Schrottplatz oder Goldgrube - bietet der Indie E-Book Markt wirklich eine Chance für Autoren?

  • Zitat

    Original von Tom
    Was absolut in Ordnung wäre, würde "man" nicht unermüdlich erklären, das literarische Rad soeben neu zu erfinden.


    Lieber Tom,


    da hast du absolut recht. Pauschalierungen - egal in welchem Bereich - sind immer falsch. Ich habe deine Berichte und Statements übrigens mit großem Vergnügen und oft einem zustimmenden Nicken gelesen.


    Ich sehe das Selbstpublishing als interessante Ergänzung zum gesamten Buchmarkt.


    Lg, Rosha :wave

  • Zitat

    Original von Tom
    Hallo, Rosha.


    Bei den jährlich über hunderttausend belletristischen Neuerscheinungen ist natürlich - je nach Definition des Begriffs - auch viel Schrott zu finden, einfach, weil es dafür Leser gibt. Nicht jeder will sich an Helmut Kuhns "Gehwegschäden" entlanghangeln und liest lieber davon, wie der neue Landarzt (wenig überraschend) schließlich die wunderschöne Bäuerin nagelt. So what?


    Despektierlich wird das nur, wenn behauptet wird, dass es im Selbstveröffentlichungsbereich genau umgekehrt wäre. Das ist eben nicht der Fall. Texte wie den oben genannten und viele, viele, viele andere sind im Segment der Selbstveröffentlicher praktisch nicht zu finden. Dafür aber Erotik, Gestaltwandlergeschichten, thrillarme Thriller und jede Menge ChickLit. Was absolut in Ordnung wäre, würde "man" nicht unermüdlich erklären, das literarische Rad soeben neu zu erfinden. Dabei will man eigentlich nur mit irgendwas möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen.



    Es mag für einige hier als größere Überraschung kommen, als für andere - aber es ist wohl für Autoren (wie auch alle übrigen Werktätigen) nur selbstverständlich für ihre Arbeit auch entlohnt werden zu wollen.


    DAS kann jetzt (gerade) im Kapitalismus nun nicht wirklich als argumentatives Zugpferd für oder gegen eine bestimmte "Gruppe" von Autoren herhalten.


    Und wie Tom weiss (aber hier vielleicht so deutlich nicht zum Ausdruck gebracht hat oider haben wollte) ist auch gefälliges Genre (gleich welches) nicht einfach nur aus dem (schriftstellerischen) Ärmel zu schütteln, sondern erfordert ein Mindestmaß an Talent und noch viel mehr Stehvermögen und Anstrengung von den Autoren.


    Was die mies verfassten Titel in den oberen Charträngen betrifft, da ist für mich die Erklärung einfach - sie lautet in einem einzigen Wort: Algorithmus.


    Denn ist man dort mit seinem Titel erst einmal mit den notwendigen Verknüpfungen zu anderen erfolgreichen Büchern erfasst, dann hält man sich da auch einen (zuweilen erschreckend langen) Zeitraum ziemlich weit oben. :-(


    Aber auch darin sehe ich bisher noch nicht den Untergang des Abendlandes dräuen. :wave


    Was ich allerdings (wenn auch ungern) zugebe ist, dass die Leute, die sich derzeit für einen Preis deutlich unter dem eines Verlagsbuches ein Buch herunterladen, nicht unbedingt wohlmeinend auf etwas ungewöhnliche literarische Experimente reagieren. In einigen Fällen wird da bereits indirekt wiedergegebene wörtliche Rede zu einem Steinchen des (Rezi) Anstosses.


    Doch das wird sich ausgleichen. Je mehr Reader unter die Leute kommen, umso größer wird auch der Anteil von Käufern die sich etwas anspruchsvollere Texte erwarten, als bloße aufgehübschte Fanfiction. :wow




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  • Zitat

    Original von David Gray
    Was ich allerdings (wenn auch ungern) zugebe ist, dass die Leute, die sich derzeit für einen Preis deutlich unter dem eines Verlagsbuches ein Buch herunterladen, nicht unbedingt wohlmeinend auf etwas ungewöhnliche literarische Experimente reagieren. In einigen Fällen wird da bereits indirekt wiedergegebene wörtliche Rede zu einem Steinchen des (Rezi) Anstosses.


