Erinnerung an meine traurigen Huren- G. García Márquez

  • Vielleicht finde ich den Thread auch einfach nur nicht, aber wenn mich nicht alles täuscht, hat es noch keiner vorgestellt:


    "Erinnerung an meine traurigen Huren" von Gabriel García Márquez


    Ein eher mittelmäßig guter Journalist, der in seinem hohen Alter noch eine wöchtenliche Kolumne bei einer Zeitung veröffentlicht, macht sich selbst zu seinem 90. Geburstag ein besonderes Geschenk: Er möchte eine Liebesnacht mit einer Jungfrau verbringen. Dazu wendet er sich an die Bordellmutter Rosa Cabarcas, die- selbst in die Jahre gekommen- behilflich ist, diesen Wunsch zu erfüllen.
    Nach einer geplatzen Hochzeit, die eher aus Pflichtgefühl als aus Liebe zustande kam, sowie zahlreichen Stelldichein mit Prostituierten oder der Hauswirtschafterin und einer von ihm angelegten Liste mit Frauen, und wie oft er mit ihnen Sex hatte, ist dieser Wunsch für den Mann zunächt keine große Besonderheit. Bis etwas Unvorhergesehenes passiert... er verliebt sich.


    Dieses Buch handelt von der ersten richtigen Liebe im hohen Alter, den Höhen und Tiefen der Sehnsucht und zu letzt auch von den Erfahrungen und Erkenntnissen eines Bordellstammgastes.



    Der Autor:


    1927 in Kolumbien geboren, arbeitete nach dem abgebrochenen Jurastudium als Journalist
    erhielt 1982 den Nobelpreis für Literatur


    Der Eindruck auf den ersten Seiten war zunächst positiv, doch im Laufe der Erzählung fand ich die stellenweise recht vulgären Ausdrücke eher störend und billig. Trotzdem ist die Geschichte nett, wenn auch recht kurz.


    Ich selbst würde dafür keine 17€ für ein HC ausgeben, aber stufe das Buch trotzdem als lesenswert ein.

    Bücher sind nur große Briefe an Freunde. [Antoine de Saint-Exupéry]

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Sterntaler ()

  • Ich kenne die vielen abwertenden Meinungen zu diesem Buch, vielfach wird behauptet, dass sich der kurze Roman in die vielen VIAGRA-Bücher einreihe (Der alte Mann und die junge Schöne), doch dabei wird meines Erachtens übersehen, dass hier ein Meister der Poesie spricht: Ein fast schon verknöcherter Nihilist lernt die Liebe kennen und plötzlich geschieht das schon unendliche Male beschriebene Wunder: Eine graue Welt erstrahlt unter einem farbenfrohen Regenbogen... :knuddel

  • So sehe ich es zum Beispiel nicht.
    Mich stört eher der Sprachmix- klar passen vulgäre Ausdrücke super zu einem Buch, was im Bordellmilieu spielt, aber ich gepaart mit neuartigen, poetischen, romantischen Wortspielen in meiner Meinung nach unpassenden undgeordneten Situationen ist es einfach nicht angebracht.

  • Sprache ist in diesem Fall ja immer mit Vorsicht zu genießen, schließlich handelt es sich um eine Übersetzung, aber letztlich beschreibt auch die Sprachverwendung das Erwachen - aus dem alten Zyniker, der sich damit brüstet, ungewöhnlich viele Frauen besessen und immer für die Liebesdienste bezahlt zu haben, wird ein Liebender, dessen Denken, dessen Artikel und dessen Sprache an Poesie gewinnt. Kann man besser die Kraft der Liebe feiern? :knuddel

  • Zitat

    Original von habedurst
    Ich kenne die vielen abwertenden Meinungen zu diesem Buch, vielfach wird behauptet, dass sich der kurze Roman in die vielen VIAGRA-Bücher einreihe (Der alte Mann und die junge Schöne), doch dabei wird meines Erachtens übersehen, dass hier ein Meister der Poesie spricht: Ein fast schon verknöcherter Nihilist lernt die Liebe kennen und plötzlich geschieht das schon unendliche Male beschriebene Wunder: Eine graue Welt erstrahlt unter einem farbenfrohen Regenbogen... :knuddel


    Ach, ich weiß nicht.
    Ich zähle auch Walsers "Augenblick der Liebe" nicht zur
    Viagra-Literatur, aber ein Meister der Poesie hätte aus
    dem Thema weitaus mehr machen können.

