OT: Miecz przeznaczenia 1992
Der zweite Band um den Hexer Geralt von Riva besteht, wie der erste, aus einer Reihe längerer Erzählungen, diesesmal ohne verbindende Rahmenhandlung. Die sechs Geschichten sind, wie beim erstenmal, eine Mischung aus bekannten Märchen, wildem Abenteuerroman und einer Form von Weltbetrachtung, die ansatzweise hin und wieder als Philosophieren durchgehen kann. Auch die derb-deftige Erzählweise erkennt man sofort wieder.
Geändert hat sich der Ton, man kommt beim Lesen der Hauptfigur näher. Das bringt zum einen eine Menge überraschender Wendungen mit sich, macht den Hexer aber deutlich menschlicher. Der Wind weht weniger rauh hier, bei allen Schrecknissen, von denen Sapkowski erzählt, ist das Buch milder und warmherziger als der erste Band. Es ist schwer zu entscheiden, ob das am guten Herzen des Autors liegt oder an der Eigendynamik romantischer Setzungen, die, wenn man nicht scharf aufpaßt, unweigerlich dem Rosarot-Sentimentalen zustreben. Nicht leicht zu entscheiden ist auch, ob die Gestalt des Hexers durch diese Vermenschlichung gewinnt oder aber verliert, weil er sich eben immer mehr wie der vertraute seelisch verletzte Held verhält und nicht wie das fremdartige Wesen, als das er angelegt wurde.
Die Grenze des Möglichen, die erste Geschichte, berichtet von einer ganz speziellen Drachenjagd. Sapkowski wartet mit herrlichen Überraschungen auf, im Handlungsverlauf ebenso wie bei der Beschreibung aller Personen. Seine Fähigkeiten, eine Gruppe von sechs, sieben oder auch mehr Figuren auftreten und miteinander agieren zu lassen, sind beträchtlich und man folgt den unterschiedlichen Drachenjägern mit größten Vergnügen. Für Geralt ist die Drachenjagd eine weitere Episode in seiner unglücklich-glücklichen Liebesgeschichte mit Yennefer, der schönen Zauberin. Daß der Drache etwas besonderes ist, versteht sich von selbst. Glück und Trauer, derber Humor und große Gefühle sind fein ausbalanciert.
Ein Eissplitter beginnt fulminant und höchst unappetitlich mit einem detaillierten Einblick ins Geralts Berufsalltag. Ebenso detailliert, geradezu intim ist dann der Einblick in die Beziehungsprobleme zwischen Geralt und Yennefer. Ein Eissplitter ist unter den Geschichten dieses Bands die düsterste und traurigste, leider auch die, die am wenigsten überzeugt, auch der offene Schluß ändert daran nichts.
Das ewige Feuer, Geschichte Nummer drei, ist ganz anderer Art. Hier versucht sich Sapkowski an purer Komödie und das gelingt ihm, man braucht allerdings etwas Geduld dazu. Dafür bekommt man die Lebensweise einer neuen Spezies vorgeführt, die Geralt, den Sänger Rittersporn und einen mehr oder weniger braven Kaufmann in Bedrängnis eigener Art bringt. Der Dreh dabei ist schön, aber hier wandert Sapkowski schon in sentimentale Gefilde ab. Man nimmt es nur deswegen nahezu widerspruchslos hin, weil er gleichermaßen lustig wie ernsthaft vom Guten erzählt. Immerhin ist das für einmal eine Abwechslung, in der Regel gilt die Aufmerksamkeit ja dem Bösen.
Ein kleines Opfer ist ein wirklich großer Wurf. Er gelingt auch nahezu. Grundlage der Geschichte ist Andersens Märchen von der kleinen Seejungfrau - daraus ergibt sich das Problem des ‚Opfers’, das dann gründlich durchdiskutiert wird. Die traurige Liebesgeschichte ist allerdings eine andere, als erwartet, und eben das macht diese Erzählung so gut. Die mahnenden Worte an die Herren der Welt sind ein wenig zuviel des Guten, sie wirken wie ein Fremdkörper. Da sie mit Überzeugung gesprochen werden, nimmt man es hin.
Das Schwert der Vorsehung hat ein ähnliches Problem mit den ‚großen Themen’, es geht um Dryaden und die Verteidigung ihres angestammten Landes, den Wald Brokilon, in dem man unschwer das sagenhafte Brocéliande erkennt. Die Geschichte ist spannend, ausgezeichnet erzählt, nur eben etwas überfrachtet, und das umso mehr, als es zugleich um eine private Verstrickung Geralts mit einem Kind der Vorsehung geht. Daß es als zehnjährige Rotzgöre auftaucht (das ‚Rotz’ ist wörtlich zu nehmen, wir sehen den Autor förmlich ein Auge kneifen) ist witzig und witzig gelöst, macht die Sache an sich aber nicht weniger sentimental.
Grundsätzlich problematisch ist die Diskussion von Vorsehung in einem Roman. Schließlich ist die/der jeweilige AutorIn die/der SchöpferIn des Konstrukts, die Vorsehung also für ihre/seine Figuren. Es ist schwer, ihr/ihm solche Überlegungen abzunehmen.
Ähnlich ist es bei der letzten, Etwas mehr. Die Einblicke in Geralts Leben sind jetzt sehr tief, eigentlich ist er nun ein leidender Mensch geworden. Schade um den ursprünglichen Entwurf. Daß das Lesen trotzdem höchstes Vergnügen bereitet, liegt am Autor. Er erzählt so gut. Er hat so viele Einfälle, einer verrückter als der andere. Und überhaupt kann man keinem vorwerfen, ein richtig netter Mensch zu sein.
Es empfiehlt sich, den ersten Band der Hexer-Geschichten zuerst zu lesen, da zum Verständnis von vier der sechs Geschichten gewisse Vorkenntnisse nötig sind.