Alex Berg - Dein totes Mädchen

  • Titel: Dein totes Mädchen
    Autorin: Alex Berg
    Verlag: Knaur
    Erschienen: Mai 2013
    Seitenzahl: 352
    ISBN-10: 3426513455
    ISBN-13: 978-3426513453
    Preis: 9.99 EUR


    Eigentlich ist das alltägliche Leben die reine Normalität; trotzdem aber beschäftigen wir uns intensiv damit, interpretieren, versuchen zu verstehen, verzweifeln an dem was man Leben nennt, rennen gegen Wände die oftmals gar nicht vorhanden sind – schreiben und lesen darüber.


    Und sehr oft wird dieses „normale“ Leben in Büchern beschrieben, die uns nicht wieder loslassen, die zu mehr werden können als zu einem ganz x-beliebigen Buch. Es sind diese Bücher in denen wir als Leser selbst ein wenig leben, wo wir gedanklich zum Teil der Geschichte werden. Wo wir uns mit den handelnden Personen identifizieren, wo wir uns in sie hineinversetzen, wo wir versuchen ihr erzähltes Leben ein klein wenig mit zu leben – als sei es das unsere Leben – wo wir versuchen ein Teil der Geschichte, ein Teil des Buches zu werden.


    Und eine solche Geschichte hat Alex Berg geschrieben.


    Caroline verliert ihre Tochter Lianne durch einen Unfall. 27 Jahre alt war Lianne gerade alt gewesen als sie aus dem Leben gerissen wurde. Für Caroline bricht nicht nur eine Welt zusammen. Caroline flieht vor ihrer Trauer in die schwedischen Wälder. Dort hatte ihre Familie an einem See ein Haus. Aber sie weiß auch, dass sie vor ihrer Trauer nicht davonlaufen kann. Und dann taucht Kriminalkommissar Ulf Svensson auf, er war in jungen Jahren ihre große Liebe. Die Erinnerungen kommen über sie wie eine gewaltige Lawine.


    Und doch ist da noch etwas anderes. Svensson scheint einen furchtbaren Verdacht zu haben.


    Mehr soll zum Inhalt dieses Buch an dieser Stelle auch nicht verraten werden.


    Es fällt nicht leicht die Meinung die ich zu diesem Buch habe in Worte zu fassen; zu sehr hat mich dieses Buch nachdenklich zurückgelassen. Selten wohl habe ich eine so eingehende Beschreibung menschlichen Verhaltens gelesen. Die handelnden Personen in dieser Geschichte wirken unglaublich real und man kommt ihnen als Leser fast distanzlos nah – als würde man sie schon ewig kennen, als sei man ihnen früher schon begegnet.


    Es ist aber auch ein Buch über Schuld, über vergangene und gegenwärtige Schuld. Und man sieht sich als Leser vor die Frage gestellt: Wer will beurteilen ob jemand schuldig geworden ist? Schuld ist rechtlich messbar – aber ist sie es auch in moralischer Hinsicht? Welche Moral zählt hier? Ist Schuld teilbar? Und kann jemand schuldig werden auch wenn er nicht beteiligt war? Und was ist dabei Gerechtigkeit? Wo beginnt sie – wo endet sie? Ein Buch auch über menschliche Verstrickungen, über zutiefst menschliches Verhalten – Verhalten, bei dem in der Regel immer jemand auf der Strecke bleibt.


    Das alles wird in einer fast schon beängstigenden Intensität geschildert. Ein Buch – würde man es jetzt pathetisch sagen – mit dem Herzblut der Autorin geschrieben wurde. Ein solches Buch schreibt sich nicht so einfach mal ebenso – da geht man auch als Autor sicher an seine Grenzen, ist vielleicht sogar versucht, das Projekt beiseitezuschieben, es nicht zu vollenden – kann sich dann aber doch nicht lösen. Vielleicht geht es der Autorin ja auch wie sicher einigen Lesern: Wenn die letzte Seite gelesen ist, wenn das Buch zugeklappt wird, dann bleibt eine gewisse Leere zurück – dann fällt es schwer sofort zum nächsten Buch zu greifen.


    Dieses Buch von Alex Berg ist ein Buch das nahe geht, das dabei aber auch sehr realistisch ist, sich eben nicht in nebulösen Sentimentalitäten verrennt. Ein Buch nicht für die Tränendrüsen geschrieben, auch wenn es ganz sicher bei dem einen oder anderen Tränendrüsenreaktion hervorruft.


