'Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter' - Seiten 001 - 064

  • Zitat

    Original von rienchen: weshalb diskutierst Du dann so freudig mit? Lachen Ich gebe schon zu, dass mich manche Dinge bzgl der Gesellschaft heute schon sehr aufrgen, weil ich wahrscheinlich genau da mittendrinne hänge. Ich habe nunmal Kinder und muss mich mit Dingen auseinander setzten, auf die ich manchmal gar keine Lust habe. Und ich frage mich schon woher dieser ganze Kram eigentlich kommt, Prestigeobjekte Kinder. Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht für den Rest der Welt interessiere, wie Säuglinge im Müll (Übrigens auch gegenüber von der Schule, die mein Sohn besucht).


    rienchen, ich habe zwar keine Kinder, ich kann Dir aber durchaus versichern, dass es bei mir kein Spaß wäre, Kind zu sein.
    Ich bin ein großer Freund von Regeln, allerdings auch von Freiheit, die erlernt werden muss.
    Nach meinen Beobachtungen im privaten und allgemeinen Umfeld empfinde ich die Kinder nicht so schlimm wie dargestellt. Die Zeiten sind anders und daran muss man sich gewöhnen.
    Natürlich kann ich mich auch über Eltern echauffieren, so wie beispielsweise in unserem Freundeskreis bei einem Kind, dessen Ernährung sich auf McDonald's, Pizza und Miracoli beschränkt. Wie sehr würde ich mir wünschen, dass dieses Kind im Kartoffelbrei rummastscht und ihn endlich einmal probiert.
    Im Ergebnis rege ich mich eigentlich über Dinge auf, die mir gleichgültig sein könnten und die ich nicht ändern kann und vor allem darüber, dass der heutigen Generation Chancen offenstehen, die sich mir in meiner Kindheit nicht boten, und von vielen Eltern heute nicht wahrgenommen werden.

  • Zitat

    empfinde ich die Kinder nicht so schlimm wie dargestellt.


    Falls das jetzt so rübergekommen sein sollte...ich finde die Kinder überhaupt nicht schlimm, Kinder sind immer nur Produkte. Die Eltern und ihr Verhalten sind das, worüber ich mir Gedanken mache.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Zitat

    Original von rienchen


    Falls das jetzt so rübergekommen sein sollte...ich finde die Kinder überhaupt nicht schlimm, Kinder sind immer nur Produkte. Die Eltern und ihr Verhalten sind das, worüber ich mir Gedanken mache.


    Gott sei Dank sind Kinder nicht immer Produkte, sie sind auch zum großen Teil einfach so geboren. Deshalb werden manche der Edel-Kinder grandios scheitern, während andere Karriere machen und andere einfach nur liebenswürdig sind. Auch Kotzbrocken werden daraus entstehen.
    Wie im richtigen Leben.
    Und vertrauen wir doch einfach mal darauf, dass sich diese Kotzbrocken gegenseitig die Köpfe einschlagen. :lache

  • Zitat

    Original von rienchen
    Es geht ihr in erster Linie nicht um um die Elternschaft allgemein HEUTE,


    Ja, den Eindruck habe ich nach gut 200 von 250 Seiten auch. Aber wieso heißt das Buch dann "Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter" und nicht "Ich will meinen Kiez zurück"? Ich finde schon, daß der Verlag oder die Autorin, je nachdem, wer sich den Titel überlegt hat, hier recht falsche Erwartungen weckt.


    Zitat

    Und die größte Frage ist doch, was aus den Kindern wird,wenn sie erwachsen werden. Und was aus diesem Stadtteil wird. Das finde ich schon spannend.


    Ja, aber erstens wirft sie zwar diese Frage auf, gibt aber letzten Endes auch nur recht verkürzte Antworten, die relativ allgemeingültig sind und auf jede Neubausiedlung paßt - Kinder werden älter, ziehen aus, Eltern bleiben allein zurück. Und zweitens, siehe oben, hat das mit dem Untertitel "Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern" so rein gar nix zu tun (außer natürlich der Punkt, was später mal aus den Kindern wird, aber das kam bisher auch noch gar nicht vor).


    Zitat

    Original von Salonlöwin
    Ich entschuldige mich gern dafür, diese Diskussion hier gesprengt zu haben, aber Kinder im Wellness-Hotel, im Essen matschende Kinder oder im Café tobende Kinder stellen für mich kein Problem dar, das in einem Buch ausgewälzt werden muss.


