A. M. Homes - Das Ende von Alice

  • Klappentext:
    Als A.M. Homes’ Roman Das Ende von Alice 1996 in den USA erschien, sorgte er für heftigste Diskussionen, die selbst bis nach Deutschland überschwappten. Kein Verlag traute sich damals, das Buch auf Deutsch herauszubringen. Heute gehört A.M. Homes zu den anerkanntesten Schriftstellerinnen der Gegenwart, und es wird Zeit, diesen verstörenden, aus der Sicht eines pädophilen Kindermörders erzählten Text auch hierzulande zu entdecken.


    Seit 23 Jahren sitzt Chappy, der Erzähler des Romans, im Gefängnis, er verbüßt eine lebenslange Haftstrafe für den Mord an der zwölfeinhalbjährigen Alice Somerfield und hofft auf baldige Freilassung. Im Gefängnis erhält er Briefe von einem neunzehnjährigen Mädchen, das vorgibt, Chappy zu bewundern. Sie selbst verbringt die Sommerferien in ihrem Elternhaus und hat ein Auge auf den zwölfjährigen Nachbarjungen geworfen. Zwischen Chappy und dem jungen Mädchen entwickelt sich eine Brieffreundschaft, die um Begehren und Perversionen kreist. Das Perfide und eigentliche Skandalon dieses Romans ist neben den zahllosen geschilderten Widerwärtigkeiten die konsequent durchgehaltene Perspektive eines Menschen, dem es normal erscheint, Kinder sexuell zu begehren.


    Das Ende von Alice ist ohne Zweifel ein hochkontroverser Roman, in seiner Wirkung vergleichbar mit Bret Easton Ellis’ American Psycho. Und wie dieser eine literarische Herausforderung.



    Rezension:
    Chappy sitzt seit über 20 Jahren im Knast, denn ihm wurde der Mord an der zwölfeinhalbjährigen Alice Somerfield zur Last gelegt. Wie viele andere Insassen auch, bekommt auch Chappy regelmäßig "Fanpost", die er allerdings im Laufe der Zeit immer weniger beantwortet. Doch ein Brief erregt seine Aufmerksamkeit. Eine 19-jährige schreibt ihm und dieser Brief ist anders, als alle anderen, denn dieses Mädchen teilt sein Begehren. Er begehrte einst Alice, sie begehrt einen 12-jährigen Nachbarsjungen - eine intensive Brieffreundschaft entwickelt sich.


    Immer intensiver werden ihre Briefe. Sie schildert ihm, wie sich langsam, aber sicher, ihrem Opfer nähert und Chappy schwellt in Erinnerungen, über seine gemeinsame Zeit mit Alice. Während Chappy hinter Gittern sitzt, sehnt er die Zeit herbei, wenn er endlich wieder in Freiheit ist und kann dennoch einfach nicht von der Vergangenheit, von Alice, loslassen, denn dieses Kind war wie ein Rausch für ihn. Auch hofft er sehr für seine Brieffreundin, dass sie mit ihrem kleinen Freund ebenso erfolgreich ist ...


    Abartig - aber gut! Der Plot wurde ausgesprochen detailliert und abwechslungsreich erarbeitet. Erzählt wird die Geschichte von Ich-Erzähler Chappy, welche sowohl in der Gegenwart spielt, während des Briefwechsels mit seinem jungen Fan, wie auch Rückblenden in die Vergangenheit inne hat, während seine Erinnerungen immer wieder zu seiner Zeit mit Alice zurückschwenken. Die Protagonisten wurden ausgesprochen tiefgründig erarbeitet, wobei mir bestimmte Handlungen echt an die Nieren gingen. Es hat mich zwischendrin fast gegruselt, weiter zu lesen, denn bestimmte Abartigkeiten waren selbst mir fast ein bisschen zu viel. Den Schreibstil empfand ich als fesselnd und spannend zu lesen, weswegen ich das Buch am Stück gelesen habe.