    Der Schluss dieses Buches hätte übrigens nicht anders geschrieben werden können. Jeder andere Schluss hätte nicht gepasst. Gerade auch dafür ist der Autorin ein ganz großes Kompliment zu machen.


    Mit diesem Buch hat Alex Berg den Nachweis angetreten, dass sie nicht nur eine sehr gute Thriller-Autorin ist, sondern darüberhinaus auch eine bemerkenswerte Erzählerin. Eine Autorin die wirklich etwas zu sagen hat und die bezüglich ihrer Vielseitigkeit imponiert.


    10 Eulenpunkte

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • :fetch Das ist ja so gemien, dass du mir dermaßen die Nase lang machst.
    Nach deiner Rezi kann ich kaum erwarten, das Buch endlich zu lesen. Danke!

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Hatte gestern abend eine Lesung bei Buch & Medien in Bad Bramstedt. Dort lag das tote Mädchen druckfrisch - sehr attraktriv plaziert - auf einem zentralen Tisch. Habe dann nach meiner Lesung ein bisschen angegeben, dass Alex und ich uns kennen, uns oft über unsere Stoffe austauschen etc. und das Buch den Zuhörern warm empfohlen (nachdem sie ordentlich bei meinen beiden Büchern zugegriffen hatten ... :grin). Und natürlich hab ich´s auch mitgenommen und werde es als übernächstes lesen. Deine Rezi dazu, lieber Voltaire, ist der Hammer. Wer dich kennt, wäre ziemlich bescheuert, wenn er das Buch nach dieser engagierten Besprechung nicht sofort lesen würde! :wave

  • Alex Berg kenne ich als Leser von ihren beiden Politthrillern Marionette und Machtlos. Dieses Buch ist so ganz anders, dass ich zunächst der Autorin und dem Verlag danke, dass beide bei der grassierenden Pseudonymeritis nicht mitgemacht haben.


    Ganz anders? Ja, was das Genre angeht, das ist kein Politthriller, nicht mal ein Krimi, auch wenn durchaus Blut fließt und ein Kommisar die männliche Hauptfigur spielt, aber ganz anders dann wieder doch nicht. Wo Alex Berg draufsteht, da ist auch Alex Berg drin, also alle Qualitäten, die bei den beiden Politthrillern schon hervorgetreten sind finden wir hier auch. Sorgfältig, dreidimensional gezeichnete Figuren mit Ecken und Kanten, eine Sprache, die den Leser in das Buch hineinzieht, eine Geschichte, die spannend ist bis zum Ende. Das Ende - warum kann ich aus Spoilergrunden nicht sagen - hat mich ganz besonders überzeugt.


    Alex Berg erzählt eine Geschichte in der sie die Leser ganz nah ran lässt an ihre Figuren, auch wenn sich die Motive und die jeweilige Vergangenheit, die die Gegenwart so heftig prägt nur nach und nach enthüllen. Eine Geschichte bei der die Gegend eine starke Rolle spielt, Schweden im dicksten Winter. Also als Buchempfehlung zu lesen im Hochsommer, wenn man unter der Hitze stöhnt, wen man dann dieses Buch liest wird einem von alleine kalt. Allerdings sollte man Zeit einplanen. Ich habe am Feiertag morgens um sechs angefangen und nach den letzten Zeilen des Buches um halb zwei gefrühstückt. Das ist das Einzige, das ich an so einem Buch bedauere, die Autorin schreibt ein Jahr an dem Buch, feilt und überlegt jedes Wort und ich als Leser atme es in einem Tage ein. Bestraft damit wieder lange auf ein Buch von Alex Berg warten zu müssen.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Alex Berg: Dein totes Mädchen


    Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)


    Caroline kann es immer noch nicht glauben, dass ihre Tochter Lianne tot
    ist. Ein tödlicher Verkehrsunfall hat die 26-Jährige aus dem Leben
    gerissen. Tage später stirbt auch der schuldige Autofahrer. Zerrissen
    von Trauer und Wut, flieht Caroline aus Hamburg in die Einsamkeit der
    schwedischen Wälder. Als sie das Haus ihrer Familie am See erreicht,
    wird sie von Erinnerungen überwältigt. Achtundzwanzig Jahre liegt ihr
    letzter Besuch zurück, doch es ist, als wäre sie nie fort gewesen. Und
    schnell wird klar, dass Caroline Schuldgefühle plagen, die über die
    Trauer weit hinausgehen. Umgeben von der tiefen Ruhe der schneebedeckten
    Wälder, entzieht sie sich immer mehr der Realität. Bis
    Kriminalkommissar Ulf Svensson, auftaucht, mit einem entsetzlichen
    Verdacht …