    Ich kann Deine Meinung durchaus verstehen, auch ich sehe immer wieder Bücher, bei deren Themen ich sage: Muß man darüber schreiben? Oder muß man Sendezeit dafür vergeuden? Nein, man muß natürlich nicht. Aber man darf. Und wenn ich es lese, heißt das ja nicht, daß mir richtige Probleme am anderen Ende vorbeigehen.


    Ich kritisiere hier zwar die Umsetzung des Buches, aber das eigentliche Thema Kindererziehung in einer Wohlstandsgesellschaft ist aus meiner Sicht durchaus ein Thema, daß diskutiert werden sollte. Gerade weil viele Eltern völlig verunsichert sind und beim Geld ausgeben mal wieder dem alten Glaubenssatz folgen "Viel hilft viel". Frau Maier hat mit diesem Buch leider aus meiner Sicht sehr häufig das Thema verfehlt und selbst dort, wo sie das Thema getroffen hat, zumeist nur die Auswüchse beschrieben, aber nicht mal ansatzweise an den Ursachen gekratzt. Von daher wird dieses Buch im besonderen der Thematik nicht gerecht, aber die Thematik als unbedeutend abzutun, nur weil es keines der größten Probleme betrifft, finde ich den falschen Weg.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von LeSeebär ()

  • Zitat

    Original von made


    Und vertrauen wir doch einfach mal darauf, dass sich diese Kotzbrocken gegenseitig die Köpfe einschlagen. :lache


    Darauf haben meine Eltern wohl auch gehofft..... :grin

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hab ich ein Glück, das ich Zwillinge habe, da ist das Thema Kinderwagenwahl bei weitem einfacher. Es gibt einfach gar nicht soviele Modelle und teuer sind sie eh alle. Also haben wir gebraucht gekauft und hinterher auch wieder verkauft...


    Irgendwie hab ich das Gefühl, das was sie kritisiert ist dieses "Ich habe ein Kind, ich bin was besonderes, jetzt behandelt mich auch so" - Getue.


    Das was hier ja schon angesprochen worden ist, dieses runterreduzieren der Mütter auf ihr Kind. Da ist es natürlich wichtig, daß das Kind top ist. Und da es ja noch nicht viel kann (ausser mit zwei Monaten natürlich durchschlafen und mit 9 Monaten laufen) muss man das natürlich auch mit Äußerlichkeiten beweisen.


    Sollen sie meinetwegen ja gerne machen, mich sollte man aber nicht davon überzeugen wollen, daß nur das der richtige Weg ist.


    Schlimm an der ganzen Sache ist im nachhinein, daß es diesen Kindern damit auch beigebracht wird, daß die Hosen nur was taugen, wenn das richtige Label draufklebt. Was wiederum Stress in den Familien verursacht, die genau das nicht wollen. Ich sag nur Mobbing in Schulen...

  • Zitat

    Original von LeSeebär



    Volle Zustimmung. Nur: Wer zwingt Dich denn? Ich meine, selbst wenn alle meine Nachbarn Porsche Cayenne oder Mercedes S-Klasse fahren, hätte ich trotzdem mit meinem Skoda Rumster kein schlechtes Gewissen. Dieses ewige "Was der hat, muß ich auch haben" finde ich sowas von abtörnent, aber das scheint ein weitverbreitetes Problem in unserer heutigen Gesellschaft zu sein, daß kein spezifisches Eltern-Problem ist, sondern alle Schichten und Altersgruppen mehr oder weniger betrifft.


    Ich fürchte, wir reden aneinander vorbei :gruebel


    Wir könnten uns tatsächlich einen Chayenne leisten, vielleicht sogar zwei. aber wir teilen uns einen 25 Jahre alten Citroen. Warum sollte ich deshalb ein schlechtes Gewissen haben?
    Ich habe die Geschichte schon erzählt, meine Große wurde in der Schule mal benöhlt, wegen unserer Schrottkarren. Damals war das ein Opel Kadett Baujahr 1978. Was sagt das Kind? Das ist keine Schrottkarre sondern ein Oldtimer. Plötzlich klopppten sich die Jungs darum, mal bei uns mitfahren zu dürfen.


