Stewart O'Nan: Emily, allein

  • Stewart O'Nan: Emily, allein
    Rowohlt 2012. 384 Seiten
    ISBN-13: 978-3498050399. 19,99€
    Originaltitel: Emily, Alone
    Übersetzer: Thomas Gunkel


    Verlagstext
    Das einfühlsame Porträt einer Frau, die am Ende ihres Lebens einen Neuanfang wagt. Emily Maxwell, eine Witwe, deren Kinder längst eigene Familien gegründet haben, führt ein ziemlich unspektakuläres Leben, allein mit ihrem Hund. Dann und wann trifft sie sich mit ihrer Schwägerin zum Essen, aber das ist es dann auch schon. Als die bei einem gemeinsamen Frühstück zusammenbricht, wird für Emily alles anders. Sie verbringt ganze Tage damit, Besuche ihrer Enkel aufwendig zu planen, sie kauft sich ein kleines Auto, lernt, die bislang noch nie erfahrene Unabhängigkeit in vollen Zügen zu genießen. Auf einmal offenbart ihr das Leben neue Möglichkeiten. Eine alte Frau wie Emily meint jeder zu kennen, und doch wurde sie selten so einfühlsam und treffend porträtiert. Stewart O’Nan zeigt uns ihre kräftig in alle Richtungen ausschlagenden Gefühle – des Bedauerns, des Stolzes, der Trauer, der Freude – in völlig überraschenden Zusammenhängen. Indem er das scheinbar Gewöhnliche als etwas Außergewöhnliches enthüllt und sich – heiter, ergreifend – mit ernsten Themen wie Einsamkeit, Alter und nahem Tod befasst, schärft er den Blick des Lesers, sein Verständnis.


    Der Autor
    Stewart O'Nan wurde 1961 in Pittsburgh geboren und wuchs in Boston auf. Er arbeitete als Flugzeugingenieur und studierte in Cornell Literaturwissenschaft. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Avon, Connecticut. Für seinen Erstlingsroman «Engel im Schnee» erhielt er den 1993 William-Faulkner-Preis.


    Inhalt
    Emily und ihre Schwägerin Arlene fahren einmal in der Woche gemeinsam zum Frühstücken, an dem Tag, an dem die Rabattcoupons des Restaurants in der Zeitung erscheinen. Die beiden alten Frauen wirken dabei wie ein altes Ehepaar, das außer festen Riten keinen Lebensinhalt mehr hat. Arlene fährt; denn das Auto, das Emilys Mann hinterlassen hat, staubt seit Jahren in der Garage vor sich hin. Eigentlich dürfte Emily schon lange nicht mehr zu Arlene ins Autos steigen, die unkonzentriert fährt und gesundheiltich angeschlagen wirkt. Doch wie sollte Emily ohne Arlene aus dem Haus kommen? Bei einem der Frühstücke erleidet Arlene eine Art leichten Schlaganfall und wird einige Tage zur Beobachtung im Krankenhaus behalten. Emily ist ohne Arlene plötzlich von der Welt abgeschnitten und fällt eine folgenreiche Entscheidung - sie kauft sich ein kleines Auto, das sie selbst bewältigen kann. Unglaublich, dass eine achtzigjährige Frau, die sich diese Anschaffung leisten kann, sich vor anderen dafür rechtfertigen muss. Die Besuche im Krankenhaus haben Emily neue Kontakte eingebraucht und gezeigt, in welch überschaubarem Umfeld sie bisher gelebt hat. Emilys Kinder leben weit entfernt und sehen den Kontakt zu ihrer Mutter als lästige Verpflichtung. Das familiäre Minenfeld einer alkoholkranken Tochter und einer ungeliebten Schwiegertochter lässt sich nach außen nur notdürftig verdecken. Rhetorisch bemühte Erkundigen, ob die Kinder zu Weihnachten oder zu Thanksgiving zu Besuch kommen, wirken in Emilys Situation als reine Provokation. Außer Arlene, ihrer Putzfrau Betty und dem Hund Rufus hatte Emily keine Gesprächpartner. Kleinigkeiten, wie die geheimnsivolle Zahl, die jemand vor Emilys Grundstück auf die Straße gesprüht hat, türmen sich in ihrem geordneten kleinen Leben leicht zu Riesenproblemen auf. Der Freundeskreis der beiden Frauen schrumpft durch Todesfälle ständig; Beerdigungen, Emilys Testament und die Planung ihrer eigenen Trauerfeier sind Emily wichtig. Sie lebt ein Leben auf Abruf und ahnt, dass auch sie eines Tages im Haus stürzen könnte und dann dort nicht mehr allein leben kann. Auch wenn zu Beginn des Buches Emily schon am Ende ihres Leben angekommen zu sein schien, erleben die beiden Frauen durch das neue Auto eine zweite Jugend.