    Autorin (Quelle: amazon)


    Alex Berg hat viele Jahre als freie Journalistin gearbeitet, bevor sie
    ihre ersten Spannungsromane verfasste. Ihre politisch brisanten Thriller
    "Machtlos" und „Die Marionette“ sowie ihr Roman "Dein totes Mädchen"
    haben die Leser im Sturm erobert. Hinter dem Pseudonym Alex Berg
    verbirgt sich die Autorin Stefanie Baumm. Mehr Informationen unter
    www.alex-berg.com


    Allgemeines


    Taschenbuch mit 352 Seiten, erschienen am 2.Mai 2013 beim Knaur (TB) Verlag
    Erzählung in der dritten Person, 43 Kapitel, die durch Leerzeilen feinuntergliedert sind
    Genre-Zuordnung
    Auf dem verlinkten Cover steht "Thriller", auf meinem Buch steht "Roman". Da Letzteres viel zutreffender ist, stelle ich "Dein totes Mädchen" in dieser Rubrik vor.


    Zum Inhalt


    Die 47-jährige Caroline kehrt nach 28 Jahren der Abwesenheit aus Hamburg, wo sie zuletzt gelebt hat, in ihr Elternhaus nach Härjedalen in Schweden zurück. Dort will sie ihren Schmerz über den Unfalltod ihrer 27-jährigen Tochter Lianne verarbeiten. Caroline sucht keine Kontakte, da kommt es ihr gerade recht, dass die Leute im Dorf sie freundlich begrüßen, aber keine neugierigen Fragen stellen. Nur bei ihren Jugendfreunden Björn und Maybrit erregt ihre Rückkehr Aufsehen. Mit Ulf Svensson, dem Cousin ihrer Freundin Maybrit, war Caroline liiert gewesen. Es wurden sogar Heiratspläne geschmiedet, bis Caroline, deren Eltern inzwischen tödlich verunglückt waren, nach einem eigentlich belanglosen Streit Ulf und Schweden Hals über Kopf verließ und nie zurückkehrte.
    Ulf verließ kurz darauf ebenfalls den Ort, an dem ihn alles an seine große Liebe erinnerte und lebt seitdem als eiserner Junggeselle in Stockholm, wo er es zum Leiter der Mordkommission gebracht hat. Als er durch ein versehentlich an seine Abteilung geschicktes Radarfoto der Verkehrsüberwachung erfährt, dass Caroline nach Schweden zurückgekehrt ist, fährt er sofort nach Härjedalen hinauf, denn er hofft nach fast drei Jahrzehnten immer noch auf eine Erklärung für Carolines plötzliches Verschwinden.
    Die Begegnung zwischen dem ehemaligen Liebespaar ist brisant: obwohl noch immer eine starke gegenseitige Anziehung besteht, gibt es in Carolines Leben mehrere Geheimnisse, die sie nicht aufgedeckt sehen will. Da kann Ulf, der ihr unbedingt beistehen will, schnell zur Bedrohung für sie werden...


    Eigene Beurteilung


    Bei "Dein totes Mädchen" handelt es sich weder um einen Thriller noch um einen Krimi, auch wenn kriminelle Handlungen eine Rolle in der Geschichte spielen. Das bedeutet jedoch absolut nicht, dass dieses Buch langweilig wäre. Im Gegenteil: Der Leser erfährt anfangs nur sehr wenig über die Vorgeschichte von Caroline und Ulf und fast nichts über das Leben, das Caroline in den vergangenen drei Jahrzehnten an den verschiedensten Orten geführt hat. Erst durch Details, die ihre Jugendfreunde Björn und Maybrit beisteuern, und auch durch Erinnerungen von Ulf und Caroline setzt sich allmählich ein Bild zusammen. Durch diese häppchenweise Informationstaktik wird das Interesse des Lesers beständig am Leben erhalten, man möchte unbedingt erfahren, was außer dem tödlichen Unfall ihrer Tochter noch dazu beigetragen hat, dass der Lebenswille in Caroline zunehmend schwächer wird. Verläuft die Spannungskurve zu Beginn eher flach, so steigt sie im weiteren Verlauf des Romans stark an, als Ulf Carolines Grenzen nicht respektieren kann.
    Ulf und Caroline sind ziemlich extreme Charaktere, nicht unbedingt sympathisch und in ihren Handlungen nachvollziehbar, aber sehr interessant. Das Konfliktpotenzial zwischen ihnen sorgt für Spannung. Björn und Maybrit dienen als ausgeglichenere Persönlichkeiten als Puffer zwischen dem "explosiven" Paar.
    Der anschauliche Schreibstil der Autorin sagt mir sehr zu, besonders die atmosphärisch dichten Beschreibungen der eisigen, kargen nordschwedischen Winterlandschaft, die gut die oft melancholische Grundstimmung der Protagonistin reflektiert, ist sehr gelungen. Mir persönlich hat es lediglich missfallen, dass Carolines Hund, dem in diesem Roman eine wichtige Rolle zukommt, immer nur "der Hund" genannt wird und namenlos bleibt.