    Ich gehöre nicht zu den Autoren, möchte aber aus Lesersicht mal nachfragen, was der Verweis auf den Preis des Buches in diesem Zusammenhang bedeuten soll? Dürfen wir von einem 2,99 Eur Buch nicht die gleiche Qualität erwarten wie von einem Buch, für das wir 9,99 Eur bezahlt haben?


    Ich denke, wenn man wirklich dem Indie-Ebook zum Erfolg verhelfen will, nützt es nix, wenn man bei der kleinsten Kritik immer gleich darauf verweist, daß das Buch ja auch so billig ist. Das ist die Logik von Ramschware, damit wird man meiner Ansicht nach keinen Leser gewinnen. Indies werden sich nur durchsetzen, wenn sie qualitativ mit den Verlagsexemplaren mithalten können.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Zitat

    Original von LeSeebär
    Indies werden sich nur durchsetzen, wenn sie qualitativ mit den Verlagsexemplaren mithalten können.


    Das sehe ich auch so. Man ist vielleicht ein paar Mal bereit, über häufige Rechtschreib-, Grammatik- und Perspektivfehler hinwegzusehen, aber irgendwann nervt es nur noch.
    Zu viel davon stumpft nicht ab, im Gegenteil, es sensibilisiert (jedenfalls mich) und lässt mich deutlich schneller gereizt reagieren und zu ordentlich lektorierter und korrigierter Ware greifen.


    Weist die Leseprobe eines Indie-Buches mehr als einen Fehler pro Seite auf, ist bei mir schon Schicht im Schacht. Da mag ich es nicht einmal mehr geschenkt. Und ich möchte es noch einmal betonen: Ich probiere gerne Indiesachen aus, habe keine Vorurteile, aber eben doch einen gewissen Anspruch.

  • Kann mir jemand erklären, was an den Texten derer, die da zu Tausenden digitalisiert publizieren, neu, anders, innovativ ist?
    Was man ausprobieren soll?


    Was ich da anderes finde als bei der Unterhaltungsliteratur von Verlagen?
    Ich seh nur Abklatsch des Handelsüblichen. Bei den Verlagen sieben Zombie-Romane, bei den Indies siebenhundertsiebzig. Die gleichen Thriller, die gleichen Schmonzetten, die gleiche Pornografie.
    Manchmal sind sie lauter, aber das macht Musik nicht anders und besser schon gar nicht.


    Was die Indie-Produktion bis dato zeigt, ist eine erschreckende Gleichförmigkeit der Vorstellungswelten derer, die publizieren. Sie sind eben das nicht, was sie behaupten zu sein, originell. Sie kreieren auf Wegen, die längst von anderen gebahnt wurden, sie erzählen Geschichten auf exakt die gleiche Weise, wie sie schon tausend Mal erzählt wurden.
    Sie kopieren nur die Produkte des bereits bestehenden Unterhaltungsmarkts. Sie drängen dahin, wo schon massenhaft Produkte der gleichen Art vorhanden sind.


    Diese Art von Indies braucht kein Mensch. Ebensowenig wie Ramschware aus China.


    Was wir brauchen, sind mehr bessere Bücher. Die Anzahl derer, die das Talent haben, sie zu liefern, wächst aber kaum, weil Talent so dicht nicht gesät ist.
    Da die Zahl der KritzlerInnen abar rasant wächst, sehe ich eher schwarz für gute Bücher.




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali


    Was wir brauchen, sind mehr bessere Bücher. Die Anzahl derer, die das Talent haben, sie zu liefern, wächst aber kaum, weil Talent so dicht nicht gesät ist.
    Da die Zahl der KritzlerInnen abar rasant wächst, sehe ich eher schwarz für gute Bücher.