  • Aus der Amazon.de-Redaktion
    Wenn man älter wird, bleibt oftmals nur Erinnerung. So ist es auch beim Ich-Erzähler im Roman Erinnerung an meine traurigen Huren des großartigen kolumbianischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez, der immerhin seinen 90. Geburtstag feiert und im Buch der leichten Mädchen blättert, die er im Laufe seines Lebens für Sex bezahlte. Oder doch zumindest fast. Denn Márquez wäre nicht Márquez, hätte er nicht auch diesmal wieder eine ganze Reihe raffinierter Wendungen und narrativer Wunder in seine Geschichte mit eingeflochten. Und so beginnt das erzählerische Feuerwerk von Erinnerung an meine traurigen Huren gleich mit dem ersten, überraschenden Satz: „Im neunzigsten Jahr meines Lebens wollte ich mir zum Geburtstag eine liebestolle Nacht mit einem unschuldigen Mädchen schenken“.
    Was die „Reinheit meiner Prinzipien“ angeht, so hatte Rosa Cabarcas, Besitzerin eines geheimen Bordells, das Wesen des Erzählers bereits früh durchschaut: „Auch die Moral ist nur eine Frage der Zeit, sagte sie mit einem maliziösen Lächeln, du wirst schon sehen.“ Aber die Reinheit der Prinzipien ist doch stärker als die Intuition der Frau. Denn der Greis rührt die ihm zugeführte Delgadina in der Liebesnacht nicht an. Aus dem Wunsch nach Sex wird Liebe, und als Delgadina plötzlich verschwindet, fürchtet der Erzähler nichts mehr, als dass ein anderer vollendet haben könnte, was er zum Glück im letzten Augenblick zu verhindern verstand.
    Für Gabriel García Márquez, der uns mit Romanen und Erzählungen wie Hundert Jahre Einsamkeit oder Chronik eines angekündigten Todes ein ums andere mal verzaubert hat, gehört Erzählen zum Leben dazu wie Essen und Schlaf. Deshalb war es nur eine Frage der Zeit bis zum Erscheinen des neuen Buchs. Trotzdem haben wir zehn Jahre auf dieses Ereignis warten müssen. Aber das Warten hat sich gelohnt. Denn Erinnerung an meine traurigen Huren strotzt nur so von Altersweisheit, Lust und Liebe. Mit diesem Buch hat der Autor dem alten literarischen Topos vom alten Mann und dem Mädchen ein neues, in allen nur erdenklichen Farben des phantastischen Realismus seiner Heimat schillerndes Denkmal gesetzt.



    Meine Meinung:
    Ich weiß es noch nicht, obwohl das Büchlein nur 150 Seiten lang ist, überschütten mich zahlreiche Gefühle und Gedanken. Eine Frage bleibt: Darf ein 90 zig jähriger Greis mit einem 14 jährigen Mädchen, ... , wenngleich nichts geschieht? Es ist die Unschuld, die ihm die Liebe zeigt, aber ...



    LG Heidi

  • Zitat

    Original von Heidi Hof
    Darf ein 90 zig jähriger Greis mit einem 14 jährigen Mädchen, ... , wenngleich nichts geschieht? Es ist die Unschuld, die ihm die Liebe zeigt, aber ...


    Offengestanden, wenn wir hier eine Zensurleiste ziehen, müssen 90% aller US-Thriller aus dem Verkehr gezogen werden.


    Es ist ja gerade der Umstand, daß der alte Sack das noch lernt, der das Buch rettet. :-)

  • Zitat

    Darf ein 90 zig jähriger Greis mit einem 14 jährigen Mädchen, ... , wenngleich nichts geschieht?


    So eine Frage beantwortet der Leser, aber die Geschichte muß sie nicht beantworten. Es ist eine der Aufgaben von Autoren (wenn man so will), solche Fragen durch das Erzählen (fiktionaler) Geschichten aufzuwerfen, Diskussionen zu entfachen usw. Es kann keinesfalls die Aufgabe von Autoren sein, ausschließlich moralische oder politisch korrekte Geschichten zu erzählen, dann wäre die Literatur auch sterbenslangweilig. Natürlich wird ein verwerfliches Ende die Gemüter erregen. Aber es gibt viele, viele Bücher, die zweifelhafte Botschaften verbreiten (Selbstjustiz, Drogen- und Gewaltverherrlichung), aber innerhalb ihres Kontextes trotzdem funktionieren, weil sie nicht werten, sondern einfach nur erzählen. Es gibt auch solche, die das wertend tun - und trotzdem interessant und lesenswert sind. Die Frage, ob "ein neunzigjähriger Greis mit einem vierzehnjährigen Mädchen ... darf", die stellt sich nicht - es stellt sich die Frage, ob diese Geschichte lesenswert ist, erfahrenswert.

  • Erst Mal, danke Wolke :-)


    Hallo Tom


    Ich verstehe jedes Wort von dir, dennoch sträubte sich beim Lesen jedes Häarchen bei dieser Vorstellung. Und gerade weil dieses pädophile Thema brandaktuell ist, habe ich meine Bedenken.


    Der Autor darf schreiben was er möchte, das ist sein gutes Recht. Und ich als Leser darf beurteilen, moralische Bedenken zeigen, oder gar werten.




    LG Heidi

  • Hallo, Heidi Hof.