    Fazit


    "Dein totes Mädchen" ist ein Roman, der eine ebenso obsessive wie destruktive Liebe thematisiert und stellenweise sehr traurig ist. Obwohl es sich nicht um einen Krimi/Thriller handelt, hat das Buch Spannung zu bieten und kann besonders denjenigen Lesern empfohlen werden, die gern Bücher über die Enthüllung und Aufarbeitung vergangener existenzieller Konflikte lesen.
    8 Punkte

  • Es kommt eigentlich so gut wie gar nicht vor, dass mich ein Buch emotional wirklich intensiv packt. Ich lese meistens mit viel Distanz, auch wenn mich die Handlung fesselt.


    Hier war das aber anders. Ich litt mit Ulf und Caroline (und auch ein bisschen mit Björn und Maybrit, die das Freunde-Kleeblatt vor fast 30 Jahren bildeten), die sich beide selbst im Weg standen und zwar um ihre eigenen Geheimnisse und Gedanken wussten, aber vom anderen ebenso wenig erfahren haben wie wir Leser und das erst nach und nach aufweichte. Auch wenn sie sich im Grunde sehr gut kannten, schreckten sie immer wieder davor zurück, an die ungesagten Dinge zu rühren, weil sie spürten, dass es ihnen zuviel werden könnte. Und das spürte ich auch. Schicht um Schicht wurde aufgedeckt, die Fassade immer mehr eingerissen und was zutage gefördert wurde, schien vieles zu erklären, aber immer noch nicht alles gewesen zu sein.


    So intensiv, wie die vier Freunde ihre vielschichtigen, verfahrenen Gefühle erlebten, so eindringlich waren sie auch für mich als Leser. An eigentlicher Handlung passierte nicht besonders viel und was die Spannung ausmachte, entstand durch die Verflechtungen im Schicksal der Protagonisten. Dass ich trotzdem nur so durch die Seiten flog und das Buch in kürzester Zeit verschlungen habe, lag an der Erzählkunst der Autorin, die es durchgängig geschafft hat, mich ins Leben von Caroline und Ulf, Maybrit und Björn mitzunehmen.

  • Wer glaubt, dies sei eine Fortsetzung der Thriller Machtlos und der Marionette, wird von diesem Buch überrascht sein, denn es lässt sich nicht vergleichen. Die Autorin zeigt uns eine ganz andere Seite ihres Könnens.



    Caroline kehrt nach dem Unfalltod ihrer Tochter Lianne in das Haus ihrer Kindheit nach Schweden zurück. Sie ist voll der Trauer. Nach langen Jahren kehrt auch Ulf, ein Polizist aus Stockholm und ihre große Jugendliebe heim. Es gibt ein Wiedersehen des alten Quartetts Caroline, Ulf, Björn und Maybrit. Sie haben sich alle in sehr unterschiedliche Richtungen entwickelt und jeder hat seine eigene Lebensgeschichte, die ihn geprägt hat.


    Die Autorin beschreibt die einsame, verschneite und auch melancholische Landschaft Schwedens äußerst präzise und als Leser spürt man förmlich die Kälte und den Schneesturm. Die einzelnen Figuren schildert sie realistisch, greifbar und alle mit Ecken und Kanten. Die Sprache ist klar, schnörkellos, ohne überflüssige Ausschmückungen. Spannend ist für diese Geschichte nicht das richtige Wort, eher intensiv und aufwühlend. Sie hat mich regelrecht in den Bann gezogen, sie hat mich körperlich mitgerissen und auch mitgenommen. Ich konnte das Leid und die Trauer von Caroline nachvollziehen und die Aufdeckung verschiedener Geheimnisse machten manche ihrer Handlungen verständlicher. Das Ende der Geschichte musste für mich so und nicht anders sein.