    Dieser Satz ist leider richtig und beschreibt eine traurige Situation. :-(

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire


    Dieser Satz ist leider richtig und beschreibt eine traurige Situation. :-(


    Die Zahl derer, die glauben sie könnten schreiben hat sich vermutlich kaum geändert - allerdings haben sich die Möglichkeiten, etwas zu publizieren vervielfacht, und das an der ohnehin recht durchlässigen Filterfunktion der Verlage vorbei.
    Ich kann Magali hier nur unbeschränkt zustimmen!

  • Zitat

    Was wir brauchen, sind mehr bessere Bücher. Die Anzahl derer, die das Talent haben, sie zu liefern, wächst aber kaum, weil Talent so dicht nicht gesät ist. Da die Zahl der KritzlerInnen abar rasant wächst, sehe ich eher schwarz für gute Bücher.


    Ich glaube das nicht. Wenn, dann wächst die Zahl der veröffentlichten Kritzler. Ich gönne es ihnen. Sie tun niemandem weh.
    Diese Diskussion um den vermeintlichen Niedergang des geschriebenen Wortes ist so alt wie das Buch selbst. Und trotzdem werden jedes Jahr viele neue wunderbare Bücher veröffentlicht. So schlimm kann es also nicht sein. Oder? :gruebel

  • Zitat

    Original von Sabine Klewe


    Ich glaube das nicht. Wenn, dann wächst die Zahl der veröffentlichten Kritzler. Ich gönne es ihnen. Sie tun niemandem weh.
    Diese Diskussion um den vermeintlichen Niedergang des geschriebenen Wortes ist so alt wie das Buch selbst. Und trotzdem werden jedes Jahr viele neue wunderbare Bücher veröffentlicht. So schlimm kann es also nicht sein. Oder? :gruebel



    ... Ich finde es ist sogar noch schlimmer!


    Es fehlt den "Großen" einfach der Schneid, diese von Dir angesprochenen "guten Bücher" - wenn sie denn überhaupt den Weg ins Verlagsprogram finden - nicht im Einheitsbrei zu versenken sondern sie offensiv als solche zu bewerben und in den Vordergrund zu stellen! Was ich bisher von den neuen Verlagsvorschauen gesehen habe ist katastrophal!



  • Ich glaube aber auch, dass innovative oder anspruchsvolle Literatur von Selbstveröffentlichern einfach nicht nachgefragt wird (selbst wenn es DAS nobelpreisverdächtige Werk wäre...). Das, was in den Top100 sichtbar ist, ist nur ein Bruchteil dessen, was es gibt, und Unterhaltungsliteratur wird bekanntermaßen mehr gekauft.


    Als Selbstveröffentlicher anspruchsvolle Literatur schreiben zu wollen, ist vergebene Liebesmüh - selbst wenn dieser fiktive Autor sehr viel Talent hätte. Es wird niemand danach suchen.


    Da ist es kein Wunder, das eben eher die Massenware als "Indie-Literatur" verallgemeinert wird. Die anderen gibt es sicher auch, doch niemand weiß von ihnen... Anspruchsvolle Literatur wird eben noch immer über das Feuilleton, Empfehlungen der Buchhändler oder über Literaturforen verbreitet.


    Bei Unterhaltungsliteratur ist mir mittlerweile recht egal, ob vom Verlag oder Selbsveröffentlicher. Die sind sich wirklich ähnlich und ich gehe dann nach Klappentext und Leseprobe.


    Was mir ohne Verlage wirklich fehlen würde, wären die Übersetzungen aus dem nicht englischsprachigen Ausland. Denn diesen Service kann aus finanziellen Gründen nur ein Verlag leisten.

  • Zitat

    Original von magali: Was wir brauchen, sind mehr bessere Bücher. Die Anzahl derer, die das Talent haben, sie zu liefern, wächst aber kaum, weil Talent so dicht nicht gesät ist. Da die Zahl der KritzlerInnen abar rasant wächst, sehe ich eher schwarz für gute Bücher.


