Colorado Saga / Centennial - James A. Michener

  • History unfolds its revealing disclosures in an somewhat more stately pace and most often we do not recognize them as they come.* (Seite 427)


    909 Seiten, kartoniert
    Originaltitel: Centennial
    Aus dem Amerikanischen von Hans E. Hausner, Hannelore Neves und Gisela Stege
    Verlag: Goldmann Verlag, München 1993
    ISBN-10: 3-442-42194-2
    ISBN-13: 978-3-442-42194-7



    Zum Inhalt (Quelle: eigene Angabe)


    Beginnend vor einigen hundert Millionen von Jahren erzählt Michener die Geschichte der Gegend, die heute als „Colorado“ bekannt ist.
    Die eigentliche Handlung beginnt etwa Mitte des 18. Jahrhunderts mit Lame Beaver, dem Krieger der Arapaho. Rund fünfzig Jahre später wird seine Tochter den Trapper Pasquinel heiraten. Ihr Schicksal und das ihrer Nachkommen wird Nachwirkungen haben bis in unsere Zeit.
    Das Buch erzählt vom freien Leben auf der Prärie, den Siedlertrecks, dem Untergang der indianischen Lebensweise und Kultur, dem Entstehen der großen Ranchen und Farmen bis hin zu deren Niedergang, den Fehlentwicklungen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts und wohin das in der Jetztzeit (das Buch endet 1973) geführt hat. Wobei die Probleme der 70er Jahre auch heute noch virulent sind. Eine wahrhaft epische Saga über ein Land und seine Bewohner.



    Über den Autor


    James A. Michener (1907 - 1997) ist in seiner Jugend durch fast die ganze USA gereist und hat dabei alle möglichen Arten von Arbeiten angenommen. Nach seinem späteren Studium war er u. a. am Colorado State Teachers College sowie der Harvard University tätig, was ihn in ersten Kontakt mit Verlagen brachte. Während seines Militäreinsatzes entstand sein erstes Buch „Die Südsee“, für das er 1948 den Pulitzer-Preis erhielt. Michener war drei Mal verheiratet, starb jedoch kinderlos.


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    Vorbemerkung


    Meine Rezi bezieht sich ausschließlich auf die amerikanische Originalausgabe, NICHT auf die deutsche „Übersetzung“. Meine Anmerkungen hierzu finden sich im nächsten Post.
    Die Einordnung in die Forumsrubriken war schwierig. "Belletristik" ist sicherlich nicht passend, aber das Buch entzieht sich auch der hiesigen Epocheneinteilung. Ich habe es letztlich hier einsortiert, weil umfangmäßig der größte Teil der Handlung zwischen etwa 1800 und 1938 spielt.



    Meine Meinung


    Meine Güte, was für ein Buch! Es beginnt mit der Formung der Landschaft, die heute unter dem Namen „Colorado“ bekannt ist und erzählt von seinen Bewohnern. Von den Sauriern, die hier lebten und starben, den Klapperschlangen, den Pferden, den Bibern bis hin zum Menschen, der das Land schließlich in Besitz nahm. Zu dem Zeitpunkt als die eigentliche Handlung beginnt, sind bereits über hundert Seiten gelesen, Jahrmillionen durchschritten und der Boden bereitet für eine wahrhaft umfassende Darstellung der Geschichte Colorados. Michener stellt dabei alles in einen größeren Zusammenhang, wie ich es noch bei keinem Schriftsteller erlebt habe.


    So werden wir der sterbenden Saurierin wieder begegnen, Jahrmillionen später, wenn ihr Skelett ausgegraben wird. Immer wieder, je weiter das Buch voranschreitet, gibt es solche Reminiszenzen, solche Erinnerungen an frühere Ereignisse. Nicht immer über Jahrmillionen, sondern manchmal nur über Jahrzehnte hinweg. Es ist bisweilen erstaunlich, wie schnell de Mensch vergißt.


    „Centennial“ ist die Geschichte des Landes Colorado und seiner Bewohner, und zwar genau in dieser Reihenfolge. Wenn die eigentliche Handlung einsetzt, so um die Mitte des 18. Jahrhunderts, werden die Handlungsträger zwar Menschen, aber immer geht es in der Erzählung um das große Ganze, von dem der Einzelne nur ein kleiner Teil und mehr oder weniger unwichtig ist. Wenn spätere Generation über die Vergangenheit reflektieren, die Namen des Stammbaums zusammensuchen, ist vieles in Vergessenheit geraten. Aber hätte um 1800 Lame Beaver nicht zu seiner Tochter Clay Basket gesagt, sie solle Pasquinel heiraten - die Geschichte hätte einen völlig anderen Verlauf genommen.