    Und nun heißt es warten auf den 3. Band mit Valerie.

  • Alex Berg ist es mit "Dein totes Mädchen" gelungen, ein fesselndes Drama zu schreiben, in dessen Mittelpunkt die schwierige Liebesgeschichte von Ulf und Caroline steht.


    Der Leser wird ins tief verschneite Nordschweden entführt und wird durch die intensive Beschreibung der Orte nahezu eins mit der Landschaft. Bei den Protagonisten sieht es meiner Meinung nach ein wenig anders aus: Sie blieben mir fast alle bis zum Ende eher fremd und ich habe sie mit einer gewissen Distanz betrachten können. Dennoch hat mich die Geschichte berührt, gepackt und hin- und hergeschüttelt.


    Der Spannungsbogen der Geschichte ist interessant gezeichnet, da der Höhepunkt nicht etwa kurz vor Schluss einsetzt, sondern schon um einiges früher. Das Ende, bei dem dann deutlich an Tempo aus der Geschichte genommen wird, ist aber stimmig.


    Ich hätte mir gewünscht, ein paar Hintergründe mehr zu dem Geschehen in der Vergangenheit zu erfahren. Das wurde nach meinem Geschmack etwas zu kurz abgehandelt. Vielleicht wären mir dann die Personen nicht alle so merkwürdig fremd geblieben. Wobei mich die Distanz zu den Personen nicht gestört hat; ich fand es lediglich ungewöhnlich und war überrascht, dass mich die Geschichte eben doch so mitgerissen hat.


    Was bleibt, ist der Wunsch, unbedingt mal im Winter nach Nordschweden fahren zu wollen. :-] Und ich hinterlasse gute 8 von 10 Punkten.

    With freedom, books, flowers and the moon, who could not be happy? - Oscar Wilde


    :lesend Rock My World - Christine Thomas

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  • Für mich war "Dein totes Mädchen" das erste Buch von Alex Berg, dass ich gelesen habe, und es hat mir sehr gut gefallen, auch wenn die Geschichte ziemlich traurig ist.


    Das Buch ist derart atmosphärisch dicht geschrieben, dass einem bei der Schilderung des nordschwedischen Winters auch bei schönstem Maiwetter nach einer Decke und einem heißen Tee zumute ist, und auch bei der Handlung wird man sofort ins Geschehen hineingezogen. Man spürt, dass zwischen Caroline und ihren Freunden aus Jugentagen viel Unausgesprochenes liegt, dass jeder der Vier Verletzungen (sichtbare und unsichtbare) mit sich herumträgt, die noch lange nicht ausgeheilt sind. Als dann auch noch ein Schneesturm Caroline und ihre frühere Jugendliebe Ulf einschneit, kommt es zur Konfrontation zwischen den beiden... und spätestens zu diesem Zeitpunkt war ich mit den beiden eingeschneit, konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen bis zum Ende, das mMn für das Buch sehr richtig und stimmig ist.


    Mein einziger Kritikpunkt ist der gleiche wie bei meiner Vorschreiberin, nämlich dass das entscheidende Ereignis in der Vergangenheit zu kurz abgehandelt wurde - da sind bei mir doch einige Fragen offen geblieben.
    Allerdings sind mir die Personen nicht fremd geblieben - ich fand sie zwar nicht alle sympathisch und konnte ihr Handeln nicht unbedingt immer nachvollziehen, aber trotzdem fand ich sie gut und lebendig beschrieben und hatte keine Probleme, sie mir in meinem Kopfkino vorzustellen.


    Das Buch bekommt von mir 8 von 10 Eulenpunkte und ich werde es ganz sicher weiterempfehlen - allerdings sollte man es nicht gerade dann lesen, wenn es einem seelisch nicht gut geht.


    LG, Bella

  • „Dein totes Mädchen“ von Alex Berg ist ein spannender, aber auch ein ungemein berührender Roman über Trauer und Wut, Schuld und Schuldgefühle, Angst und Liebe. Er lässt sich nur schwer in ein bestimmtes Genre einordnen. Für mich ist er eine dramatische Liebesgeschichte, spannend erzählt wie ein Krimi.


