John Burnside: In hellen Sommernächten

  • John Burnside: In hellen Sommernächten
    Albrecht Knaus Verlag. 384 Seiten
    ISBN-13: 978-3813504606. 19,99€

    btb Taschenbuch erscheint am 10.3.2014
    ISBN 978-3-442-74667-5
    Originaltitel: A Summer of Drowning
    Übersetzer: Bernhard Robben


    Verlagstext
    Hoch oben im Norden, wo im Sommer das weiße Licht alle Konturen verwischt, ertrinken auf rätselhafte Weise junge Männer. Doch das scheint die wenigen Bewohner der Insel am Polarkreis nicht zu beunruhigen: Mehrdeutiges und Traumhaftes ist ihnen vertraut. Aber hat wirklich die rotgewandete Waldfee Huldra ihre Hand im Spiel, wie es die Sage behauptet? Die junge Liv, die mit ihrer berühmten Mutter am nördlichsten Rand der Insel lebt, glaubt zunächst nicht daran. Bis der alte Kyrre mit seinen Geschichten über die männermordende Huldra und die schöne, mysteriöse Maia ihre Vorstellungskraft beflügeln. Gelingt Liv die Lösung des Rätsels, oder verliert auch sie sich in einer Zwischenwelt aus Fantasie und Realität?


    Der Autor
    John Burnside, geboren 1955 in Schottland, ist einer der profiliertesten Autoren der britischen Gegenwartsliteratur. Der Lyriker und Romancier wurde vielfach ausgezeichnet.


    Inhalt
    Livs Mutter ist Malerin und hat sich auf eine Insel nördlich des Malangenfjords in Norwegen, auf Höhe des 70. Breitengrades zurückgezogen. Offiziell ist die Mutter wegen des besonderen Lichts im Norden auf die Insel gekommen. Der Klappentext lässt vermuten, dass sich das Buch hauptsächlich um übersinnliche Ereignisse dreht; denn im Sommer nach Livs Schulabschluss ertrinken innerhalb kurzer Zeit ein Klassenkamerad und dessen Bruder, mehrere Erwachsene verschwinden spurlos. Das ungeklärte Verschwinden dieser Personen ist Anlass für Liv, sich mit dem Abstand von 10 Jahren an die Ereignisse vor deren Verschwinden in jenem Sommer auf der Insel zu erinnern. In Livs Welt gibt es außer ihrer Mutter nur den alten Nachbarn Kyrre, der eine winzige Hütte an Sommergäste vermietet und sich wie ein Ersatzvater um Liv kümmert. Kyrre ist nicht nur dafür zuständig, Liv zur Schule zu fahren, er ist einziger Ansprechpartner des Mädchens, wenn die Mutter nächtelang in ihre eigene Welt abtaucht. Kyrre erzählte der kleinen Liv Märchen von Trollen, Wichteln und Wassergeistern, darunter auch die Geschichte der "Huldra", an die Kyrre fest glaubt, die junge Männer ins Verderben locken kann. Da sich niemand erklären kann, warum zwei junge Männer von einem Boot aus verschwinden sollten, drängt sich nicht nur Kyrre der Gedanke auf, die Jungen wären von der Huldra fortgelockt worden.


    Das besondere Licht des Norden prägt diesen Roman, aber auch der regionale Aberglaube. Auf der Höhe des nördlichen Polarkreises, wo zu Beginn des Sommers der Boden noch gefroren ist, führen endlose Winter zu Depressionen und die langen hellen Sommernächte zu sonderbaren Gefühlsüberschwängen. Livs Lebensumstände wirken bizarr. Über Livs Vater verweigert die Mutter jede Auskunft; Liv glaubte bisher, er habe die Familie verlassen. Regelmäßig erhält die Mutter den Besuch von "Freiern", die sie in züchtiger Distanz alle gemeinsam zum Kaffee einlädt. Liv wirkt wie ein von der Mutter hinterlassener Abdruck ohne eigene Persönlichkeit. Sie hat keine Idee, was sie mit ihrem Leben anfangen möchte, keinen Ferienjob, keine eigenen Interessen und Ziele. Den Sommer verbringt die Achtzehnjährige damit, Kyrres Sommergast mit dem Fernglas nachzuspionieren und den Fährschiffen nachzublicken. Livs Passivität, mit der sie die Entscheidungen ihrer bestimmenden Mutter hinnimmt, beunruhigt und treibt die düstere Stimmung um den Tod der beiden Jungen auf die Spitze. Im Grenzbereich zur Depression glaubt man, der dunklen Seite in Burnsides einzelgängerischen Personen sehr nah zu sein.


