Fatrasien - Ralph Dutli

  • Absurde Poesie des Mittelalters


    Wallstein-Verlag, 2011
    144 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Wer auf die “Fatrasien” stößt, traut seinen Augen nicht. Wie kann es sein, dass diese surrealistisch anmutenden, erstaunlich modern wirkenden absurden Sprachspektakel im fernen Mittelalter entstanden sind?


    Über den Autor:
    Ralph Dutli, geb. 1954, studierte in Zürich und Paris Romanistik und Russistik, lebt las freier Autor in Heidelberg. Er ist Lyriker, Essayist, Übersetzer und Herausgeber u.a. der zehnbändigen Ossip-Mandelstamm-Gesamtausgabe. Er erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den Johann-Heinrich-Voss-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.


    Mein Eindruck:
    Das Mittelalter hatte noch mehr zu bieten als die Gesänge Dantes.
    Bei den in diesem Buch enthaltenen Fatrasien ist es überraschend, dass erhalten sind.
    Die Fatrasien aus dem Frankreich des 13.Jahrhunderts sind, wie der Untertitel des Buches schon andeutet, absurd. Dabei folgen sie einer bestimmten Versform, wie auch die später folgenden Fatras, die entstanden als die Fatrasien schon wieder ausgestorben waren.
    Die große Leistung des Heidelberger Autors Ralph Dutlie besteht darin, dass er diese Texte erstmals aus dem Altfranzösischen ins Deutsche übersetzt und sie in eine gute Form verpackt sowie ein ausführliches, erläuterndes Nachwort hinzufügt.


    Auf jeder Seite ist nur eine Fatrasie. Der altfranzösische Originaltext ist dabei etwas kleiner unter der deutschen Übersetzung abgedruckt. Manchmal kommen noch erläuternde Kommentare in den Fußzeilen der Seiten hinzu.
    Diese Form und die gute Arbeit des Wallstein-Verlags sorgen für eine schöne Ausgabe.


    Die Fatrasien sind meistens komisch, spöttisch und derb gehalten, karnevalesk möchte man sagen. Verrückte Bilder entstehen, ein überraschendes Bild ergibt das nächste.. Überwiegend ergeben sie keinen Sinn, jenseits der Vernunft. Das ist sogar Programm! Kein Wunder, dass Ralph Dutli sein Nachwort „Fliegende Esel“ genannt hat.
    Auch das obszöne ist häufig Teil der Verse, jedenfalls wird viel gefurzt. Gewisse Körperteile werden direkt benannt. Deswegen sind sie vermutlich nicht jedermanns Geschmack.


    Der erste große Teil des Buches besteht aus Fatrasien aus der nordfranzösischen Stadt Arras von einem oder mehreren anonymen Dichtern.
    Dann folgen 11 Fatrasien, vermutlich von Philippe de Beaumanoir (um 1250 bis 1296).
    Auch hier geht es fantasievoll voll, aber etwas ernster als die aus Arras kommen mir die Verse vor, da inhaltlich Kampf, Gewalt und Streit thematisiert sind.


    Dann folgen die Fatras aus dem 14.Jahrhundert , länger als die Fatrasien, mit einer interessanten Form, die mit dem Ablauf der Zeilen arbeitet, indem es zuerst 2 bewusst konventionelle Zeilen gibt, wobei die erste Zeilen danach variiert und die zweite Zeile am Ende wiederholt wird.
    Ich finde diese Fatras genauso faszinierend wie die Fatrasien.


    Auf jeden Fall ist diese Poesie des Mittelalters mal etwas ganz anderes, so frei und frech kannte man das Mittelalter noch nicht.

  • Was man alles lernen kann, bei der Büchereule... :wow


    Die Rezi hat mich inspiriert, den Blick ins Buch zu wagen. Definitiv schräg, das Zeuch! :grin Die in der Leseprobe ersichtlichen "Gedichte" lesen sich, als hätte der Schreiber gekifft oder psychedelische Pilze gekaut.


    Ausgefallen und sogar ohne den Vorlauf einer Rotweinpulle lustig.


    Danke für die Rezi, Herr Palomar! Du hast mir ein Lächeln beschert. :kiss