    Bei mir war vor allem das kleine Wörtchen „warum“ schuld daran, dass mich dieses Buch von der ersten bis zur letzte Seite gefesselt hat. Warum hat Caroline vor 28 Jahren Hals über Kopf Schweden verlassen? Warum ist sie erst jetzt wieder zurückgekommen. Diese Fragen haben mich von Anfang an beschäftigt. Weil die Autorin aber immer nur geschickt etwas andeutet, ohne ins Detail zu gehen, wurde die Geschichte zunehmend spannender … und wie einer ihrer alten Jugendfreunde hätte ich Caroline zwischendurch am liebsten geschüttelt und angeschrien: Sag mir einfach, warum! Das ist alles, was ich von dir will. Sag mir, warum du weggegangen bist!


    Wie sich die Autorin in die Psyche ihrer Figuren hinein spürt fand ich wirklich bemerkenswert. Dadurch sind die Charaktere für mich sehr glaubwürdig und real rübergekommen.
    Beeindruckt haben mich aber auch die bildhaften und zum Teil wunderschönen Beschreibungen der nordschwedischen Winterlandschaft.


    10 Punkte!

  • Titel: Dein totes Mädchen
    Autorin: Alex Berg
    Verlag: Knaur
    ISBN-13: 978-3426513453


    Ein fesselndes Buch über Schuld, vermeintliche und tatsächliche, juristische und moralische. Und darüber, wie Menschen mit dieser Schuld umgehen, wie sie sie für sich interpretieren, immer vor dem Hintergrund ihrer ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten und Lebenserfahrungen. Verstörende Bilder, eingebettet in eine grandiose nordische Winterlandschaft, in Eiseskälte und überwältigende Natur. Das ist ein, um im Bild zu bleiben, eisglatter Grat, den ein(e) Autor(in) da betritt: Große Gefühle, unsterbliche, unerfüllte Liebe, Mord und Verlust. Allzu leicht kann das peinlich ausgehen.
    Oder großer Roman werden - wie hier.
    Nur zu gern - jetzt, nachdem ich ihr fertiges Buch verschlungen habe - erinnere ich mich an die Telefonate mit Stefanie (Alex), in denen sie klagte, bei diesem neuen Roman Spannung ohne "brutal action" erzeugen zu müssen. Keine Schlachten, nicht einmal Gefechte oder Anschläge ...
    Die Sorge war unbegründet.
    Wenn jemand so dicht, so handwerklich perfekt schreiben kann wie diese Autorin, darüber hinaus an vielen Stellen des Textes ihre gedankliche und stilistische Originalität hervorblitzt, dann kann eine solche Autorin es sich auch leisten, manches nur anzudeuten, nicht alles zu Ende zu erklären. So bleiben in diesem Roman ein paar Fragen offen. Wie im richtigen Leben.


    Ein bewegender Roman. Ich werde mich hüten, andere Autoren mit Noten zu bewerten. Aber eins steht fest: Dies ist ein leseswertes, ein ganz besonderes, ein aufwühlendes, vor allem aber ein saugut geschriebenes Buch!
    :anbet

  • Eine weitere Premiere für mich mich. Mit dieser Erzählung mache ich mich mit einer Autorin vertraut von der ich schon viel positives gehört habe. Nach Meinung etablierter Leser die mein Vertrauen geniessen, ist dieser Roman aber ganz anders als die beiden Thriller die sie veröffentlicht hat. Das muss stimmen denn dieses Buch ist kein Thriller, nicht mal annähernd, sondern eine tragische Geschichte über Verlust und Schuldgefühle bei dem zwar ein Kriminalkommissar eine tragende Rolle einnimmt aber es ist und bleibt ein Roman. Wer mit falschen Erwartungen an dieses Buch geht dürfte Enttäuscht werden.


    Der offiziellen Kurzbeschreibung / dem Klappentext ist nichts mehr Wesentliches hinzuzufügen. Es ist alles Wichtige erwähnt und mehr zu verraten wäre sträflicher Blödsinn und würde die Spannung töten. Ich verzichte deshalb darauf den Inhalt mit eigenen Worten zusammenzufassen.