    Mir geht es, und so langsam habe ich das Gefühl, mir den Mund fusslig zu reden, um die Gesellschaft. Ich glaube, harimau weiß, was ich meine. Ich lebe hier nicht auf einer Insel. Nachbarschaft bedeutet für mich nicht nur die Häuser, die neben meinem stehen, sondern die Menschen, die darin wohnen. Und zum Glück sind die vielfältig. Da sind Rentner und Familien, Deutsche Araber und Vietnamesen, viele Hartzis, aber auch zwei recht bekannte Fernsehmenschen. Es sind Arschlöcher dabei, aber auch solche, mit denen man mal einen Schwatz halten kann, einige würde ich gar als Freunde bezeichnen. Es ist mir wichtig, wo ich wohne. Und es ist mir wichtig, nicht von Leuten umgeben zu sein, die sich für Statussymbole abrackern.


    Aber auch hier werden Stadtvillen gebaut und die paar Quadratmeter Fläche vor der Haustür noch mit einem zwei Meter hohen undurchsichtigen Zaun umgeben. Das sind Festungen, hinter denen sich die Kernfamilie verschanzt. Berlin treibt es mal wieder auf die Spitze mit Häusern, in denen das Auto per Aufzug in die Wohnung gefahren werden kann. Somit vermeidet man nahezu vollständig den Kontakt zu irgendwelchen blöden Nachbarn.


    Und das ist das Problem: Jeder kümmert sich um seinen eigenen Kram, Nachbarn sind nur noch da, um sich mit ihnen zu messen, Nachbarn, die anders sind, möchte man am liebsten gar nicht mehr treffen, scheiß auf die halbblinde Alte nebenan, soll doch dieses Assikind, eine Schulkameradin meiner Tochter, woanders hinziehen und nicht bei uns klingeln, weil die Mutter sie mitsamt kleinem Bruder rausgeschmissen hat, um Zeit mit ihrem Liebhaber vebringen zu können, das Nazi-Problem lässt sich doch ganz einfach lösen, wenn der Arsch von gegenüber endlich wegzieht. :gruebel

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von LeSeebär: Ich kann Deine Meinung durchaus verstehen, auch ich sehe immer wieder Bücher, bei deren Themen ich sage: Muß man darüber schreiben? Oder muß man Sendezeit dafür vergeuden? Nein, man muß natürlich nicht. Aber man darf. Und wenn ich es lese, heißt das ja nicht, daß mir richtige Probleme am anderen Ende vorbeigehen. Ich kritisiere hier zwar die Umsetzung des Buches, aber das eigentliche Thema Kindererziehung in einer Wohlstandsgesellschaft ist aus meiner Sicht durchaus ein Thema, daß diskutiert werden sollte. Gerade weil viele Eltern völlig verunsichert sind und beim Geld ausgeben mal wieder dem alten Glaubenssatz folgen "Viel hilft viel". Frau Maier hat mit diesem Buch leider aus meiner Sicht sehr häufig das Thema verfehlt und selbst dort, wo sie das Thema getroffen hat, zumeist nur die Auswüchse beschrieben, aber nicht mal ansatzweise an den Ursachen gekratzt. Von daher wird dieses Buch im besonderen der Thematik nicht gerecht, aber die Thematik als unbedeutend abzutun, nur weil es keines der größten Probleme betrifft, finde ich den falschen Weg.


    Ich bin völlig bei Dir, wenn es darum geht, ein Buch über die Entwicklung von Erziehungsphänomenen zu schreiben. Nur hätte ich mir bei diesem Buch mehr Essenz gewünscht.
    Eine Frage bleibt noch: Beobachtet Frau Maier nur oder geht sie offen auf die Eltern zu und spricht ihre Beobachtungen an?

  • Ich glaube, beides. So, wie ich es verstanden habe, hat Frau Maier beobachtet, aber auch mit Leuten gesprochen, und da sowohl mit Leuten, die sie vorher schon kannte, als auch mit Leuten, die sie während ihrer "Field Trips" in den PB kennengelernt hat.


    Dass sie allerdings die Leute, die ihr am krassesten aufgefallen sind, auch angesprochen hat, glaube ich wieder weniger, zumindest erwähnt sie davon nichts.


    LG, Bella

  • @ DraperDoyle:
    Ich glaube zu verstehen, was Du meinst.
    Nur warum sollte man nicht mit Nachbarn und umgekehrt sprechen, die einen Cayenne fahren? Warum werden Menschen mit finanziellem Rückhalt soziale Fähigkeiten abgesprochen?


