Anna Katharina Hahn - Kavaliersdelikt
• Taschenbuch: 140 Seiten
• Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: 3 (25. Oktober 2004)
• ISBN-13: 978-3518456545
• Preis: 8,99 Euro (print)
Klappentext:
Zwischen verwilderten Gräbern und Eidechsentatoos entdeckt Anna Katharina Hahn die Abgründe des neuen Jahrtausends. Ihre Helden machen sich keine Illusionen, und doch hoffen sie auf das große Los. Sie suchen ihr Glück in Berlin oder als Wirtschafsflüchtlinge in Schwaben, in Angeberschichten aus dem Mittelalter oder hinter den Monitoren ihrer Werbeagentur.
Zur Autorin:
Anna Katharina Hahn, geboren 1970, lebt in Stuttgart. Zuletzt erschien ihr Roman Kürzere Tage. Der Bestseller stand auf der Longlist für den »Deutschen Buchpreis« 2009 und auf der Shortlist für den Preis der »SWR-Bestenliste« und wurde 2010 mit dem »Roswitha von Gandersheim-Preis« und dem »Heimito von Doderer-Preis« ausgezeichnet.
Meine Meinung:
Das Buch ist eine Kurzgeschichtensammlung. Sprachlich ist es ein Glanzstück, besticht mit genauen Figurenskizzierungen und erzeugt Stimmungen unterschiedlicher Couleur. Die Geschichten sind zum Teil morbid, witzig, sarkastisch, erschreckend, tiefgründig und immer intelligent.
1. Ermislauh
Rainer begleitet Bärbel mitsamt der ganzen Dorfsippe zum verlassenen Ermislauher Friedhof. Ein Dorf das weichen musste für einen Truppenübungsplatz. Einmal im Jahr dürfen die Gräber besucht werden. Idylle? Nein, Rainer rebelliert. Auf stille Art. Man möchte als Leser die geballte Faust recken und ihm zurufen: „Gut gemacht, Rainer!“ Begleitet von einem amüsierten Grinsen.
2. Affenadam
Der Medizinstudent auf der Suche nach einer willigen Bettgefährtin. Zynische Abrechnung mit hochgeistigen Studiengängen. Frech, schnoddrig kommt er daher, der Held. Und doch, im entscheidenden Moment, stellt sich die Frage, wer denn da zu verkopft ist… *grins*
3. Kavaliersdelikt
Wir befinden uns mit einer Doktorandin an ihrer Arbeitsstelle am „Wortregister zur Minneterminologie der hochhöfischen Periode“. Ganz unhöfisch sind jedoch die Gedanken, die wir da zu hören bekommen. Herrlich unprätentiös. Doch da passiert es. Während der Lektüre gerät die Leserin in das Geschehen der Erzählung, trifft auf Ritter Moritz. Ein Posse, ein Spaß, die Gedanken fliegen.
4. Fleurs de peau
Ihr Freund Ingo hat eine neue Leidenschaft: Tatoos. Mit Vehemenz stürzt er in die Thematik, bedrängt seine Freundin, sich ebenfalls ein Nadelbild stechen zu lassen. Sie zaudert, lässt sich überreden, wählt das Motiv und überrascht ihn damit. Ich lache immer noch! Köstlich! Chapeau. Mehr zu verraten wäre nicht fair.
5. Alte Rosen
Trudi kämpft mit den Rosen ihrer Mutter Emmy. Gräbt sie aus, will sie im eigenen Garten erhalten. Eine Flucht, denn für Emmy kann sie nichts tun. Demenz? Schlaganfall? Es wird nicht benannt, aber eindringlich geschildert. Eine Geschichte, die nachdenklich stimmt.
6. Hier ist es still
Nach Schwaben hat es sie verschlagen, der Arbeit wegen. In eine Werbeagentur. Sie vermisst Berlin oder Tobias oder beides. Wo ist sie, die Hoffnung?
7. Zombiefilme
Er nennt sie Melba, obwohl sie Melanie heißt. Seine zehn Jahre jüngere Freundin. Das Thema für ihre Seminararbeit ist ein vergleichender Überblick über Zombiefilme. Geduldig schaut er mit ihr die Filme. Danach ist sie immer bereit für Sex. Wohin führt das?
8. Kommune Kalk
Wir schreiben das Jahr 2050. Jeder zweite Hochbetagte war schon einmal in kriminelle Handlungen verstrickt. Besonders häufig kommen Überfälle auf Lebensmittel-, Alkohol- und Pharmageschäfte vor. Die Kommune Kalk umfasst sechs Senioren. Wir begleiten sie ein Stück auf ihrem Weg. Beim Lesen macht sich Beklommenheit breit. Ist diese Geschichte wirklich so weit hergeholt?
Ich gebe 10 von 10 Punkten.