    Alex Berg fokussiert sich ganz auf die Protagonisten und blendet die restliche Welt mehr oder weniger bis auf notwendige Begebenheiten aus. Einzig der frostige und schneereiche schwedische Winter wird zum stillen Begleiter der Personen und auch der Leser/-innen. Oder ist der Winter anstatt des stummen Gefährten, von dem höchsten ein eindringliches Pfeifen des eiskalten Windes zu hören ist, eher ein Bollwerk das die Figuren von der Aussenwelt abschottet und der stillen Einsamkeit Vorschub leistet? Wenn sich die Tage in ihrer weissgrauen Undurchdringlichkeit kaum von der Düsternis der Nacht unterscheiden zwingt dieser Umstand die Leserschaft dazu sich intensiv mit den vier Protagonisten an ihrem Zufluchtsort am Rande der Zivilisation auseinanderzusetzen. Es ist kein Roman bei dem die Handlung von zentraler Bedeutung ist sondern die langsame psychologische Annäherung an die Charaktere und die schrittweise Offenlegung ihrer Persönlichkeiten und dem was in der Vergangenheit geschehen ist und wie sie darauf reagiert haben.


    Ich gebe zu das ich in der ersten Hälfte der Erzählung eine gewisse Mühe hatte mich in die Figuren reinzuversetzen. Diese seltsame Distanziertheit wollte nicht einfach nicht weichen. Im Verlauf der zweiten Hälfte schmolz diese unterkühlte Reserviertheit wie Schnee in der warme Märzsonne und die letzten 140 Seiten musste ich in einem Rutsch lesen weil mir die Schicksale immer mehr zu Herzen gingen und ich wissen wollte was in der Vergangenheit geschehen ist und wie die emotionale Geschichte endet. Es bleibt die Erkenntnis, dass Erinnerungen wie Geister sind. Du kannst sie nicht einfach wegsperren und hoffen, dass sie dich ignorieren. Ein gutes bis sehr gutes Buch mit Sogwirkung das von Seite zu Seite immer besser wird. Ich schwanke in der Wertung zwischen 8 und 9 Eulenpunkten.

  • Nach diesen ausführlichen Rezensionen gibt es eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen.


    Hier meine Eindrücke. Ich habe das Buch in der Leserunde mit Autorenbegleitung gelesen, dafür auch nochmals vielen Dank an Alex Berg. Es war zwar ganz anders als "Machtlos" und "Die Marionette" aber das wussten wir ja schon.


    Das Buch hat mich sehr fasziniert :anbet. Die unglaublich guten Beschreibungen des schneereichen schwedischen Winters, des Schneesturmes und immer die Andeutungen haben die Spannung gesteigert von Kapitel zu Kapitel.


    Ein Mord (den ich übrigens sehr gut verstehen kann) und eine Liebesgeschichte die an Tragik nicht zu überbieten ist. Eine Geschichte über Verlust und Schuldgefühle.


    Dieses sehr bewegende und aufwühlende Buch hatte auf mich eine richtige Sogwirkung und bekommt von mir die vollen 10 Punkte.


    Viele Grüße :wave

  • Brillant recherchierte Thriller zu top aktuellen Themen – das verbindet man bislang mit dem Namen Alex Berg. Hier zeigt sich die Autorin von einer ganz anderen Seite. An Stelle von Gesellschaftskritik, Politik und Action bietet sie ihren Lesern hier ein kammerspielartiges psychologisches Drama von unglaublicher Emotionalität, geschrieben in einer Sprache, die ins Herz trifft und wohl kaum einen unberührt lässt.


    Die Geschichte fesselt von Beginn an, obwohl oder vielleicht gerade, weil man anfangs nicht weiß, wo es hingeht. Nach dem Verlust ihrer Tochter flieht Caroline nach Schweden, an den Ort ihrer Kindheit, sucht Trost und Vergessen in der winterlichen Einsamkeit. Nach und nach stellt sich heraus, dass der Tod ihrer Tochter nicht das einzige Drama ist, das ihr Leben überschattet. Lange bleibt es geheimnisvoll, Fragen über Fragen beschäftigen den Leser, wieder und wieder wird man mit Andeutungen hingehalten, Spannung und Neugier geschürt , immer dringender möchte man endlich wissen und verstehen - warum…?