    Ich erwäge einen leichten Widerspruch, was zum einen an meiner Tagesform, zum anderen an der Literatur liegen macht, die ich in letzter Zeit gelesen habe.
    Nüchtern betrachtet liegt die Hälfte meines Lebens hinter mir; glücklicherweise noch nicht die Hälfte meines Leselebens und bis zu meinem Ableben werde ich all die Bücher, die mich interessieren, nicht mehr lesen können.
    Erstaunlicherweise habe ich in den letzten Jahren vermehrt zu Stoffen gegriffen, die nicht für den Kurzzeiterfolg geschrieben wurden.
    Vielleicht ist es genau eines der Probleme, die Verlagsprodukte und Selbstgestricktes verbindet: Es wird in rasantem Tempo viel Papier auf den Markt geschmissen, man möchte den schnellen Erfolg und Kasse um jeden Preis machen.
    Es geht nicht mehr ums Erzählen, um zeitlose Geschichten, die für eine nächste Generation Bestand haben, sondern nur noch um Trends.
    Wohin das führt, sehen wir. Qualitätseinbußen überall. Wenn diese Gebrauchsliteratur dann aus der Mode kommt, landet sie im Altpapier. Das Direct Publishing macht es uns als Leser leichter, indem wir im schlimmsten Fall die Delete-Taste zum Einsatz kommen lassen.


    Bleibt da noch die Frage nach den besseren Büchern und der nächsten Generation? Da ich ihre Ansprüche nicht kenne, kann ich schlecht Forderungen stellen. An dieser Stelle sind m.E. die Betroffenen gefordert, sich Gedanken zu machen.


    Insgesamt sehe ich die Diskussion sehr gelassen. Wer veröffentlichen will, soll es tun. Nur soll man von mir als Leserin bitteschön nicht verlangen, dass ich die Indielandschaft sondiere und nach literarischen Leckerbissen durchforste. Dafür reicht meine Lebenszeit nämlich nicht.

  • Zitat

    Original von Sabine Klewe


    Ich glaube das nicht. Wenn, dann wächst die Zahl der veröffentlichten Kritzler. Ich gönne es ihnen. Sie tun niemandem weh.


    Doch, tun sie. Sich und anderen. Sie richten beträchtlichen Schaden an.
    Sie wenden sich an eine Öffentlichkeit und wollen wahrgenommen werden. Inzwischen stehen technische Mittel zur Verfügung, die ihnen das erlauben, und zwar massenweise.
    Über ihre Standards wollen sie selbst bestimmen, sie nennen das 'Freiheit', tatsächlich werfen sie alles über Bord, was ihnen nicht in den Kram passt. Sie dulden keinen Einspruch und Kritik schon gar nicht.
    Sie setzen sich selbst absolut, nennen das, was sie produzieren 'gut', aus dem einzigen Grund, weil es produziert wurde, und zwar von ihnen, vergreifen sich an allem, was sprachlich und erzählerisch nicht niet - und nagelfest ist (weil es das per se nicht sein kann, was alles Kreative so entsetzlich schutzlos gegenüber dem Zugriff von Ahnungslosen macht, die dadurch unweigerlich zu BarbarInnen werden).
    Sie sind HeuchlerInnen par excellence. Sie greifen alles an, was sie nicht geleistet haben, Verlage, Handel, KritikerInnen, weil sie dort nicht wahrgenommen werden.
    Denn tatsächlich wollen sie genau dort hin. Schuld daran, daß sie dort nicht landen, haben ausschließlich die anderen.


