'Das Salz der Erde' - Seiten 967 - 1023

  • Zitat

    Original von Asmos
    Ich fand es auch gut, dass die Bewohner von Varennes sich endlich gegen Aristide aufgelehnt haben, wobei ich fand, dass es eigentlich nicht hätte sooo arg schwer sein können den Ritter zu überwältigen. Von wie vielen Leuten sprach Aristide? Von vielleicht vierzig? Gegen 2000? Eigentlich hätten diese seine Anhänger doch mit Leichtigkeit überrennen müssen, wenn sie sich zusammen gerauft hätten. Oder verdrehe ich da etwas?


    Varennes hat zu dem Zeitpunkt ungefähr 2000 Einwohner. Rechnet man die Alten, Frauen, Kinder und Kranken raus, bleiben rund 400 waffenfähige Männer, von denen vielleicht die Hälfte tatsächlich mit einer Waffe umgehen kann. Zahlenmäßig wären sie Aristide damit immer noch überlegen, aber: Die Geschichte zeigt ja, dass Menschen sich sehr schwer damit tun, sich gegen Unrechtsregime aufzulehnen, obwohl den Polizisten/Ordnungshütern/Soldaten eigentlich immer eine riesige Masse an Unterdrückten gegenüber steht. Trotzdem können solche Regime leicht jahrzehntelang bestehen – weil die Unterdrückten es nicht schaffen, sich zu organisieren, weil sie sich fürchten oder uneins sind oder weil sie (noch) zu viel zu verlieren haben. Meist stehen die Unterdrückten erst dann auf, wenn es einen starken symbolischen Auslöser gibt, wie man das etwa beim Arabischen Frühling in Nordafrika beobachten konnte. In Varennes ist es die Hinrichtung des Schmieds, der Steuern hinterzogen hat. Sein ungerechter Tod bringt die anderen dazu, sich endlich zu wehren.

  • Auch da spielt wie so oft natürlich auch das komplett andere Denken der damaligen Zeit eine Rolle.
    Im Römerbrief schreibt Paulus: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott, wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet. Wer sich aber der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt der Anordnung Gottes.“ (Römer 13 V 1-2)

  • Es stimmt sicherlich, dass es damals eine andere Zeit war, die Menschen es auch gewöhnt waren, vieles schweigend zu ertragen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass die Bewohner Varennes Aristides Leute eigentlich überlegen waren und schlussendlich haben sie auch gezeigt, dass man sie mit etwas Köpfchen relativ 'leicht' überlisten kann.
    Es gab halt auch in diesem Abschnitt Situationen, wo ich das Gefühl hatte, dass es Aristide im Leben nicht mit ihnen aufnehmen hätte können, wenn sie alle geschlossen agiert hätten und dass es meistens die Einzelaktionen waren, die schief gegangen sind.
    Aber aus der 'Ferne' ist es natürlich einfach so etwas zu behaupten, wenn man nie in derselben Situation gewesen ist. Ich bin einfach zu sehr wie Jean: Ich kann es nicht ertragen untätig dazusitzen und mir derlei Ungerechtigkeiten gefallen zu lassen.

    "Sobald ich ein wenig Geld bekomme, kaufe ich Bücher; und wenn noch was übrig bleibt, kaufe ich Essen und Kleidung." - Desiderius Erasmus