    Fazit
    Stewart O'Nan, in dessen Geburtsstadt Pittsburgh der Roman spielt, reiht viele kurze, banale Alltagserlebnisse aneinander, die als Gesamtbild Emily in einem überraschend erfüllten Leben zeigen. O'Nans hinreißend exakt beobachtete Details aus dem Leben der beiden alten Menschen zeigen ihn auch in diesem Buch als wunderbaren Erzähler.


    9 von 10 Punkten

  • Mich konnte "Emily, allein" nicht überzeugen, da bin ich von Stewart O´Nan Besseres gewohnt. Emily, die treue O´Nan-Leser bereits aus "Abschied von Chautauqua" kennen, ist mir ziemlich unsympathisch; obschon sie sich ihrer Fehler bewußt ist, unternimmt sie keinerlei Anstrengung, sich auf ihre alten Tage zu bessern, etwa was ihre Theatralik anbelangt.
    O´Nan reiht beinahe minutiös das Leben einer alten Dame anhand vieler kleiner Szenen vor dem Leser auf und tut dies zumindest stilistisch ansprechend, inhaltlich jedoch ist es vor allem eines: Langeweile auf hohem Niveau.
    Aber vielleicht bin ich auch einfach noch zu weit weg vom Alltag und den täglichen Hürden alter Menschen, um diesen Roman angemessen würdigen zu können.

  • Dies war mein erstes Buch von O´Nan; vielleicht nicht gerade der beste Griff.


    Hätte ich gewusst, dass es zu den Personen bereits eine Vorgeschichte gibt ("Abschied von Chautauqua"), hätte ich diese lieber vorab gelesen. Denn die Botschaft "Ehemann gestorben, hinterbliebene Ehefrau kommt trotzdem irgendwie klar" ist ja anscheinend ganz klar an die Leser dessen gerichtet. So bleiben die Probleme innerhalb der Familie eben nur angerissen.


    Stellenweise fand ich den Text sehr zäh zu lesen. Von Pittsburgh kennt man vom Sport die Pirates, vielleicht sogar noch die Steelers, aber das war´s dann auch schon. Über die Stadt, aus der der Autor ja stammt, dann seitenweise Beschreibungen zu lesen, fand ich in Bezug auf die Kürze des Buches dann doch sehr anstrengend.


    Mehrere Bücher von ihm hören sich gut an und "Das Glück der anderen" habe ich noch hier liegen, es wird also trotz der erwähnten Längen nicht mein letztes Buch von O´Nan gewesen sein.


    Hier aber leider nur 6,5 Punkte.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Emily, allein - Stewart O‘Nan


    Taschenbuch: 384 Seiten
    Verlag: rororo


    Originaltitel: Emily, Alone
    Aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel.


    Rückseite:
    Ein Neuanfang am Lebensabend.