    Handlung und Personen des Romans sind, wie der Autor zu Beginn ausdrücklich erwähnt, fiktiv. Dennoch finden sich viele historische Ereignisse im Buch, die so stattfanden. Das „Masskaker“ etwa ist recht deutlich als das vom Sand Creek vom 29. November 1864 an den Cheyenne zu erkennen. Zwar gab es keinen Pasquinel, aber Trapper wie ihn gab es seinerzeit sehr wohl. Oder Levi Zendt, der Mennonit aus Pennsylvania, einer zentralen Figur, der von seiner Familie gebannt wird und mit Elly nach Oregon aufbricht - um nie dort anzukommen. Ungemein beeindruckend die Szene, in der er nach Jahrzehnten nochmals seine Heimat sieht, wo sich so gar nichts verändert hat im Gegensatz zum Westen, wo nichts mehr ist, wie es einmal war.


    Der Untergang der Indianer, denen man nicht das Recht zugestand, nach ihren Vorstellungen leben zu dürfen; mit denen man Verträge schloß, nur um sie gleich wieder zu brechen. Die Ausrottung der Büffel, und damit die Vernichtung der Lebensgrundlage der Urbevölkerung, das Entstehen der ersten großen Rinderranchen und Farmen. Wer sich je gefragt hat, wie es zu solch riesigen Ranchen kam, hier findet man die Erklärung dafür. Levi Zendt, Oliver Secombe, der Rancher aus England, oder Hans Brumbaugh, der Wolgadeutsche, der Potato ganannt wird und das Land urbar macht - sie stehen für eine Pioniergeneration. Als dann die Wendells in Centennial eintreffen, kommt mit ihnen die neue Zeit und neue Methoden. Ihren Erfolg begründen sie mit einem Mord. Und wieder gehen die Gedanken zurück, viele Tausend Jahre, als am Beaver Creek eine Biberin hauste und Jahr für Jahr ihre Jungen groß zog. Aber die Methoden und Einstellungen der Wendells (den Mord mal ausgenommen) sollten auch uns heutigen, sehen wir uns um, bekannt vorkommen.


    Es ist, wie erwähnt, die Geschichte des Landes und seiner Bewohner, das macht sich auch im Stil bzw. der Gewichtung der Erzählung bemerkbar. Stilistisch empfand ich es als eine gelungene Mischung zwischen ausführlicher und nüchterner Erzählweise. Naturgemäß sterben die meisten Protagonisten im Laufe des Buches; manche jung, manche alt, manche eines gewaltsamen, manche eines natürlichen Todes. Und nicht immer erfahren wir direkt davon. Bei etlichen kommt irgendwann der lapidare Hinweis, daß sie an der und der Sache verstorben seien. Das ließ mich manchmal schon, teilweise recht heftig, schlucken, wenn liebgewordene Figuren, die ich über den größten Teil ihres Lebens begleitet hatte, an ihr lapidares Ende kamen. Aber so ist das Leben nunmal.


    Daß auch über neunhundert Seiten nicht ausreichen, alles und jedes Detail zu beschreiben, sollte sich von selbst ergeben. Je weiter der Roman voranschreitet, je größer werden die Abstände zwischen den einzelnen Begebenheiten, und ein paar kleinere Plotlöcher tauchen auf. So wird erwähnt, daß die Kinder von Paul Garret in einem schwierigen Alter seien, woraus ich schließe, daß sie noch bei ihm leben müssen, aber außer dieser Bemerkung finden sie im Buch keine Erwähnung. Allerdings sind das nur kleinere Dinge, die für die eigentliche Handlung nicht wesentlich sind. Angemerkt sei noch, daß das Kapitel über die Revolution in Mexiko teilweise sehr brutal und sicher nichts für schwache Nerven ist. Zwar geht Michener bei den Beschreibungen nicht sehr ins Detail, aber was da an Grausamkeiten passiert, wird mehr als deutlich.


    Je weiter das Buch voranschreitet, je mehr verschränkt sich der Handlungsbogen, um so öfter tauchen Erinnerungssplitter auf, wird auf früheres verwiesen, kommen unweigerlich längst verblichene Bewohner Colorados ins Gedächtnis zurück. Sei es der Saurier, die Biberin und ihre Höhle, oder lange Verblichene Menschen. Pasquinel, Clay Basket, Alexander McKeag, Levi Zendt, Elly Zendt, Lucinda McKeag, Hans Brumbaugh, Oliver Secombe, Jake Lloyd, Charlotte Buckland, Sheriff Axel Dumire und wie sie alle heißen. Michener hat ungemein starke Figuren geschaffen, an die mich noch sehr lange erinnern werde.


    Am Ende angekommen, war ich erschöpft, als ob ich selbst all das durchlebt hätte. Vor dem letzten Kapitel ist ein Stammbaum des bis jetzt letzten Besitzers der Venneford-Ranch eingefügt, und es lohnt sich, ihn ausführlich zu betrachten. (Allerdings erst dann, wenn man soweit ist. Vorher erschließt sich nicht, wer da alles drin enthalten ist und wie die Zusammenhänge sind.) Mein Blickwinkel auf die Geschichte Amerikas, vielleicht die Geschichte überhaupt, hat sich völlig verändert.


    Ein sehr lesenswertes Buch eines Autors, von dem ich gewißlich noch mehr lesen werde. Und vermutlich mein diesjähriges Jahreshighlight.



    Kurzfassung:


    In epischer Breite die grandiose Saga eines Landes und seiner Bewohner.



    Sinngemäße Übersetzung, aus dem Zusammenhang:
    * = Die Geschichte entfaltet (ihre aufschlußreichen Enthüllungen) die zusammenhängende Bedeutung ihrer Geschehnisse in einem etwas langsameren Tempo und meist erkennen wir sie nicht, während sie geschehen. (Fehlt in der deutschen Ausgabe)
    .

    ASIN/ISBN: 3442421942

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Diese Ausgabe besitze ich. Ein Vergleich der Seitenzahlen der diversen Versionen zeigt, daß diese alle inhaltsgleich sein dürften. Wie man so etwas allerdings eine „Übersetzung“ nennen kann, entzieht sich meinem Verständnis.


    Eine Faustregel für Übersetzungen aus dem Englisch besagt, daß die deutsche Version ca. 15% länger ist als die englische. Hier sind die Seitenzahlen für Original und Übersetzung in etwa gleich. Und das dürfte recht genau zeigen, wie stark gekürzt wurde. Ich habe immer wieder Deutsch und Englisch verglichen. Mal fehlte ein Satz, mal ein Absatz. Dann wieder war ein ganzer Absatz in einen Nebensatz zusammengefaßt worden. Und es gab auch die Stellen, an denen ganze Seiten des Originals fehlten. Einmal knapp fünf fehlende Seiten am Stück!


    Die Rahmenhandlung findet in der deutschen Version nur am Anfang und Ende statt. Jedoch wird im Original jedes Kapitel mit einem Einwurf derselben abgeschlossen, in dem sich weitere Informationen zum Inhalt des gerade Gelesenen finden. Diese Erläuterungen fehlen im Deutschen völlig.


    Besonders unangenehm ist mir die Veränderung der Figuren aufgestoßen. So wurde vieles, was mit Religion zu tun hat (Sätze, in denen etwa stand, daß sie sonntags zum Gottesdienst gingen oder beteten) weg gelassen, während negative Aussagen zu diesem Thema im Buch blieben. Hierdurch wird die Charakterisierung der Figuren wie die Intention des Autors selbst verfälscht. An einer Stelle vergaß man anscheinend das Herausnehmen, so daß einer der Protagonisten wie aus heiterem Himmel betet, ohne daß man so recht weiß weshalb.


    Aufgefallen sind mir die Unterschiede, weil ich mich über die holprige Sprache gewundert habe. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ein Buch, das ich stilistische eher mittelmäßig bis mangelhaft einstufen würde, so einen Erfolg haben konnte. Deshalb habe ich ins Original gelesen und verglichen. Und festgestellt, daß das Original ein ganz anderes Kaliber ist. Zwar ist die Sprache eher nüchtern, aber sehr deutlich über dem Niveau der deutschen „Übersetzung“. Eben auf einem solchen, wie man es von so einem Buch erwarten darf.


    Ich habe dann nach etwa 190 Seiten auf die Originalversion gewechselt. Und immer, wenn mir etwas nicht ganz klar war und ich in der deutschen Ausgabe lesen wollte, wie das übersetzt wurde - fehlte das dort. Die Übersetzer konnten mit manchen Begriffen anscheinend auch nicht so richtig etwas anfangen und haben es einfach weggelassen.


    Für mich steht fest, daß ich von Michener noch weitere Bücher lesen werde. Aber sicherlich nicht in deutscher „Übersetzung“, sondern gleich im Original.


    „Centennial / Colorado Saga“ ist ein sehr lohnendes Buch. Aber wenn man lesen möchte, was der Autor (vollinhaltlich) geschrieben hat, muß man zur amerikanischen Ausgabe greifen. Die deutsche ist meiner Meinung nach zensiert, verfälscht und sprachlich - im Gegensatz zur Vorlage - eher mittelmäßig.


    Und wie man den Satz: "Could be," Garret said. "It damn well could be." ins Deutsche "übersetzen" kann als: Doch Garret war eingeschlafen. wird wohl ewig zu den ungelösten Rätseln dieses Universums zählen.




    896 Seiten, gebunden
    Originaltitel: Centennial
    Aus dem Amerikanischen von Hans E. Hausner, Hannelore Neves und Gisela Stege
    Verlag: Bertelsmann Club
    Amazon-ASIN: B001NEQLZU


    ASIN/ISBN: B001NEQLZU

    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Diese (lieferbare) Ausgabe habe ich gelesen.


    909 Seiten, kartoniert
    Verlag: Random House Trade Paperback, New York 2007
    ISBN-10: 0-8129-7842-0
    ISBN-13: 978-0-8129-7842-1
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    ASIN/ISBN: 0812978420

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Diese Ausgabe habe ich im Regal stehen, Ausgabe aus dem Jahre 1987


    Es gefällt mir, daß doch immer wieder ein Fan von Michener auftaucht :-)


    In meinem Regal stehen so ziemlich seine ganzen Werke, einen kleinen Teil leider noch nicht gelesen