Titel: Dein totes Mädchen
Autorin: Alex Berg
Verlag: Knaur
Erschienen: Mai 2013
Seitenzahl: 352
ISBN-10: 3426513455
ISBN-13: 978-3426513453
Preis: 9.99 EUR
Eigentlich ist das alltägliche Leben die reine Normalität; trotzdem aber beschäftigen wir uns intensiv damit, interpretieren, versuchen zu verstehen, verzweifeln an dem was man Leben nennt, rennen gegen Wände die oftmals gar nicht vorhanden sind – schreiben und lesen darüber.
Und sehr oft wird dieses „normale“ Leben in Büchern beschrieben, die uns nicht wieder loslassen, die zu mehr werden können als zu einem ganz x-beliebigen Buch. Es sind diese Bücher in denen wir als Leser selbst ein wenig leben, wo wir gedanklich zum Teil der Geschichte werden. Wo wir uns mit den handelnden Personen identifizieren, wo wir uns in sie hineinversetzen, wo wir versuchen ihr erzähltes Leben ein klein wenig mit zu leben – als sei es das unsere Leben – wo wir versuchen ein Teil der Geschichte, ein Teil des Buches zu werden.
Und eine solche Geschichte hat Alex Berg geschrieben.
Caroline verliert ihre Tochter Lianne durch einen Unfall. 27 Jahre alt war Lianne gerade alt gewesen als sie aus dem Leben gerissen wurde. Für Caroline bricht nicht nur eine Welt zusammen. Caroline flieht vor ihrer Trauer in die schwedischen Wälder. Dort hatte ihre Familie an einem See ein Haus. Aber sie weiß auch, dass sie vor ihrer Trauer nicht davonlaufen kann. Und dann taucht Kriminalkommissar Ulf Svensson auf, er war in jungen Jahren ihre große Liebe. Die Erinnerungen kommen über sie wie eine gewaltige Lawine.
Und doch ist da noch etwas anderes. Svensson scheint einen furchtbaren Verdacht zu haben.
Mehr soll zum Inhalt dieses Buch an dieser Stelle auch nicht verraten werden.
Es fällt nicht leicht die Meinung die ich zu diesem Buch habe in Worte zu fassen; zu sehr hat mich dieses Buch nachdenklich zurückgelassen. Selten wohl habe ich eine so eingehende Beschreibung menschlichen Verhaltens gelesen. Die handelnden Personen in dieser Geschichte wirken unglaublich real und man kommt ihnen als Leser fast distanzlos nah – als würde man sie schon ewig kennen, als sei man ihnen früher schon begegnet.
Es ist aber auch ein Buch über Schuld, über vergangene und gegenwärtige Schuld. Und man sieht sich als Leser vor die Frage gestellt: Wer will beurteilen ob jemand schuldig geworden ist? Schuld ist rechtlich messbar – aber ist sie es auch in moralischer Hinsicht? Welche Moral zählt hier? Ist Schuld teilbar? Und kann jemand schuldig werden auch wenn er nicht beteiligt war? Und was ist dabei Gerechtigkeit? Wo beginnt sie – wo endet sie? Ein Buch auch über menschliche Verstrickungen, über zutiefst menschliches Verhalten – Verhalten, bei dem in der Regel immer jemand auf der Strecke bleibt.
Das alles wird in einer fast schon beängstigenden Intensität geschildert. Ein Buch – würde man es jetzt pathetisch sagen – mit dem Herzblut der Autorin geschrieben wurde. Ein solches Buch schreibt sich nicht so einfach mal ebenso – da geht man auch als Autor sicher an seine Grenzen, ist vielleicht sogar versucht, das Projekt beiseitezuschieben, es nicht zu vollenden – kann sich dann aber doch nicht lösen. Vielleicht geht es der Autorin ja auch wie sicher einigen Lesern: Wenn die letzte Seite gelesen ist, wenn das Buch zugeklappt wird, dann bleibt eine gewisse Leere zurück – dann fällt es schwer sofort zum nächsten Buch zu greifen.
Dieses Buch von Alex Berg ist ein Buch das nahe geht, das dabei aber auch sehr realistisch ist, sich eben nicht in nebulösen Sentimentalitäten verrennt. Ein Buch nicht für die Tränendrüsen geschrieben, auch wenn es ganz sicher bei dem einen oder anderen Tränendrüsenreaktion hervorruft.
Der Schluss dieses Buches hätte übrigens nicht anders geschrieben werden können. Jeder andere Schluss hätte nicht gepasst. Gerade auch dafür ist der Autorin ein ganz großes Kompliment zu machen.
Mit diesem Buch hat Alex Berg den Nachweis angetreten, dass sie nicht nur eine sehr gute Thriller-Autorin ist, sondern darüberhinaus auch eine bemerkenswerte Erzählerin. Eine Autorin die wirklich etwas zu sagen hat und die bezüglich ihrer Vielseitigkeit imponiert.
10 Eulenpunkte