  • Tolle Buchvorstellung. Herzlichen Dank dafür. Ein Titel den man sich unbedingt merken muss. Also vergrößern wird voller Begeisterung weiter den SUB..... :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Kerry , Danke für die Rezension eines Romanes an den sich kaum jemand herantraut.


    Ich habe das Buch auch gelesen.
    A.M.Homes schreibt absolut kompromisslos.
    Da wird nichts geschönt, deswegen ist das Buch teilweise an der Grenze des Erträglichen. So tief in die Gedanken eines gestörten Triebtäters ist noch niemand gestossen, und diese Gedankenwelt ist nicht angenehm.
    Man kann nicht von einem Lesevergnügen sprechen, aber meine Hochachtung vor der literarischen Leistung der Autorin.

  • Titel: Das Ende von Alice
    OT: The End Of Alice
    Autorin: A. M. Homes
    Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch: Ingo Herzke
    Verlag: Kiepenheuer und Witsch
    Erschienen: April 2012
    Seitenzahl: 304
    ISBN-10: 3462043811
    ISBN-13: 978-3462043815
    Preis: 19.99 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Seit 23 Jahren sitzt Chappy, der Erzähler des Romans, im Gefängnis, er verbüßt eine lebenslange Haftstrafe für den Mord an der zwölfeinhalbjährigen Alice Somerfield und hofft auf baldige Freilassung. Im Gefängnis erhält er Briefe von einem neunzehnjährigen Mädchen, das vorgibt, Chappy zu bewundern. Sie selbst verbringt die Sommerferien in ihrem Elternhaus und hat ein Auge auf den zwölfjährigen Nachbarjungen geworfen. Zwischen Chappy und dem jungen Mädchen entwickelt sich eine Brieffreundschaft, die um Begehren und Perversionen kreist.


    Die Autorin:
    A.M. Homes schrieb ihren ersten Roman ¯Jack®, für den sie 1993 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde, im Alter von 19 Jahren. Es folgten Romane und Kurzgeschichtenbände. Sie gehört zu den profiliertesten zeitgenössischen Schriftstellerinnen der USA und hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Ihre Werke erscheinen in 13 Sprachen. A.M. Homes lebt in New York City.


    Meine Meinung:
    Als dieses Buch erschien da gab es eine riesige Aufregung:
    "Es ist nicht meine Sache, Bücher zu verbieten oder anderer Leute Meinungsfreiheit einschränken zu wollen," sagt Jim Harding, Direktor des britischen Kinderschutzbundes, "aber es ist leidenschaftlich meine Sache, Gewalt gegen Kinder zu beenden." Weshalb Harding jetzt mit aller Kraft durchsetzen möchte, ein eben im Vereinigten Königreich erschienenes Buch auf den Index zu setzen.“
    Dabei verherrlicht dieses Buch nicht die Gewalt gegen Kinder und es entschuldigt auch nicht Täter. Man kann nur vermuten, dass dieser Harding das Buch gar nicht gelesen hat. Ansonsten hätte er eine solche dümmliche Äußerungen nicht tätigen können.
    Und dieser Harding sollte vielleicht auch einmal daran erinnert werden, das gerade in sehr vielen Thrillern von Gewalt gegen Kindern geschrieben wird. Und niemand stösst sich daran. Ja, die Welt gehört den Scheinheiligen und Pharisäern.
    Dieses Buch ist beeindruckend. Gerade auch wenn man es mit dem Wissen dieser Äußerung der Autorin liest:
    „"Ich glaube nicht, daß alle Kinder immer nur notwendigerweise Opfer sind.“
    Bevor man jetzt vor lauter Empörung einen hochroten Kopf bekommt und ihn platzen lässt – einfach mal über diesen Satz nachdenken. Okay, Nachdenken ist nicht jedermanns Sache – pöbeln ist ja auch viel einfacher.
    Selbstverständlich sind Verbrechen an Kindern nicht zu tolerieren – aber auch die Provokationen von Kindern – ich denke hier beispielsweise an die Lolitas – verdienen keine Toleranz.
    Verbrechen geschehen nicht einfach so – sie haben immer irgendwo ihre Ursachen.
    Auch wenn die meisten es sicher nicht wahrhaben wollen – so wird so mancher Leser und so manche Leserin gefordert, sich mit den dunklen Ecken der eigenen Phantasie auseinanderzusetzen.
    Dieses Buch sucht kein Verständnis für die Täter, es beschreibt nur die Tätersicht. Der Täter ist zerrissen, lebt weiterhin mit seinen kruden Vorstellungen und die eigene Sicht auf seine Schuld ist schon gewöhnungsbedürftig.
    Dieses Buch ist eine echte Herausforderung und die Urteile der Leser schwanken zwischen völliger Ablehnung und großer Begeisterung.
    Bei dieser ganzen Diskussion wird leider etwas in den Hintergrund gedrängt, dass A. M. Homes eine großartiger Erzählerin ist.
    Sie schreibt schonungslos und nimmt keine Rücksicht auf ihre Leserschaft. Sie fordert ihre Leser. Sie will, das sich die Leser mit ihrem Buch auseinandersetzen.
    Ein sehr lesenswertes Buch – 8 Eulenpunkte für etwas, das absolut nicht alltäglich ist.
    Ach ja, dieses Buch ist für Voyeure nicht geeignet – sie werden sicher sehr enttäuscht sein.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Dieses Buch ist beeindruckend. Gerade auch wenn man es mit dem Wissen dieser Äußerung der Autorin liest:
    „"Ich glaube nicht, daß alle Kinder immer nur notwendigerweise Opfer sind.“


