Der ideale Leser?

  • Liebe Eulen,


    ich beabsichtige einen Essay zu schreiben, mit dem Thema "Der Leser".
    Mich würden deshalb eure Ansichten und Meinungen interessieren. Wie seht ihr den "idealen Leser"? Welche Eigenschaften und Fertigkeiten müsste er haben, was betrachtet ihr als wichtig, welche Kriterien würdet ihr aufstellen?


    Ich bin schon sehr gespannt auf eure Antworten!


    Lg, Rosha :wave

  • Es kommt darauf an - aus wessen Sicht der Leser ideal sein soll.


    - Ein Kind, dass sich selbst mit einem Buch beschäftigen kann, ohne nach Eis, Cola oder Spielekonsole zu jammern, ist ein idealer Leser.
    - Wer als Berufspendler jede mögliche Minute mit einem Schmöker oder seinem Reader nutzt, ist sicher ein leidenschaftlicher Leser.
    - Wer sein gerade ausgelesenes Buch in gute Hände weitergeben oder wenigstens einen anderen ebenso begeisterten Leser dafür finden möchte, ist ein Leser mit Sendungsbewusstsein.
    - Für die inhabergeführte Buchhandlung ist vermutlich ein experimentierfreudiger Vielleser der ideale Leser.
    - Für einen Autor wäre es vielleicht ein zufriedener Leser, der sich wohlwollend zu dessen Buch äußert.


    :lesend

  • Zitat

    Original von Buchdoktor
    Es kommt darauf an - aus wessen Sicht der Leser ideal sein soll.


    Wie nicht anders zu erwarten, hast du natürlich sofort den Knackpunkt ewähnt. ;-)
    Trotzdem, gibt es Eigenschaften, die bei allen diesen aufgeführten Leserbeispielen vorhanden sein sollten?


    @ Voltaire
    ... und komm mir jetzt nicht wieder mit dem Hinweis, dass auch alle lesen können sollten... :grin DAS setzt der Begriff "Leser" nun wirklich voraus. :chen


    Wie wichtig ist es, dass der Leser ein Gespür für Grammatik und Rechtschreibung hat?
    Braucht ein Leser Fantasie?
    Wie wichtig ist die Neugier beim Leser?
    Toleranz?

  • Mein idealer Leser hört die Editors, Interpol, The National und Die Ärzte, schaut "Breaking Bad" und "Tatort" im Fernsehen, vermisst "Dr. House", war mal Trekkie, wäre es aber gerne immer noch, trinkt in Maßen Bier, ist Gesellschaftsraucher, spielt mit Modellhubschraubern, steht notgedrungen früh auf, geht aber bevorzugt spät ins Bett, mag Menschen, hasst Rücksichtslosigkeit, Pauschalurlaube und Extremisten, fühlt gelegentlich die Last der ganzen Welt auf sich, kann aber auch total kindisch sein, ohne sich dafür zu schämen, liebt mit großer Hingabe, ist ein loyaler Freund, lässt sich ungern verarschen, kann zwischen Nächstenliebe und Altruismus unterscheiden, findet Wahlen eigentlich überflüssig, geht aber trotzdem hin, macht sich Sorgen über die Globalisierung und kann stundenlang untätig auf einer Frühlingswiese liegen. Und er liest gerne meine Bücher.


    Oder habe ich die Frage falsch verstanden? ;-)

  • Zitat

    Original von Tom
    Oder habe ich die Frage falsch verstanden? ;-)


    :rofl Nein Tom, deine Antwort war perfekt! Jetzt würde ich unter der Hand nur noch gerne wissen, ob dieser ideale Leser dein Kumpel ist oder du selbst... :grin


    Danke fürs Mitmachen! :wave

  • Mein/e ideale/r Leser/in kann denken und ist in der Lage, "gute Literatur" zu erkennen, ist leidenschaftlich und setzt sich für Bücher ein, darf beim Lesen großer Werke ebenso scheitern wie auch mal eine Träne wegdrücken, läuft keinem Trend hinterher und hebt Schätze aus der Versenkung und ist bereit, für ein antiquarisches Buch tiefer in die Tasche zu greifen, lässt sich von Verlagen nicht verarschen und erwartet trotz Fiktion eine Aufrichtigkeit des Schriftstellers, rollt der schreibenden Zunft keinen roten Teppich aus und billigt ihr auch nicht den Nimbus schreibender Halbgötter zu, betet innerlich aber doch gewisse Schreiberlinge an.