    Ich wohne selbst in einem gemischten Wohngebiet und meine Erfahrungen mit meinen Nachbarn sind höchst unterschiedlich.
    Als älteste Mieterin im Haus kenne ich mittlerweile nur noch zwei Mietparteien, die mich und ich sie grüßen. Den Rest schert es einen feuchten Kehricht, ob man bei einer Begegnung im Treppenhaus Hallo sagt. Dafür ist mein Verhältnis zu sämtlichen Hundebesitzern der Umgebung bestens ;-).
    In gewisser Weise möchte man meinen, dass in einem Stadtteil, in dem sich der Bevölkerungsquerschnitt wiederfindet, alles gut ist. Mitnichten. Kürzlich klagte mir ein Politiker der Grünen mit Reihenhaus hier im Stadtteil die Ohren voll, dass er als armer IT-ler mit zwei Kindern sich kein Haus in einem anderen, natürlich besseren Wohnviertel leisten könne. Woher kommen die Klagen auf hohem Niveau? Wann ist es endlich genug?
    Ähnliche Begegnungen ergeben sich übrigens im Freundeskreis. Alles dreht sich um Konsum und Karriere und man meldet sich nur, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht. Ob die gesellschaftlichen Probleme tatsächlich mit gemischten Wohngebieten aufzufangen sind, bezweifle ich stark. Ein Umdenken muss her, nur ist es müßig und anstrengend, immer mit seinen Anliegen allein dazustehen. Irgendwann gibt auch der letzte Kämpfer seinen Idealismus auf.

  • Wenn wir schon bei grundlegenden Gesellschaftsproblemen angekommen sind, passen die Ergebnisse einer Studie, von der ich vergangene Woche gehört habe, dazu: Deutschland ist auf Platz 22 einer Rangliste abgerutscht, in der Kinder/Jugendliche die Zufriedenheit mit ihrem Leben bewerten, oder so ähnlich....
    Wie kann das in einem Land sein, in dem es den Leuten wohlstandstechnisch so gut geht? Die Eltern am Prenzlauer Berg leben ihren Kindern vor, auf die falschen Werte für ein glückliches Leben zu setzen, nämlich nur auf materiellen Wohlstand. Deswegen fühlen sich diese Kinder vermutlich auch nicht besonders glücklich. Weil es nicht glücklich macht, in den richtigen Klamotten im richtigen Wagen zum richtigen Cafe in einem angesagten Stadtviertel gefahren zu werden. Was ein Kind glücklich macht ist eigentlich ganz einfach, aber anscheinend für viele Eltern unmöglich zu erfüllen und so füllen sie diese Leere mit viel Schein. Was am Ende dabei heraus kommt, bleibt abzuwarten. Vermutlich eine Generation, die wieder genau auf das Gegenteil setzt, das hoffe ich zumindest....

    smilie_sp_274.gif
    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Zitat

    Original von harimau
    Nee, das geht meiner Meinung nach schon wesentlich tiefer. Man kann das Buch zum reinen Spaß lesen - oder eben auch nicht - sich aber auch weiterführende Gedanken zu den geschilderten "Auswüchsen" machen. Finde ich zumindest.


    Das sehe ich genauso.
    Von mir aus kann jeder einen vergoldeten Kinderwagen durch die Gegend schieben und seine Lebenszeit in Kinder-Cafes verbringen. Wenn...
    ...ja, wenn da nicht die Folgen der absoluten Kindzentrierung irgendwann in die Gesellschaft schwappen.


    Was ist denn die Aufgabe von Eltern? Es gibt dieses schöne Sprichwort: "Wenn Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln, wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel."
    Ich sehe meine Aufgabe als Mutter, meine Kinder für eine gewisse Zeit zu begleiten, damit sie ein selbständiger, verantwortungsbewusser und selbstbestimmter Mensch werden.
    Meine Kinder gehören mir nicht. Sie sind per Geburt selbst Mensch, haben einen eigenen Charakter, einen eigenen Willen, wollen eigene Wege gehen. Das Freiheits- und Selbstbestimmungsbedürfnis von Kindern ist groß, und nur so lernen Kinder, Eigenverantwortung zu übernehmen, die sie als Erwachsener brauchen, um zu entdecken, wie sie ihr Leben gestalten wollen.
    Dazu gehört ein Ausprobieren, sich Erproben, eigene Ziele setzen, an ihnen zu Scheitern und auch so manche Gefahr zu überleben. Wir als Eltern stehen beratend, begleitend zur Seite und stellen die dazu notwendigen Mittel zur Verfügung.
    Ich bin ein Mensch-Begleiter, kein Bildhauer, der sich ein Kind nach den eigenen Vorstellungen zurecht zimmert und vielleicht all das hineinpackt, was mir selbst versagt blieb.