    Ich überlege jetzt seit Tagen, ob ich etwas schreiben soll, denn ich habe das Buch nicht gelesen und ich weiß auch nicht, aus welchem Zusammenhang dieses Zitat der Autorin gerissen wurde und ob sie das wirklich so gesagt hat, aber ich will auch nicht, dass Schweigen als Zustimmung gedeutet wird.


    Meiner Meinung nach vertritt die Autorin mit dieser Ansicht eine typische Täter-Ausrede, nämlich: "Ich konnte nicht anders, sie hat mich verführt."


    Es ist völlig unerheblich, wie verführerisch sich das Kind verhält, das Kind bleibt immer das Kind, das die Folgen seines Verhaltens noch nicht ausreichend abschätzen kann. Und der Erwachsene ist der Erwachsene in dieser Beziehung und hat auf seine sexuellen Impulse nicht zu handeln. Und wenn er das nicht kann, hoffe ich, dass er sich Hilfe holt, ich bin jedem Pädophilen dankbar, der sich in Therapie begibt, weil er/sie nicht zum Täter werden will. Leider gibt es zu wenig Therapieplätze.


    Unabhängig davon könnte man sich noch fragen, wieso sich ein Kind altersunangemessen verführerisch verhält. Ich bin in dem Thema nicht ausreichend genug drin, aber eine mögliche Hypothese wäre, dass es sich um ein bereits sexuell missbrauchtes Kind handelt, das gelernt hat, dass es nur auf diese Weise überhaupt Zuwendung bekommt.


    So oder so hat der Erwachsene die Verantwortung für sein Handeln, und wenn der Erwachsene das Kind sexuell missbraucht, hat der Erwachsene Schuld und nicht das Kind, auch wenn das Kind sich "verführerisch" verhalten hat. Der Erwachsene ist hier der Täter, nicht das Kind.


    Zitat

    Selbstverständlich sind Verbrechen an Kindern nicht zu tolerieren – aber auch die Provokationen von Kindern – ich denke hier beispielsweise an die Lolitas – verdienen keine Toleranz.
    Verbrechen geschehen nicht einfach so – sie haben immer irgendwo ihre Ursachen.


    Was meinst Du denn mit "Provokationen von Kindern verdienen keine Toleranz"?