    Ich will überhaupt nichts zum Thema sagen. Wenn es Dir Gänsehäute verursacht, auch und vor allem angesichts der Tatsache, daß "das Thema Pädophilie brandaktuell ist" (genaugenommen ist es das seit Jahrtausenden), dann ist das Dein gutes Recht. Vielleicht, ich weiß es nicht, war genau das die Absicht des Autors. Vielleicht ist Begehren nicht immer mit Mißbrauch gleichzusetzen. Viele Menschen träumen von Dingen, die sie (besser) nicht tun, und viele Autoren schreiben über solche Menschen, ihre Schicksale, Träume - auch, wenn es vermeintlich verwerfliche sind. Wie gesagt, ich will zum Thema nichts sagen. Aber der menschliche Abgrund ist tief - und ein reicher Fundus für Schriftsteller.

  • Hallo Tom


    Im Grunde genommen geht es hier nur um das Bild, "alter Sack mit Kind", das ist es was dieses Büchlein trägt. Von diesem Standpunkt aus betrachtet habe ich keine Bedenken, dann finde ich es gar witzig.


    Leider kann ich meine Gedanken manchmal nicht abschalten, und wie du schon ein wenig richtig vermutest, Erfahrungen aus näherem Umfeld nicht abstreifen.


    Ich denke auch, dass Marquez dies bewusst macht, vielleicht auch deswegen, weil wir jetzt darüber diskutieren ...



    LG Heidi

  • Ich bekam das Buch mit großartigen Empfehlungen geschenkt. Naja, ich habe es halt gelesen... und anschließend festgestellt, daß dieses Cholera-Buch auch noch in dem Regalfach stand, in dem ich die ungelesenen Bücher horte.
    Also ein Fan bin und werde ich wohl nicht werden von diesem Autor. Er trifft einfach nicht den richtigen Nerv bei mir.

  • Ich bin an und für sich eine große Verehrerin des Autors, aber als er das Büchlein schrieb, hatte er den Höhepunkt seiner Schaffenskraft schon hinter sich - und das meine ich gar nicht ironisch.
    Mir fällt das bei manchen bedeutenden Schriftstellern immer wieder auf. Es kommt ein wirklich beeindruckendes Hauptwerk, vielleicht auch noch ein 2. oder 3. ganz gutes, aber dann geht es bergab.
    Ist also sicher ein anstrengender Job, die Schreiberei, wo man Kraft zur Konzentration für neue Ideen braucht.

  • Das Buch habe ich letzten Monat gelesen und bin auch der Meinung, dass es nicht ein überragendes Werk ist. Es ist kurzweilig, aber das war es auch schon. Wäre es dicker gewesen, hätte ich es vermutlich abgebrochen, doch die kurze Geschichte habe ich in dann doch gelesen.
    Die Hauptperson hat eher negative Gefühle in mir ausgelöst. Ich kann mir nicht vorstellen ein so langes Leben gelebt zu haben und nie verliebt gewesen zu sein. Auch der Gedanke ein so junges Mädchen zu entjungfern, finde ich nicht besonders toll.
    Ich fand die kurze Geschichte auch zu oberflächlich.
    Deshalb bekommt das Buch 6 von 10 Punkte von mir.

    ... Liebe, die, weil sie nie genung bekommt,
    stets schon im Augenblick lebt, der noch kommen wird.
    Marcel Proust

  • Habe das Buch gerade ausgelesen und fand es eigentlich ganz nett. Bei den Kommentaren hier habe ich allerdings den Eindruck, dass die meisten Leser darum bemüht waren eine gewisse Distanz zum Protagonisten zu wahren, wodurch die Poesie der halbwegs rührenden Geschichte vielleicht ein bisschen verloren geht.
    Der Wunsch eines Greises auf seine alten Tage noch einmal einem Mädchen die Jungfräulichkeit zu nehmen stößt zwar auch bei mir auf Unverständnis und führt zu der Frage, ob derlei Dinge in dem Alter wirklich noch eine so große Bedeutung haben können. Dafür finde ich die Wandlung vom gefühlslosen Liebhaber, der nicht viel Zeit mit Freundschaften und festen Bindungen vergeudet, hin zum tatsächlich liebenden Mitmenschen sehr schön in eine latein-amerikanische Melodie verpackt, die sich wie von selbst herunterliest. Die Kritik an den vulgären Ausdrücken kann ich dabei nur zurückweisen, da eben diese den Unterschied zu einer Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Schönlingen macht. Außerdem passt diese Sprache, wie ja bereits erwähnt, genau in das Milieu der Erzählung.
    Alles in allem ist das Buch sicherlich nicht mehr als eine nette Lektüre für zwischendurch, wofür ja auch der geringe Umfang des Buches spricht. Empfehlenswert finde ich es für Marquez-Neulinge, die sich auf die Schnelle einen kurzen Einblick in dessen Gesamtwerk verschaffen wollen.