    Fazit
    Seit den unheimlichen Ereignissen sind inzwischen 10 Jahre vergangen. Liv ist noch immer eine junge Frau, der ich die kunstvoll ziselierte Sprache mit ihrem Netz aus Nebensätzen nicht abgenommen habe. Selbst wenn Liz in ihrer Jugend sonderbar war, lässt Burnside aus ihr eine viel älter wirkende Person sprechen. Das Setting des Romans, Liz problematisches Erwachsenwerden, die fließenden Übergänge zu psychischen Störungen und Burnsides Sprache haben mich - jedes für sich - fasziniert und lange beschäftigt; die Erzählerstimme harmonierte für meinen Geschmack jedoch nicht mit Liz Persönlichkeit und konnte deshalb die Einzelkomponenten nicht zusammenhalten.


    8 von 10 Punkten

  • Der Klappentext klang vielversprechend und so war ich sehr neugierig auf dieses Buch. Junge Männer ertrinken, eine mysteriöse Sagengestalt könnte dafür verantwortlich sein. Das klang nach Mystery, Spannung, Geheimnis. Aber leider habe ich davon kaum etwas im Buch gefunden.


    Die Sprache, die der Autor benutzt, ist wunderschön. Da gibt es nichts zu meckern. Die Beschreibungen der Orte, der Gefühle sind bemerkenswert. Allerdings machte er um alles viel zu viele Worte. Er bringt es nicht knackig auf den Punkt, sondern macht eine ganze Seite aus der Beschreibung. Oder auch zwei oder drei. Die Handlung steht praktisch auf der Stelle. Ja, es ertrinken zwei Jungs, aber wen interessiert es? Noch nicht mal unsere Beobachterin Liv, die mit ihrer Mutter, eine wunderschöne Malerin, auf den entlegenen Inseln lebt. Sie nimmt diese Todesarten wahr und wägt sich ab, vor allem in Betracht der Aussage eines Nachbarn, der denkt, die Sagengestalt der Huldra hätte die Jungen geholt. Aber eigentlich ist das alles nebensächlich, denn es geht nur um die Sprache, um die Beschreibung. Eine Storyline sucht man hier vergeblich. Liv vertrödelt ihre Tage am liebsten mit Bildbandgucken oder aus dem Fenster starren. Sie überdenkt alles dreimal, aber reden oder interagieren tut sie sehr ungern. So findet die meiste Handlung in ihrem Kopf statt, wo sie alles dreht und wendet und allem eine tiefere Bedeutung zumisst. Das gipfelt dann später in einem Hotelaufenthalt, wo sie flüchtige Begegnungen mit dem Hotelpersonal aufs extremste analysiert und bewertet. Das ist absolut übertrieben. Das Buch besteht nur aus Äußerlichkeiten. Schöne Worte, schöne Stimmung, schöne Landschaft. Die Einsamkeit am Polarkreis, dieses andere Leben dort. Die komplexe Innenwelt einer 18jährigen. Das hat alles seinen Reiz, aber dieses extreme Bewerten und Ausloten jedes Wortes, jedes Satzes, jedes Blickes ist für meinen Geschmack einfach zu viel. Vor allem, da das alles vor der Geschichtenerzählung steht. Es passiert zu wenig, und was passiert, bleibt im mystischen, im ungenauen. Ich konnte mit diesem Buch und dieser Art des Erzählens leider nicht so viel anfangen. Das war alles so weit von der Realität, ohne jedoch wirklich phantastisch oder mysteriös zu sein. Es passiert einfach – nichts. Das Buch ist entsetzlich passiv. Ich weiß nicht, was mir da erzählt werden sollte. Der Klappentext hatte mir eine Art Krimi versprochen. Bekommen habe ich ein wunderschön geschriebenes, aber inhaltsloses Buch ohne jede Spannung. Vielleicht bin ich einfach der falsche Leser, hatte falsche Erwartungen. Für mich war dieses Buch einfach ein handlungsloses Buch mit viel zu vielen Worten.