    In den vorgefertigten Lebensentwürfen dieser kindzentrierten Eltern für ihre Kinder sehe ich eine Beschneidung der Entwicklung zu einem sozialen Wesen, als ein Leben im "goldenen Käfig".
    Die Kinder werden vom realen Leben abgeschottet, leben im Mikrokosmos mit gleichgesinnten Familien. Wo lernen diese Kinder Toleranz und Rücksichtnahme? Wo lernen diese Kinder, dass ich nicht alles in den Rachen gestopft kriege, sondern mir Fähigkeiten erarbeiten muss? Wo lernen diese Kinder, sich mit Andersartigkeit auseinanderzusetzen?


    Wen bringt so eine Erziehung hervor? Menschen, die um sich selbst kreisen. Wer sein Kind in Nobelkarossen packt, Markenklamotten anzieht, in nur auf eine Zielgruppe ausgerichtete Cafes steckt, in Privatschulen steckt, der suggeriert dem Kind: "Du bist der Nabel der Welt. Du bist alles!" Die Umgebung steht dem Kind zur Verfügung.


    Was brauchen Kinder für eine gesunde seelische Entwicklung? Das sind die großen drei Z: Zeit, Zuwendung, Zärtlichkeit.
    Ein Kind zu erziehen ist immer auch ein Riskio. Ich kann mein Kind nicht gegen alles versichern, mit einem sokratischen Kurs und Englisch im Windelalter ein Scheitern verhindern.
    Das Ergebnis von Erziehung lässt sich nicht voraussagen noch berechnen, noch erkaufen.
    Diese Erziehung geht nicht vom Kind aus, sonderm am Kind vorbei.


    Das Degradieren der Kinder zu kleinen Erwachsenen verhindert das Ausleben der unbeschwerten Kindheit. Es gibt einen schönen indianischen Spruch:
    "Wir Erwachsenen können nicht mehr in den Schuhen der Kinder umherlaufen, und sie noch nicht in unseren."
    Den Kindern, deren Eltern alles in ihr Kind projezieren, wird auch eine unglaubliche Last aufgebürdet, die sie noch nicht tragen können und sollen.


    Im Studium ist mir ein Satz hängen geblieben, der mich sehr geprägt hat und den ich sehr wichtig finde.
    Erziehung gelingt nur vom Ich zum Du zur Welt.
    Das Selbstwertegfühl und Selbstvertrauen im Kind stärken, sich selbst wahrnehmen mit allen Stärken und Schwächen, das ermöglicht eine Hinwendung zum Du, zur Achtung des Gegenübers, zum respektvollem Umgang (kurz: Nächstenliebe). Das wiederum ermöglicht ein verantwortlicher Teil der Gesellschaft zu sein, die zu gestalten und zu bewahren ist.


    Ich hoffe, das ist halbwegs verständlich. Harimau könnte das viel besser auf den Punkt bringen.


    Edit: Ich habe lange Zeit an dem Beitrag rumgedoktert, deshalb habe ich die aktuellen postings noch nicht gelesen. Sorry, wenn sich manches überschneidet.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Regenfisch ()

  • Zitat

    Original von Suzann
    Wenn wir schon bei grundlegenden Gesellschaftsproblemen angekommen sind, passen die Ergebnisse einer Studie, von der ich vergangene Woche gehört habe, dazu: Deutschland ist auf Platz 22 einer Rangliste abgerutscht, in der Kinder/Jugendliche die Zufriedenheit mit ihrem Leben bewerten, oder so ähnlich....
    Wie kann das in einem Land sein, in dem es den Leuten wohlstandstechnisch so gut geht?


    Wieviel Prozent der Familien in Deutschland geht wohlstandstechnisch denn wirklich gut?