    Was sie gefunden haben, sind vermeintliche Verbündete in einem Publikum. Sie nennen sie LeserInnen. Diese aber locken sie vornehmlich mit einem einzigen Argument: einem sehr niedrigen Preis für ihr Produkt.
    Damit stellen sie sich in eine Reihe mit denen, die behaupten, daß man alles billig haben kann. Sie propagieren, daß das Geld über Qualität bestimmt, wenn viele Mist kaufen, wird aus dem Mist ein Rosen-Duftsäckchen.
    Sie verbreiten eine ganz bestimmte Denkweise, sie werden zu TrägerInnen einer höchst einfältigen Ideologie, die ihrerseits Schaden auf der ganzen Welt anrichtet.


    Damit setzen sie sich herab und ihre LeserInnen gleichfalls. Sie verhindern Entwicklung, sie betonieren ein niedriges Niveau als das einzig wahre. Sie nennen es schreiben und lesen, aber tatsächlich geht es vornehmlich um das Reproduzieren bekannter Versatzstücke und das repetitive Hervorrufen von Schlüsselreizen. Das Gros dessen, was KritzlerInnen produzieren, kann man nämlich nicht einmal mehr unter 'Unterhaltung' subsummieren.
    Ich nenne das schaden. Sich und anderen wehtun.


    Es ist auch Schaden, weil sich unter den KritzlerInen tatsächlich Menschen befinden können, die eine gewisse Begabung für das Schreiben und Erzählen haben. Die werden durch die lautstark vorgebrachte Behauptung, daß Selbstverlegen das einzige Wahre sei, auf den Gedanken gebracht, sich gleich auf diese Weise zu präsentieren. Bevor sie ihre Stimme, ihren Weg, sich als Schreibende gefunden haben, posieren sie schon vor Publikum. Eitelkeiten und Geld haben schon manche Karriere beendet, noch ehe sie angefangen hat. Zum Schaden aller Betroffenen.


    Schaden findet man schließlich auch dort, wo es um die Hard - und Software geht, die nötig ist, diese Uneinsichtigkeit und Eitelkeit von Vielen zu nähren. Die Energiemengen, die nötig sind, um die Clouds aufrechtzuerhalten, den Datenverkehr, die Berge von Elektroschrott, die stetig wachsen, die Arbeitsbedingungen derer, die Mikrochips zusammenlöten, die Kriege, die um Rohstoffe geführt werden.
    Was zählt das schon, wenn es darum geht, daß eine sich selbstverwirklicht.



    Zitat

    Diese Diskussion um den vermeintlichen Niedergang des geschriebenen Wortes ist so alt wie das Buch selbst. Und trotzdem werden jedes Jahr viele neue wunderbare Bücher veröffentlicht. So schlimm kann es also nicht sein. Oder? :gruebel


    Der 'Niedergang des geschriebenen Worts' ist keineswegs 'vermeintlich'. Er ist da. Kontinuierlich.
    Die Frage lautet: was wird ihm entgegengesetzt? und Wie wirksam sind die Mittel?


    Ja, es werden wunderbare Texte veröffentlicht. Warum also braucht man so viele, die alles andere als wunderbar sind?



    Salonlöwin


    ja.
    Und nein.


    Ich habe das Alter erreicht, in dem ich nichts mehr gelassen sehen muß, im Gegenteil. Ich nehme mir heraus, laut 'Nein. Hier halt!' zu rufen, ich habe keine Geduld mehr für ein Lassez-faire bei Dingen, die mir wichtig sind.. Und Zeit schon gar nicht.
    Abgeklärt sein kann man Dreißig. Jenseits der fünfzig wird es verdammt Zeit, daß eine auf die Barrikaden geht. Dann weiß sie nämlich endlich, wofür und warum.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    magali: Was wir brauchen, sind mehr bessere Bücher. Die Anzahl derer, die das Talent haben, sie zu liefern, wächst aber kaum, weil Talent so dicht nicht gesät ist. Da die Zahl der KritzlerInnen abar rasant wächst, sehe ich eher schwarz für gute Bücher.


    Da stimme ich der geschätzten Kollegin nicht zu. Und was dem einen als besseres Buch erscheint, gilt dem anderen als schlechteres.


