Unter diesem Titel vereinigen sich fünfzehn Erzählungen von McKillip, die zwischen 1982 und 1999 in Zeitschriften und Anthologien erschienen sind. Wie in ihren magisch-märchenhaften Romanen kreist McKillip um die Grundthemen, die ihren Kosmos ausmachen: die schwierigen Geschlechterbeziehungen und das Wesen der Liebe.
Geprägt von mittelalterlichen Volkslegenden, der klassischen europäischen Märchentradition und einigen keltisch beeinflußten Mythen entwickelt sie eine Welt, seltsam und verrätselt, wie alte Bildteppiche, die längst vergessene Geschichten zeigen, in Farben und Symbolen, die eine anziehen und zugleich erschrecken. Der Schrecken ist immer gegenwärtig in McKillips Welt und schleicht sich noch in jede Geschichte.
Die Magie, die sie schildert, ist gefährlich, die, die mit dieser Magie umgehen auch. Am gefährlichsten aber ist die Liebe und so ist die Harmonie oft gepaart mit Verunsicherung.
McKillips Sprache ist eigens für diese Art der Geschichten entwickelt. Sie ist rundum poetisch, aber knapp und pointiert, oft verkürzt, zugleich aufgeladen mit Bedeutung, angereichert durch den Klang der Wörter und farbig durch die Assoziationen, die sie auslöst. Sie ist Märchenerzählerin nach der Art der alten Bardinnen, die klar und zugleich voller Rätsel von der Welt und den Menschen erzählen.
In Harrowing the Dragon Hoarsbreath, der titelgebenden und ersten Geschichte trifft die junge Peka einen Drachentöter. Er sucht nach einem Eisdrachen auf ihrer Insel, wo es, da ist sich Peka ganz sicher, nie einen Drachen gegeben hat. Die fanatische Jagd des Drachentöters und Pekas Gegenbemühungen ist eine wunderschöne, aber bedrückende Fabel über die Zerstörung von bestehendem und dem angsterregenden Aufbruch in eine neue Welt.
A Matter of Music bringt Cresce, beste Absolventin der berühmten Schule für Bardinnen und Barden ins Fürstentum Daghian und damit mitten in einen untergründig tobenden Krieg zwischen Daghian und dem Nachbarland. Auf etwas über fünfzig Seiten entwickelt McKillip eine komplexe und schmerzliche Geschichte über Entscheidungen aus Liebe. Für MusikliebhaberInnen ist diese Geschichte ein besonderer Genuß.
Der widerliche, häßliche Troll Thorn muß sich in A Troll and Two Roses mit einem verzauberten Königspaar und einem raffinierten Magier herumschlagen, weil ihn urplötzlich die Sehnsucht nach etwas Schönem gepackt hat. Sein gemütliches Trolleben gerät gewaltig durcheinander. Etwas leichter als die beiden vorhergehenden Geschichten wird sie mit einem kleinen Schmunzeln erzählt. Rundum humorvoll und mit viel Augenzwinkern zeigt sich McKillip in dem Abenteuer, das der tolpatschige Sohn eines Hexenmeisters mit der fürchterlichen Hexe Baba Yaga und ihrem Haus auf Hühnerbeinen erlebt, das gerade an diesem Morgen verflixt widerspenstig ist. (Baba Yaga and the Sorcerer’s Son)
Märchen greift McKillip häufig auf, in diesem Band finden sich drei Versionen klassischer Märchen. Eine eisige und sehr intelligente von Andersens Schneekönigin unter eben diesem Titel The Snow Queen, Toad, die Geschichte vom Froschkönig von ihm selbst erzählt, mit einem giftigen Biß am Ende und The Lion and the Lark, eine sehr emotionale, romantische, aber bittere Deutung von ‚Die Schöne und das Ungeheuer’.
Star-Crossed ist eine intelligente und traurig-resignative Geschichte über die Ermittlungen in Verona nach dem Tod von Romeo und Julia und all den anderen, der ihre Liebe mitriß. Mord oder Selbstmord, wer trägt die Schuld? Der Bericht des ermittelnden Beamten, der die Vorgänge rekonstruieren muß, sind eine faszinierende Ergänzung zu Shakespeares Tragödie.
