Europe Central - William T. Vollmann

  • Viel gelobt und auch gescholten. Ein Buch mit einigem Gewicht, zumindest liegt es schwer in der Hand.
    Insgesamt 1026 Seiten, davon 934 Seiten Romantext (mit Fußnoten!). Es schließen sich an: Drei Seiten Quellen, eine Seite Anmerkung des Übersetzers, die Textanmerkungen umfassen die Seiten 941 bis 1020, dann gibt es noch einen zweieinhalbseitigen Text „Eine erfundene Dreiecksbeziehung“, einen zweieinhalbseitigen Dank und zwei Seiten „Inhalt“.
    Ein Lesebändchen hat der Verlag auch spendiert; zwei wären allerdings besser gewesen, denn die Textanmerkungen haben es in sich, versäumen will ich sie nicht. So muss ich halt mit Lesebändchen und zusätzlichem Lesezeichen hantieren.


    Ein Buch mit einigem Gewicht: Doch, so scheint es mir und nicht nur in Bezug auf Kilo oder Gramm, zumindest nach den ersten 344 Seiten. Es geht um Menschen in Zeiten der Diktatur oder vielmehr zweier Diktatoren (Hitler, auch „der Schlafwandler“ genannt, und Stalin), es geht nicht nur um die „glücklichen Tage des Molotow-Ribbentrop-Paktes“ (Seite 297 – eine dieser kleinen Bemerkungen, bei denen das Buch in meiner Hand noch schwerer wird). Käthe Kollwitz gehörte ein Kapitel, ihre traurigen Augen begegnen dem Leser später wieder, unter anderem in einem der Kapitel, die Schostakowitsch gehören (Seite 113). Schostakowitsch scheint eine der Konstanten des Buches zu sein, ihm bin ich bisher mehrfach begegnet. Außerdem traten unter anderem bisher auf: die Achmatowa, Regisseur Karmen, derzeit ein gewisser General Wlassow, dessen man sich erinnert, so man sich für jene Zeit interessiert.


    Das Buch liest sich flüssig, trotzdem stockt mir öfters Auge und Atem (sh. oben). Was mich allerdings völlig fesselt, ist die Erzählstimme – oder sind es mehrere? Männlich, auf den ersten Blick, aber sicher bin ich mir da nicht. Scheinbar neutral, scheinbar objektiv, aber auch immer wieder diese Scheinpfade verlassend, besonders, wenn es um Elena Konstantinowskaja und bzw. oder Schostakowitsch geht. Da schleicht sich dann fast so etwas wie Eifersucht ins Sprachbild, dann wird es auch schon mal unflätig. Immer wieder blitzt auch so etwas wie Genugtuung auf, und: eine mir etwas seltsam erscheinende Art von Humor.


    Meine Exegese ihres Lebens ist die einzig gültige“ sagt der Erzähler Seite 286 (in Bezug auf Elena). Man lese aber seine Exegese beispielsweise der 7. Sinfonie oder der 8. oder gar von Opus 40 – das ist mit großer Subjektivität, ja stellenweise Besessenheit dargebracht, die mir trotzdem lesenswerter erscheinen als Sarah Quigleys Roman „Der Dirigent“.


    Das Druckbild wird immer wieder unterbrochen, um beispielsweise Plakatüberschriften kenntlich zu machen oder ähnliches, kursiv sind Zitate gesetzt. Warum man allerdings, um kenntlich zu machen, dass jemand der SS angehört, die Runen verwenden muss, erschließt sich mir nicht.


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