    Meiner Ansicht nach gibt es viele gute und sehr gute Bücher auf dem Markt. Und die (für mich) besten werde ich wahrscheinlich niemals lesen, ganz einfach deshalb, weil ich sie nicht finden werde.


    Denn darum geht es doch: Wie und wo finde ich die für mich supergeilen Bücher?


    Da wird wohl jeder Leser seine eigene Strategie verfolgen.

  • Zitat

    Original von beisswenger
    Denn darum geht es doch: Wie und wo finde ich die für mich supergeilen Bücher?


    Nein, darum geht es nicht allein. Man muß hier aufpassen, weil zwei Sachverhalte verwechselt werden.
    Der eine ist ein gutes Buch.
    Der andere ist der persönliche Geschmack.


    Das ist nicht deckungsgleich.
    Es ist ein wenig schwierig geworden in der Diskussion heutzutage, weil das Argument 'persönlicher Geschmack' so gern angeführt wird. Es ist griffig, scheint auf unserer Vorstellung von Freiheit = das Individuum enstcheidet und sonst nichts und niemand zu basieren und damit das Non plus ultra der Bewertung zu sein.


    Das ist ein Irrtum. Wenn ich ein Urteil mit dem Argument 'das entspricht meinem persönlichen Geschmack' fälle, sage ich vor allem etwas über mich aus, aber tatsächlich sehr wenig über das Buch.


    'Gut' muß gewisse objektive Kriterien erfüllen. Die muß man sich erst mal klarmachen. Dabei geht es um mehr als um momentanes Wohlfühlen beim Lesen. 'Gut' oder 'schlecht' sind hochkomplexe Wertungen.




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • 1835... Wer braucht Eisenbahnen?
    1886... Wer braucht Automobile?
    1927... Wer braucht den Tonfilm?
    1953... Wer braucht Farbfernsehen
    1980... Wer braucht Personalcomputer?
    ...
    nur eine kleine Auswahl


    Immer standen mutige Kämpfer auf und riefen: "Halt, mit mir nicht!"


    Eisenbahnen sind nicht dem menschlichen Gefühl für Geschwindigkeit angemessen. Automobile bedeuten das Ende des Pferdes als Nutztier. Der Tonfilm zerstört den Film als Gattung der Kunst. Das Farbfernsehen ist eine viel zu teure technische Spielerei. Nie wird es einen Grund dafür geben, dass jeder Mensch einen eigenen Computer besitzt. Usw. usf.


    Und jetzt: Wer braucht eBooks?


    Die Möglichkeit, billig, vielleicht ohne Verlag eine Veröffentlichung zu produzieren und diese auf einfachste Weise zu verbreiten ist eine technische Tatsache. Diese Möglichkeit wird genutzt. Die Frage, ob das jemand braucht oder nicht, stellt sich nicht. Dagegen anzugehen ist wie Don Quijotes Kampf gegen die Windmühlenflügel.


    Der Weg zu besserer Literatur kann doch nicht darin bestehen, den schreibwütigen Nichtskönnern künstlich Steine in den Weg zu legen. Alles wird durch den Markt geregelt. Der Weg kann nur sein, dass sich ein Markt für hochwertige "Indie-Literatur" entwickelt. Und hier wird es ganz sicher alternative Ideen zur Qualitätssicherung geben, etwa Verlage oder Agenturen, deren Hauptaugenmerk darauf liegt, die Nadeln im Steckhaufen zu finden, die Goldkörnchen in der Sandwüste aufzuspüren und eben von dieser Dienstleistung zu leben, statt von der Herstellung eines Produktes "Buch", dessen eigentlicher Wert gar nicht materieller Natur ist. Noch ist dieser Markt wohl nicht groß genug. Wohl gemerkt: Noch.