  • Ich muss zugeben ich verstehe die Frage auch nicht, oder vielleicht will ich sie auch nicht verstehen, denn sie impliziert für mich, das einige Leser 'wertvoller' oder 'besser' sind als andere. Lesen ist aber meiner Meinung nach eine sehr private Sache, auch wenn das Forum dies manchmal vertuschen mag, und es sollte jeder ein Recht darauf zu haben nicht nur zu lesen was er will, sondern auch zu lesen wie er will. ;-)

  • Zitat

    Original von ScoobyDoo
    Ich muss zugeben ich verstehe die Frage auch nicht, oder vielleicht will ich sie auch nicht verstehen, denn sie impliziert für mich, das einige Leser 'wertvoller' oder 'besser' sind als andere.


    Meine Frage ist lediglich das Leder. Wer sich selber einen Schuh draus macht, der ihn drückt, kann ihn wieder ausziehen. ;-)


    Natürlich gibt es gute und schlechte Leser, genauso wie es gute und schlechte Autoren gibt. Die Unterschiede liegen in den jeweiligen Definitionen und die versuche ich hier in Bezug auf den Leser auszuloten.


    Für dich ist also der ideale Leser jener, der sich vornehm zurückzieht, ScoobyDoo? Das habe ich mich in der Tat auch schon gefragt. Wäre der ideale Leser nicht der, der einfach nur liest und es dann gut sein lässt? Der andere nicht mit seiner Meinung über Gelesenes belästigt, dem Autor eventuell durch eine schlechte Rezi Magengrimmen verursacht?


    Mit Sicherheit ein Ansatz über den es sich nachzudenken lohnt. Danke für deine Beteiligung! :wave

  • Zitat

    Original von Rosha
    Natürlich gibt es gute und schlechte Leser, genauso wie es gute und schlechte Autoren gibt. Die Unterschiede liegen in den jeweiligen Definitionen und die versuche ich hier in Bezug auf den Leser auszuloten.


    Das ist das nächste was ich nicht verstehe, wie kann man in gute und schlechte Leser unterscheiden...also was soll ich darunter verstehen.


    Im Grunde unterschreibe ich bei ScoobyDoo...ich lese einfach und freue mich über ein gutes Buch, dass mich fesseld und vorrübergehend aus der Realität entführt.


    Aber sollte die Frage dann nicht heißen 'Was ist ideales Lesen?'

  • Der ideal(isiert)e Leser geht völlig unvoreingenommen auf jegliche Literatur zu, lässt also jede Geschichte auf sich wirken, als wäre es die erste, die er jemals gelesen hat. Er kategorisiert nicht und weiß, dass sich Ernsthaftigkeit und Unterhaltung nicht ausschließen müssen; er kennt keinen Kanon, ignoriert Bestenlisten und Besprechungen. Er lässt sich auf Gefühle ein, ist empathisch, liebt außerdem den sorgsamen Umgang mit der Sprache. Er begrüßt es, etwas lernen zu können, seinen Horizont also zu erweitern, kann sich aber auch in aller Sorglosigkeit auf genussvoll dargereichte Alltäglichkeiten einlassen, sich amüsieren und mit den Figuren leiden. Er begreift die Geschichten als ganzes und verzichtet darauf, sich über Nebensächlichkeiten über die Maßen aufzuregen. Er liest, um zu lesen. Nur das. Und er mag es nicht, verarscht zu werden.

  • Zitat

    Tom: ... Und er mag es nicht, verarscht zu werden.


    Jetzt verstehe ich, warum dir Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand ... nicht gefallen hat.

  • Zitat

    "Lesen heißt durch fremde Hand träumen."


    Das steht auf einem Lesezeichen, das ich gerade in der Hand halte und es stammt von Fernando Pessoa.
    Wenn mir das gelingt, fühle ich mich als idealen Leser, empfinde ich höchsten Lesegenuss.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

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  • In meinem Verständnis gibt es nicht allgemein DEN IDEALEN LESER, der sich durch irgendwelche Eigenschaften auszeichnet, sondern es gibt für jedes einzelne Buch einen idealen Leser. Das ist dann der, der sich mit Geschichte und Thema identifizieren kann und das Buch trotz (eventueller) Kritikpunkte dennoch liebt. Den die Geschichte begleitet und der in die Worte eintaucht. Deswegen braucht jedes Buch seinen eigenen idealen Leser.