Von den Schrecken der Liebe erzählt auch Lady of the Skulls, das das Motiv der Ritter auf einer Queste aufnimmt. Ein Drachenschatz soll gehoben werden, die Gefahr, die die Ritter erwartet, bringt aber nicht der Drache, sondern sie sich selbst. Hier geht es auf unheimliche Weise um die Schrecken der Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Ähnlich in Transmutations, in der sich Cerise, die Magie studieren will, weil sie Gedichte schreiben möchte, unvermutet zwischen Magie, Dichtung und einem jungen Zauberer entscheiden muß. Eine typische McKillip-Konstellation und zugleich eine Hommage an die Magie des Worts.
The Fellowship of the Dragon greift das Thema Geschlechterbeziehungen ebenfalls auf, ergänzt es aber um das Thema Freundschaft unter Frauen. Der Harfner von Königin Celandine, der auch ihr Geliebter ist, hat sich auf Wanderschaft begeben und ist in die Fänge eines Drachen geraten. Fünf Kämpferinnen, angeführt von der Kusine der Königin, Anne, machen sich auf, ihn zu befreien. Ihr Weg gerät unversehens zu einer Reise zu ihren inneren Sehnsüchten, die sich als höchst gefährlich für ihre Aufgabe und für ihren Bund erweisen.
Ash, Wood and Fire ist ein äußerst intensives, mit acht Seiten recht kurzes Textstück über einen Aufbruch. Es kann als Aschenputtel-Version gelesen werden, wenn auch ohne Prinz, als Metapher des Erwachsenwerdens, als eine Geschichte der Wiedergeburt des Frühlings oder als Befreiungsgeschichte. Es ist äußerst dicht geschrieben, intensiv, ein Gedicht in Prosa. Wer ‚The Book of Atrix Wolfe’(dt. Königin der Träume - alberner Titel) kennt, wird eine Vorstudie darin erkennen.
Ein Märchen eigener Art ist The Stranger, grausam, auch in seiner Folgerichtigkeit, beunruhigend, traurig. Die Frau eines Schafzüchters und leidenschaftliche Weberin begegnet einem seltsamen Harfner, der auch zu weben weiß. Es geht um wahres Talent, Künstlerinnentum und die Frage, ob das den Tod oder Leben bringt. ‚Voyage into the Heart’ erzählt von der Gefahr, die der Magie droht, wenn Unschuld ausgenützt wird, um aus Magie Kapital zu schlagen, ein einfach erzählte, aber stark verrätselte kurze Erzählung.
Am meisten überrascht hat mich die Geschichten der Hexen des Örtchens Junket (The Witches of Junket), weil es nicht in McKillip üblicher mittelalterlich geprägten Welt, sondern in einer spielt, die der heutigen ähnelt. Magie wirkt aber auch hier und heute und wird zudem dringend gebraucht, denn ein Ungeheuer, das hunderte Jahre zuvor von Hexen gebannt wurde, droht auszubrechen. Das Ganze wird zugleich eine Familiengeschichte und eine Geschichte über eine kleine Gruppe von Frauen in einer winzigen Stadt.
Voller Überraschungen, hervorragend formuliert und konstruiert, wirken McKillips Geschichten nie, als wären sie, eventuell noch schnell und nebenbei, für eine Veröffentlichung in einer Anthologie etwa, zusammengeschrieben. Immer gehören sie punktgenau in die von ihr erschaffene Welt, sind eigenständig und doch immer Trägerinnen der Überzeugungen ihrer Schöpferin. Gerüche, Töne, Farben bestimmen sie und die Magie, die hier wrkt.
Es sind Geschichten, die man langsam lesen muß, sie unterscheiden sich deutlich voneinander, auch wenn sich Grundstimmungen ähneln. Ihre Figuren agieren selbständig, sie sind unverwechselbar und einprägsam. Was erzählt wird und wie es erzählt wird, hängt einer lange nach.
Leider wurden die Erzählungen nie ins Deutsche übersetzt, eine böse Lücke in der echten Fantasy-Literatur.