  • Mulle


    ein paar, die mir grad so einfallen:


    verwendete Sprache - damit meine ich nicht Orthographie und Interpunktion
    Einsatz von Sprache
    Logik
    Umfang
    alles passend zu dem, was eine erzählen will - Kongruenz


    Die Beziehung, die diese Geschichte zu denen einnimmt, denen sie ähnlich ist, also für die Unterhaltungsliteratur etwa: wo steht mein Krimi innerhalb der Krimis?
    Aber auch: wo steht mein Krimi innerhalb der Unterhaltungsliteratur? Bleibt er Krimi oder greift er weiterführende Fragen auf, reicht also über das Genre hinaus?


    Fragen, die sich eine Autorin stellen muß, gehören dazu:
    was will ich zeigen? Wie bekomme ich das am besten aufs Papier? Reicht meine Fähigkeit wirklich, die Idee so auszuführen, wie sie bestmöglich präsentiert werden kann?
    Wo versagt es?
    Was genau will ich erreichen?


    Also: erfülle ich die selbstgestellte Aufgabe voll, nahezu, halbwegs, so-so?
    Damit meine ich nicht die Selbstzweifel, sondern die Bemühung, das vorhandene Talent möglichst nutzbringend einzusetzen.


    Aber Du bist Profi-Autorin, Dir muß ich das nicht erzählen.


    Es geht hier um AmateurInnen, die nicht denken, sondern vor Publikum Pirouetten drehen wollen und dann zur Kunst erklären, daß sie bei drei Drehungen nur zweimal auf die Nase gefallen sind. Tanzunterricht hatten sie im Übrigen nie.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Liebe magali,
    ich lese gerade ein von manchen, aber nicht allen Kritikern für 'Gut' befundenes Buch, das so gar nicht meinen Geschmack trifft, weil ich beim Lesen fast immer einschlafe und mich darüber ärgere, warum die Autorin, die zweifelsfrei schreiben kann, meinem Bedarf nach mehr 'Tension' nicht nachgekommen ist und m.E. nach den Kriterien des 'Creative Writing' ein Produkt zusammengeschustert hat, das glatte 50% der Leser dazu bringt, dass ihnen bei der Lektüre desselben doch glatt die Füße einschlafen.
    Was ist ein gutes Buch?

  • Ich sehe es 100%ig so wie Magali. Geschmack ist das Totschlagargument in jeder inhaltlichen und kritischen Diskussion über Literatur. Es gibt offensichtliche Qualitätsmerkmale wie die von Magali aufgeführten. Natürlich kann man "gute Literatur" nicht mathematisch definieren, aber man kann sich durch Berücksichtigung verschiedener Merkmale zumindest annähern.


    Wie in der Malerei (man denke an Picasso) ist für mich der Idealfall, dass ein Autor Technik und bestimmte Regeln beherrscht und ein Talent hat, diese originell umzusetzen oder bei Bedarf zu brechen.

  • arter


    mach mich nicht schwach mit dem hintergestrigen Unsinn: der Martk regelt alles.
    Welcher Markt?
    Es gibt keinen 'Markt' als unabhängige Größe.


    Es gibt hunderte Märkte für alles mögliche, die sich stetig verändern, weil sie stetig manipuliert werden, und zwar von denen, die jeweils das meiste Geld damit machen können.
    Daß dabei 'Qualität' herauskommt, kann vorkommen. Fällt jemand ein Beispiel ein?
    :gruebel


    zu den Büchern:


    das Augenmerk von Agenturen und Verlagen liegt bereits auf den Nadeln im Heuhaufen, weil ihnen ein solcher wöchentlich vor die Tür gekehrt wird, ungefragt. Ohne die lieben Leutchen, die mit ihren G'schichtlen das Internet unsicher machen.


    'Der Weg zur besseren Literatur' hat alles mögliche nötig, aber bestimmt keinen 'Markt'.
    Einen Markt findest Du übrigens schon: eine Geschichte, die 99 Cent kostet, muß gut sein, weil sie innerhalb einer Stunden dreihundert Leute gekauft haben.


    Qualitätssicherung, my Aunt Fanny!




    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus