Stromschnellen - Bonnie Jo Campbell

  • Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
    Verlag: Piper (16. April 2013)
    ISBN-13: 978-3492054928
    Originaltitel: Once Upon A River
    Preis Gebundene Ausgabe: Euro 22.99
    Preis Kindle E-Book: Euro 16.99


    Autorin


    Bonnie Jo Campbell lebt in Kalamazoo, Michigan. Für ihre Short Stories hat sie etliche Preise gewonnen und war Finalistin bei den American Book Awards. »Stromschnellen« ist ihr erster Roman, mit dem sie auch international Aufsehen erregte.


    Kurzbeschreibung/Klappentext


    Die sechzehnjährige Margo ist am Stark River aufgewachsen und hat zu Fluss und Natur ein sehr viel innigeres Verhältnis als zu den Menschen. Sie spricht wenig bis gar nicht, schwimmt wie ein Fisch und ist eine erstklassige Schützin. Zu ihrem Pech ist sie ungewöhnlich hübsch, und irgendwann geraten die Dinge deshalb außer Kontrolle. Margo flieht und vertraut sich dem Fluss an. Mit ihrem Ruderboot und einem geklauten Gewehr beginnt sie ein Vagabundenleben zu Wasser … Ein großartiger Roman, in dem die moderne Schwester von Huckleberry Finn ihren Platz in einer Welt sucht, auf die niemand sie vorbereitet hat. Nach einem von der Kritik schon hoch gelobten Band Kurzgeschichten gelang Bonnie Jo Campbell mit diesem Roman der literarische Durchbruch.


    Meine Meinung


    In diesem Buch wird die Geschichte der 16-jährigen Margo Crane erzählt. Sie wächst in einer Flussschleife am Stark River im Bundesstaat Michigan (USA) auf. Es ist eine sehr ländliche Gegend und es spielt sich alles am Ende der Siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ab. Von der Mutter verlassen lebt Margo bei ihrem Vater und lernt die praktischen Dinge des Lebens wie jagen, fischen, schiessen und die erlegten Tiere auszunehmen und zuzubereiten und nicht zuletzt für den Vater zu sorgen. Margo ist ein bildschönes jugendliches Mädchen das an der Schwelle zum Erwachsenwerden steht. Eine Tatsache die für den Verlauf der Geschichte von einiger Bedeutung sein wird. Durch ein Unglück wird ihr Vater erschossen und Margo verliert den Boden unter den Füssen und nimmt mit einem Boot Reissaus und begibt sich auf eine abenteuerliche Reise als Vagabundin auf dem geliebten Fluss.


    Es ist eine sonderbare Erzählung die in diesem Buch steckt, besonders für uns europäischen Leser/-innen, denn es geht um uramerikanische Themen wie Freiheit, Jagd und Waffenkult. In unseren Breitengraden wachsen wir mit ganz anderen Lebensgrundsätzen und Vorstellungen auf und man muss sich als Leser/-in auf eine solche Geschichte einlassen können genauso wie auf einen kleinen Zeitsprung dreissig/fünfunddreissig Jahre zurück. Es war damals eine ganz andere Zeit mit anderen Voraussetzungen und ganz besonders in dem verarmten kleinen Örtchen am Fluss namens Murrayville mehrere Meilen entfernt von der nächst kleineren Stadt.


    In diesem Buch spielt, wie oben erwähnt, das Aussehen von Margo und die Wirkung aufs männliche Geschlecht eine grosse Rolle. Es kommt in diesem Buch mehrfach sie sexuellen Handlungen zwischen der minderjährigen Margo und mehr oder weniger fremden Männern. Es ist aber nicht so das Margo dazu gezwungen wird sondern dass sie bewusst die körperliche Nähe zu Männern und somit auch Sicherheit und Geborgenheit sucht. Das hinterlässt, zumindest bei mir, ein grummliges und flaues Gefühl im Magen. Bei Margos stereotypem Verhalten musste ich mehrfach an das Asperger-Syndrom denken. Ich spoilere das bewusst nicht, weil ich glaube, das potentielle Leser/-innen wissen sollten was auf sie zukommt. Ich denke, dass dieser Punkt den ich "Lollita Effekt" titulieren würde die Leserschaft spalten wird, je nach dem welche Moralvorstellungen der/die jeder einzelne Leser/-in hat.


    Der Erzählstil ist flüssig und die Geschichte liest sich gut weg. Die Naturbeschreibungen sind teilweise sehr schön und die Bedeutung eines Flusses für seine Anwohner wird dadurch deutlich gemacht. Die in Amerika berühmte Kunstschützin Annie Oakley *klick*, die Ende des 19. Jahrhunderts in Wildwestshows mit Buffalo Bill und Sitting Bull aufgetreten ist, wird hier adaptiert und ist das grosse Idol von Margo. Wer diese Geschichte mag und ähnliche Lektüre sucht empfehle ich mal Joe R. Lansdale, Daniel Woodrell, James Dickey oder Edward Abbey genauer anzuschauen oder auf den Klassiker "Huckleberry Finn" von Mark Twain zurückzugreifen.


    Mit der Wertung tue ich mich sehr schwer. Mehr als 7 Eulenpunkte kann ich aber nicht vergeben.

  • Lebensräume des Kranichs, nach dem Margo Cranes Familie sich nennt, sind u. a. Flussufer und Sümpfe. Margo fischt, jagd und durchquert den Fluss Stark River schwimmend, um ihre Cousins im gegenüberliegenden Haus am anderen Flussufer zu besuchen. Als ihr Idol hat sie die Kunstschützin Annie Oakley erkoren. Margo schießt wie der Teufel und kann sich in ihrem Jagdeifer außerhalb der Jagdsaison kaum bremsen. Bisher blieb Margos Sucht etwas abzuknallen unentdeckt, noch hat sie niemand wegen Wilderei angezeigt. Umgeben ist das Mädchen fast ausschließlich von Männern, ihrem Vater, einem Onkel, Cousins, sowie diversen Kumpels der Erwachsenen, die zum Fischen und Jagen an den Fluss kommen. Männer macht Margo mit ihren einzigartigen Schießkünsten einfach fertig. Da Margo seit kurzem nicht mehr wächst, hält die 16-Jährige sich endlich für erwachsen - doch das ist sie mit Sicherheit noch nicht. Eine enge Beziehung verband Margo mit ihrem Großvater, von dem sie alles über den Fluss gelernt hat und der ihr nach seinem Tod sein Boot vererbte. Die wichtigste Wissen über den Stark River ist, dass man dessen eigenen Willen respektieren muss. Für Menschen wie Margo, die ihr Leben am liebsten allein in der Natur verbringen, gibt es wenig Raum in unserer Welt; bis auf seltene Jobs für Wildhüter oder Biologen. Der zu einfache Zugang zu Waffen erhöht bekanntlich das Risiko von tödlichen Zwischenfällen im privaten Bereich. So verursacht Margos Vernarrtheit in ihr Gewehr ein Missverständnis, das ihren Vater das Leben kostet. Margo verlässt mit Boot und Gewehr ihr Elternhaus, um auf dem Wasserweg die Spur ihrer verschwundenen Mutter aufzunehmen. Unterwegs benutzt sie Sexualität als Tauschwährung, um kurzfristig bei allein lebenden Männern unterzuschlüpfen. Eine erstaunliche Wende kündigt sich an, als Margo zwei betagte Herren kennenlernt, von denen selbst sie noch lernen kann und die ihr mehr zu bieten haben als sexuelle Abhängigkeit. Margos krasser Umgang mit Sexualität lag bis zu diesem Zusammentreffen hart an der Grenze zur Selbstverletzung.


    Margo lebt ähnlich einem weiblichen Huck Finn das Leben einer Räuberin; auf ihrer abenteuerlichen Reise rechnet sie jederzeit mit Verfolgern in ihrem ureigenen Revier. Ihre Beziehungen zu miteinander konkurrierenden Männern bergen dabei für sie größere Gefahren als das Leben unter freiem Himmel. Mit Margo ist Bonnie Jo Campbell eine hinreißend widersprüchliche, freiheitshungrige Heldin gelungen, die sich kaum um Konventionen oder Gesetze schert. Wer sich mit Margos krasser Promiskuität abfinden kann, erlebt gemeinsam mit Campbells jugendlicher Heldin eine moderne Abenteuergeschichte am und im Wasser, die mich durch ihre Naturschilderungen beeindruckt hat.


    8 von 10 Punkten

  • Das Leben Margos aus Murrayville, Michigan, hat mit meinem eigenen Leben genau so viel zu tun: gar nichts.


    Deswegen konnte ich mich vielleicht auch so entspannt zurücklehnen und eine Seite nach der anderen... genießen kann man ja nicht schreiben, dafür gab es zu viel rohe Gewalt, sowohl Menschen gegenüber als auch Tieren. Aber es gab so viel Ursprüngliches in Margos Charakter und Lebensweise, und eine Buchfigur sagt über sie, sie sei ein Relikt, ihr Lebensstil aus einer anderen Zeit.


    Ich konnte natürlich nicht immer alles nachvollziehen oder unterschreiben, was die 17-Jährige in ihrer Geschichte entscheidet und daraufhin erlebt, aber bei aller Wildheit und allem Verlust, den sie erleidet, wünscht sie sich doch nur eins: nicht einsam zu sein und sich um jemanden kümmern zu können. Und Hirsche zu schießen.


    Für besonders schwache Nerven ist dieses Buch über das Leben eines Mädchens allein draussen vielleicht nichts, denn es wird schon sehr bildlich das Jagen, Schlachten und Häuten von Tieren beschrieben. Aber die Geschichte ist trotzdem interessant, ich mag aber einfach im Moment sehr gern diese Wildnis-Sache.


    Von mir gibt es 8,5 Punkte.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“