    Die Witwe Emily Maxwell führt in ihrem schönen, überschaubaren Routine-Universum ein ziemlich unspektakuläres Leben, allein mit ihrem Hund. Ab und zu trifft sie sich mit ihrer Schwägerin zum Essen, aber das ist es dann auch schon. Als diese bei einem gemeinsamen Frühstück zusammenbricht und ins Krankenhaus muss, ist Emily mit einem Mal ganz auf sich allein gestellt. Doch statt zu verzagen, kauft sie sich ein kleines Auto. Und sie lernt, die bislang noch nie erfahrene Unabhängigkeit in vollen Zügen zu genießen.


    Über den Autor:
    Stewart O´Nan schrieb 2002 Abschied von Chautauqua.
    Mit Emily, allein gab es 2011 quasi eine Fortsetzung.
    2016 wird von O´Nan ein neuer Roman mit dem Titel „Westlich des Sunset“ erscheinen.


    Über den Übersetzer:
    Thomas Gunkel, geb 1956 in Treysa, Erzieher, Studium der Germanistik und Geographie, Übersetzer von u.a. Dermot Bolger, Jon Krakauer, Stewart O'Nan, William Trevor.


    Mein Eindruck:
    Stewart O´Nan spielt wieder einmal seine große Stärke aus, den amerikanischen Alltag detailreich und realistisch zu beschreiben. Diesmal ist es das Leben einer älteren Frau in Pittsburgh, der verwitweten Emily.
    Der Roman ist ziemlich unspektakulär, aber so ist das Leben Emilys auch weitgehend. Es besteht aus Treffen mit ihrer Schwägerin, gelegentlichen Besuchen ihrer erwachsenen Kinder bzw. Enkel, dem Kümmern um den auch nicht jungen Hund Rufus und auch mal ein Museumsbesuch. Doch meist dominiert der immergleiche Alltag.
    Dass wirkt meiner Meinung nach nicht zu trocken oder langweilig.
    Wenn man seine Leseerwartung entsprechend anpasst, kann das zu einem entspannten Leseempfinden führen, bei dem man viele Details schließlich auch interessant finden. Jedenfalls war das bei mir so!

  • Titel: Emily, allein
    Autor: Stewart O'Nan
    Übersetzt aus dem Englischen von: Thomas Gunkel
    Verlag: Rowohl
    Erschienen als TB: Oktober 2013
    Seitenzahl: 379
    ISBN-10: 3499256290
    ISBN-13: 978-3499256295
    Preis: 9.99 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Ein Neuanfang am Lebensabend.Die Witwe Emily Maxwell führt in ihrem schönen, überschaubaren Routine-Universum ein ziemlich unspektakuläres Leben, allein mit ihrem Hund. Ab und zu trifft sie sich mit ihrer Schwägerin zum Essen, aber das ist es dann auch schon. Als diese bei einem gemeinsamen Frühstück zusammenbricht und ins Krankenhaus muss, ist Emily mit einem Mal ganz auf sich allein gestellt. Doch statt zu verzagen, kauft sie sich ein kleines Auto. Und sie lernt, die bislang noch nie erfahrene Unabhängigkeit in vollen Zügen zu genießen.


    Der Autor:
    Stewart O'Nan wurde 1961 in Pittsburgh geboren und wuchs in Boston auf.


    Meine Meinung:
    Ein ruhiges, ein sehr einfühlsamer Roman über das Alltagsleben einer älteren Dame. Dieses Buch beschreibt das Leben wie es ist, wenn man älter wird und ist und wenn man weiß, dass das Ende gar nicht mehr so weit entfernt ist.
    Stewart O'Nan ist ein glänzender Erzähler. Er schafft es, das Atmosphärische sehr genau und sensibel zu beschreiben. Die Stimmungen und Gefühle der handelnden Personen wirken sehr authentisch.
    Ein sehr lesenswertes Buch, ein Buch über das ganz normale, eher nicht so aufregende Leben. Es geht um die Familie, um Entäuschungen des Alltags, um kleine Freuden.
    7 Eulenpunkte für einen Roman, der so alltäglich ist wie der Alltag selbst. Gut gemacht.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Der Titel ist Programm


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    Gute Geschichten erzählen von Menschen und nur in zweiter Linie von Ereignissen – die Ereignisse bringen uns diese Menschen, von denen da erzählt wird, lediglich auf sehr plastische Weise näher. Es wären auch ohne die Ereignisse dieselben und genauso interessante Menschen, aber wir würden ihre Geschichten nicht hören, weil wir so sehr auf das Geschehen fokussiert sind.

