Piper
Broschiert: 120 Seiten
Aus dem Italienischen von Barbara Schaden
Kurzbeschreibung:
"Ich wollte eine Heranwachsende beschreiben, die einem Wahn erliegt", sagt die gebürtige Schweizerin Fleur Jaeggy über ihren Roman. Sie führt den Leser in ein Mädchenpensionat der sechziger Jahre, das "Bausler" im schweizerischen Appenzell, einen Ort, paradiesisch oder infernalisch, denn hier werden Mädchen diszipliniert, "bis die Disziplin selbst zur Lust wird".
Über die Autorin:
Fleur Jaeggy ist in Zürich geboren, sie lebt seit 1968 in Mailand und schreibt Italienisch. Für ihr literarisches Werk erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen.
Über die Übersetzerin:
Barbara Schaden arbeitete nach dem Studium der Romanistik und Turkologie als Verlagslektorin und ist heute Übersetzerin, u. a. von Patricia Duncker, Jean-Claude Guillebaud, Maurizio Maggiani und Karen Armstrong.
Mein Eindruck:
Den schmalen Roman habe ich 1999 schon einmal gelesen. Jetzt habe ich ihn wieder zu Hand genommen, um zu prüfen, ob er immer noch so sperrig wirkt. Tatsächlich ist die Leseauffassung verändert. Der Roman ist ganz aus der Ich-Perspektive der Erzählerin geschildert und damit sehr subjektiv. Ihre merkwürdige Lebenseinstellung kann ich inzwischen leichter akzeptieren.
Diese Subjektivität hat dem erfolgreichen Roman aber auch die Kritik eingebracht, schiefe Bilder zu erzeugen. Diesen Eindruck teile ich bedingt, es sind schon seltsame Ansätze, die sich aber aus der Situation der Erzählerin folgend ergeben und somit der Eigenwilligkeit der Autorin geschuldet ist.
Die 14jährige Protagonistin befindet sich in einem Appenzeller Mädchenpensionat am Bodensee. Es sind vermutlich die fünfziger Jahre, vielleicht auch die frühen sechziger. Seit ihrem 8 Lebensjahr befindet sie sich in Pensionaten, mit den Eltern hat sei fast ausschließlich brieflichen Kontakt, wenn überhaupt. Keine optimale Situation für eine gute Entwicklung für ein Mädchen, so ist sie in einer gewissen Passivität gefangen, die sich erst zu lösen beginnt, als ein neues Mädchen ins Internat kommt, von deren Haltung sie stark beeindruckt ist. Frederique ist stolz, selbstbewusst, aber verschlossen.
Ich bin übrigens nicht besonders von Frederique fasziniert, die Erzählerin des Buches interessiert mich viel mehr.
Vom Titel sollte man nichts Falsches erwarten. Der Leser erhält einen Einblick in das Internatleben dieser Zeit, bei der es stark aufgeteilte Hierarchien und Verhaltensweisen gibt. Zum Beispiel suchen sich die jüngeren Mädchen oft eine ältere aus, deren Schützling sie werden können, damit sie überhaupt jemand haben, an dem sie sich orientieren können. Dazu werden sie aber auch schnell quasi Sklavinnen der älteren Mädchen. Instinktiv lehnt die Protagonistin ein solches Ansinnen ab, als ein 10jähriges Mädchen ihr einen entsprechenden Brief schreibt. Sie ist also doch nicht so angepasst, wie sie glaubt.
Davon abgesehen sind alle Mädchen des Internats aus privilegierten Familien, aber auch das schützt nicht davor, am Leben zu leiden.
Fleur Jaeggy schreibt auf Italienisch, die deutsche Übersetzung wirkt auf mich atmosphärisch stimmig und ist sehr überzeugend.
Der Roman ist stark von der verknappten Sprache geprägt, die zwischen Melancholie und Fatalismus schwankt, an manchen Stellen manieriert erscheint, aber auf den geneigten Leser eine suggestive Wirkung ausübt. Doch an dieser Sprache kann man sich auch stören, daher sollte ein Interessierter vor Buchkauf vielleicht besser erst einmal kurz hineinlesen.
Ich finde es schade, dass die Autorin inzwischen nahezu verstummt ist. Außer einem Kurzgeschichtenband und einem kurzen, wenig beachteten Roman folgte fast nichts mehr.