstellungen?


    Seht Ihr multi-kulturelle Gesellschaften eher als erstrebenswertes Ziel, als sinnvolle Weiterentwicklung der Zivilisation an, oder tendiert Ihr eher dazu, daß eine Vermischung der Kulturen mehr Nach- als Vorteile für alle ergibt?


    Wenn ich so an die "Vereinigten Staaten von Europa" denke, kann es bis zu einem gewissen Grad nur die Zielsetzung einer multi-kulturellen Gesellschaft geben.


    "Bis zu einem gewissen Grad" deswegen, weil es heute noch Unterschiede zwischen Friesen und Bayern gibt. Eine gewisse lokal eigenständige Kultur, auf die man sich einlassen muss, wird es immer geben.


    Das größte Hindernis wird wohl noch längere Zeit die Sprache sein.


    Aber sogar Amis haben es zwischenzeitlich kapiert, dass, wenn sie sich länger in Deutschland aufhalten wollen, ein Grundstock der deutschen Sprache das Alltagsleben erheblich erleichtert.


    Das ist übrigens auch ein nicht unwichtige Sache bei den Eulen, denn sie sind ein deutschsprachiges Forum und wer dieser Sprache nicht leidlich mächtig ist, hat hier kaum eine Chance eine vollwertige Eule zu werden, sondern wird ein "Außenseiter" bleiben, da sich nicht alle mit ihm unterhalten können.


    Daraus ergibt sich für mich eine Voraussetzung für eine multi-kulturelle Gesellschaft - eine gemeinsame Sprache. Ohne sie ist keine Verständigung, kein Verständnis möglich, warum das, was für den einen "gut" ist, für den anderen "zum ko.." ist.


    LG Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • dyke : Du verwechselst ethnische Eigenheiten mit Kulturen, welche in anderen Sprachen mit Civilisations übersetzt wird (typisch deutsche Eigenheit). Europäer, Amerikaner (von Canada bis Chile), Ozeanier und Südafrikaner leben mehr oder minder im gleichen kulturellen Raum oder in sehr afinen Kulturräumen. Sie haben die gleichen religiösen/ethischen Wurzeln auf denen übrigens die Rechtssysteme aufbauen, schätzen die gleiche Freizügigkeit der einzelnen Personen und haben viele Werte, die sie einander ähnlich machen.


    Andere Kulturen, insbesondere die islamische Welt, haben ein anderes Wertesystem, wo einem Individuum weniger Freiheiten eingeräumt, bzw. zugestanden werden, wo ein Familienverband mit einem Clan oder einem Stamm gleichgesetzt wird und das Clanoberhaupt die Entscheidungen für die Gruppe trifft.


    Dieses Abschotten, welches man in Europa besonders bei armen Migranten findet, ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Unterschiede aufgrund mangelnder Bildung noch extremer wirken, es gibt keine gemeinsamen Nenner.


    Ich bin sicher, dass viele meiner Verhaltensweisen für einen normalen Mitteleuropäer unverständlich sind, aber dadurch dass ich mich in der jeweiligen Sprache ausdrücken kann und auch die Normen verstehe und akzeptiere, falle ich weder unangenehm auf noch stosse ich auf Ablehnung, weil ich die Situation erklären kann und auch nachvollziehen kann, dass es in anderen Orten andere Verhaltensweisen gibt, die aufgrund anderer Lebenssituationen so geformt wurden, und, und das ist sehr wichtig, ich es mir nicht anmasse meine eigene Kultur über die Kultur des Gastlandes oder die Kultur meiner Bekannten zu stellen und diese nicht als minderwertig zu ignorieren.

  • Es kann nicht funktionieren, seit Jahrhunderten werden Juden vefolgt, obwohl sie sich angepasst haben. Es werden dunkelhäutige werurteilt, obwohl sie besser deutsch sprechen, als wir. Es ist aber auch so, daß ich einen Russen kennengelernt habe, der kaum Deutsch sprach, und die Türksche Familie, die unter Ihm wohnte, perfektes Deutsch, die Frau kein Kopftuch, trug eher Jeans, usw. Dieser Russe meinte zu mir

    Zitat

    Ich hier ausziehen, unter mir Türken eingezogen


    Das finde ich sehr traurig

    Du mögest arm sein an Unglück und reich sein an Segen, langsam im Zorn, schnell in der Freundschaft. Doch ob arm oder reich, langsam oder schnell, nur das Glück sei dein Begleiter von heute an
    Irisch

  • In meinem Ex-Job hatten wir Leute aus zwanzig verschiedenen Nationen in einem Raum und in meinem Team: zehn Leute aus sieben Ländern. Dazu noch Standleitungen zu unseren Filialen im Ausland. Ich hab gerne in so einem internationalen Unternehmen und in einer "Multi-Kulti"-Abteilung gearbeitet und möchte auch nach meinem Studium wieder in so einer Firma arbeiten. Ich finde das einfach wahnsinning spannend, zu schauen, wo es Unterschiede gibt, und dann auch mal darüber zu reden, aber auch Gemeinsamkeiten zu finden, zum Beispiel hab ich festgestellt, dass wir häufig dann ja doch über dieselben Dinge grinsen müssen. :lache Ob ich mich mit jemandem verstehe oder nicht hat nicht unbedingt etwas mit dem gemeinsamen kulturellen Hintergrund zu tun.


    Ich wohne auch in einem Multi-Kulti-Stadtteil und in einem Multi-Kulti-Haus. Meine Nachbarn aus dem gleichen Stockwerk sind aus Algerien und schon etwas älter, der Frau schlepp ich immer eine ihrer Einkaufstaschen rauf, wenn wir uns im Treppenhaus treffen und ich eh den gleichen Weg habe und einfach fitter bin. Freut sich immer total. Am Anfang waren die ja beide super-zurückhaltend, aber inzwischen haben wir einen wirklich netten Kontakt. :knuddel1


    Ich lieb ja multi-kulti, ich seh das als Bereicherung. :anbet


    lg Iris