    Der Amerikaner Stewart O’Nan hat sich das gleichsam statische Erzählen auf die Fahnen geschrieben, das Erzählen ohne großes Spektakel, sehr dicht an seinen Figuren und etwas weiter weg von der dramaturgischen Kulisse – etwa im Vermisstenroman „Alle, alle lieben dich“ oder im sehr leisen, ergreifenden Ehedrama „Die Chance“. In „Emily, allein“ (2011), das in der Chronologie zwischen „Ganz alltägliche Leute“ (2001), „Abschied von Chautauqua“ (2002) und dem kürzlich (2019) erschienenen „Henry, persönlich“ steht, berichtet O’Nan zum dritten von bislang vier Malen von Emily Maxwell aus Pittsburgh, Witwe von Henry, Schwägerin von Arlene, Mutter von Margaret und Kenneth – und Besitzerin von Rufus, dem Hund. „Emily, allein“ ist aber gut verständlich auch ohne Kenntnis der anderen Romane.

    Der Ehemann Henry ist schon seit einer Weile tot. Im Mittelpunkt von Emilys Leben stehen die Telefonate mit der Familie, die über die Staaten verstreut ist, das Warten auf den Frühling, die wöchentlichen Frühstückstreffen im „Eat’n Park“ mit der Schwägerin, der Hund Rufus, das noch immer verwaiste Haus der Millers gegenüber, Klassik im Radio, das sonntägliche Rätsel in der „Times“, die Veränderungen in Pittsburgh und andere Kleinigkeiten, die sich wie Belanglosigkeiten anhören, aber natürlich keine sind, wenn sie das eigene Leben ausmachen. Höhepunkte sind die Woche im Sommer in Chautauqua, wenn sich die Familie in einem gemieteten Ferienhaus trifft, aber Thanksgiving und Weihnachten erfüllen die hochgesteckten Erwartungen kaum noch. Es ist sehr anstrengend geworden, sich um so viele Leute kümmern und allen gefallen zu müssen.

    Emily ist eine nachdenkliche, behutsame, planvolle Frau. Sie ist klug und sehr aufmerksam, aber sie ist nicht nur gut im Sinne einer positiven Heldin. Sie ist Republikanerin. Sie ist argwöhnisch. Sie ist routiniert, aber sie stellt auch zur Disposition – etwa den mächtigen, benzinschluckenden Oldsmobile in der Garage, ganzer Stolz seines verstorbenen Besitzers. Emily stößt das Auto schließlich ab und tauscht es gegen einen flotten, neuen Subaru.

    In diesem Roman geschieht tatsächlich nicht sehr viel, und umso bemerkenswerter ist, wie all die Kleinigkeiten, die O’Nan aus dem Alltag seiner Hauptfigur berichtet, im Gedächtnis bleiben. Es spielt auch keine Rolle, ob man Emily am Ende (oder schon am Anfang) mag oder nicht, denn das ist kein Roman, der für etwas wirbt, der einem etwas oder jemanden verkaufen will. Urteilen und entscheiden darf man ganz allein, aber auch das ist kein Muss. Die ruhige, fast andächtige, akribische und ungeheuer empathische Erzählweise vermittelt etwas, das den spektakulären, sich an Hooks und Cliffhangern abarbeitenden Romanen vollständig fehlt, nämlich das Gefühl, die Figur in der Geschichte richtig kennengelernt zu haben.