    Ab und an wechselt die Erzählperspektive und ermöglicht zum einen interessante unterschiedliche Sichtweisen, zum anderen wird die unruhige Spannung dadurch noch erhöht. Der Fokus liegt jedoch auf Caroline und Ulf, ihrer Vergangenheit, ihrer Gegenwart und man fragt sich, werden sie auch eine Zukunft haben? Björn und Maybrit, ihre Freunde, versuchen ihnen zur Seite zu stehen, wie sie es auch schon vor 28 Jahren getan haben, sind eingebunden in die Auflösung um den Ursprung des Dramas, der weit in der Vergangenheit liegt. Und eben diese Auflösung hätte ich mir ausführlicher gewünscht, sie blieb ein wenig blass und ließ die ein oder andere Fragen offen.


    Das Ende – ja das Ende*seufz*, dazu kann man nichts sagen, jedes Wort wäre da zu viel, man muss es gelesen haben.


    Dein totes Mädchen ist ein Buch, welches sich trotz des flüssigen Schreibstils und der immanenten Spannung nicht unbedingt leicht lesen lässt. Einfach großartig, wie Alex Berg den Leser in diese Atmosphäre von Liebe, Verlust, Trauer, Verzweiflung und Wehmut einhüllt, jedoch die emotionale Wucht der Geschichte muss auch ein eher distanzierter Leser wie ich erst einmal verarbeiten.


    Zu Buchcovern äußere ich mich in der Regel nicht, weil sie mir meist herzlich egal sind, aber dieses hier finde einfach großartig. Die so genial eingefangene Stimmung des winterlich-eisigen Schweden, die Atmosphäre von Vergänglichkeit und Melancholie sind für mich nahezu perfekt widergespiegelt.

  • Dieses ist mein erstes Buch von Alex Berg. Bei einer Vorstellung des Buches auf einem Büchereulentreffen wurde ich bereits darauf aufmerksam, zumal die Autorin andeutete, dass es dieses Mal ein ganz anderer Roman als ihre bisher erschienenen sein würde.


    Bei Vorablesen konnte ich die Leseprobe lesen und danach ging mir dieses Buch nicht mehr aus dem Kopf. Glücklicherweise gewann ich es auch und konnte weiterlesen.


    Das Cover finde ich klasse, es macht aufmerksam.


    Ab den ersten Seiten war ich mittendrin in diesem Drama. Caroline hat den Verlust ihrer Tochter nach einem Unfall zu verkraften und flieht nach Schweden, wo sie zuletzt vor über 28 Jahren war. Doch nicht nur die aktuelle Tragödie macht ihr zu schaffen, sondern auch die Schatten der Vergangenheit, die dort, wo sie aufgewachsen ist, größer als zuvor werden.


    Immer wieder wird etwas angedeutet, was geschehen sein könnte. Nur häppchenweise enthüllt die Autorin, was tatsächlich passiert ist, damals vor mehr als 28 Jahren und auch in der jüngeren Vergangenheit.


    Dazu die Schilderung der Landschaft, der Jahreszeit. Vor meinem inneren Auge lief ein schwarz-weiß-Film ab, der manchmal unscharf war, manchmal jedoch gestochen scharf, wie in einer Momentaufnahme.


    Die Gefühle von Caroline, aber auch von Ulf, ihrem Exfreund und den anderen ehemaligen Kinderfreunden, werden messerscharf geschildert, tun beim Lesen so manches Mal weh. Was sich da alles aufgestaut hat, bzw. vergraben wurde, ist schon ein Batzen.


    Einzig Björn bringt immer wieder fröhlichere Momente und auch Hoffnung hinein.


    Teilweise ein düsterer Roman, sehr spannend, sehr dramatisch. Doch manches Mal hätte ich mir gewünscht, dass es nun endlich voran geht. Dass mal Klartext gesprochen wird und die Gefühle offen gelegt werden, nicht immer nur dem Leser geschildert werden. Dieser Tanz um den heißen Brei hat die Spannung zwar gesteigert, doch ich erwischte mich dabei, dass ich manche Passage nur überflog, um endlich zum Kern des Ganzen vorzudringen.


    Die Sprache war dem Thema absolut angemessen, auch das Ende fand ich sehr passend. Einzig diese Verzögerungen haben mich gestört, doch das ist nur ein kleiner Teil des Ganzen.


    Mich hat dieser Roman auch nach dem Beenden noch einige Tage beschäftigt und ich konnte mich so manches Mal sehr gut in Caroline einfühlen und sogar bestätigen, dass ich ähnlich gehandelt hätte.


    In diesem Stil, nur etwas straffer, hätte ich gerne noch mehr.


    8 Punkte von mir.