  • So, nun habe ich endlich mal ein wenig Zeit und möchte nochmals auf LeSeebärs interessante erste Stellungnahme eingehen. Ich gestehe dir deine Sicht absolut zu, habe auch Verständnis für einen gewissen Rechtfertigungsdrang (Überhaupt nicht böse gemeint!), möchte aber so manches doch nicht unwidersprochen stehenlassen.


    Zitat

    Original von LeSeebär
    Gefühlte 100 Jahre nach der ersten Ausgabe der 'Emma' beginnt Frau Maier ihr Buch mit Männern, die Babys vor dem Bauch tragen oder in teuren Kinderwagen vor sich herschieben und bezeichnet das als "soziales Ritual". Nun frage ich mich als Leser - ist es ein emanzipatorischer Erfolg, wenn Kinderwagenschiebende Männer ein soziales Ritual sind (ich schiebe auch, aber nicht ritualisiert, sondern mehr aus rein praktischen Erwägungen)?


    Nein, das ist es eben nicht. Männer sollten es, wie du es von dir selbst beschreibst, praktisch und selbstverständlich tun, aber nicht, um eine Pose einzunehmen, die nur dazu dient, ihr Selbstverständnis, ihre angenommene Rolle nach Außen darzustellen. Was dann wieder zu Gruppendruck und Nachahmern führt, die sich im Zurschaustellen von größtmöglichem Glück und perfektem Vatertum überbieten. Diesen Prozess versucht sie anhand von Beispielen aufzuzeigen.


    Zitat

    Aber darum geht es Frau Maier in ihrem Buch gar nicht. Es geht eher um - aus meiner Sicht - so eine Art Paradies: Ein Ort, in dem man ohne schlechtes Gewissen Cafes oder Restaurants mit Kindern besuchen kann, wo es für die kleinen sogar aufgeschäumte Milch gibt; in öffentlichen Verkehrsmitteln stehen die Leute unaufgefordert auf, um den Rollstuhl- und Kinderwagenbereich freizugeben, wenn Eltern mit Kinderwagen einsteigen (weil es offenbar ganz normal ist!) und man muß nicht kilometerweit fahren, um Kinderklamotten zu bekommen, die nicht gerade von KIK oder ALDI sind. Die Autorin nennt diesen Ort "Familienoptimiert" und kritisiert ernsthaft, daß es dort so viele Personen mit Kindern gibt. Wen wunderts, bei derart paradiesischen Zuständen, sage ich nur.


    Was ist denn das bitte für ein Paradies, aus dem alle rausfliegen, die nicht im Mainstream mitschwimmen wollen oder können? In dem als alleiniger Maßstab die Interessen der Kinder gelten? Natürlich haben Kinder Rechte, aber sind die mehr wert als die der Erwachsenen? Womit hätten sie verdient, dass die gesamte Gesellschaft sich in erster Linie auf sie kapriziert, Kinderlose eingeschlossen? Auf ein Paradies, das sich seinen Status durch - im Gesamtkontext gesehen - Unwichtigkeiten wie Kindercafés, schicke Kinderklamottenläden und aufstehbereite Menschen im Bus verdient und dabei ein soziales Miteinander Aller leichtherzig opfert, kann ich gut verzichten.


    Zitat

    Was genau das für Eltern sind, konnte ich aus den ersten Kapiteln nicht ganz entnehmen. Es scheint sich um eine Art reiche Erben zu handeln, denn sie besuchen offenbar sündteure Kinderklamottenläden, kaufen ausschließlich im Bioladen, fahren die teuersten Kinderwagen, schicken die Kinder auf teure Privatschulen und "geben für die Kinder ihre Karriere auf".


    Diese Frage ist allgemein sicher nur schwer zu beantworten. Die Erben schwäbischer Häuslebauer sind gewiss auch darunter zu finden, dürften aber wohl kaum die Mehrheit stellen. Fakt ist, dass die "neuen PBler" über ausreichend Geld verfügen, um sich diesen Lebensstil leisten zu können und dies vor allem wollen. Nicht alle werden sich alles im Leben leisten können, aber auch die etwas weniger Begüterten entscheiden sich offensichtlich, im Zweifelsfall auf Teufel komm raus und unter Vernachlässigung anderer Bedürfnisse, die gängigen Zugehörigkeitsmerkmale zu erfüllen. Das hat objektiv betrachtet nicht immer in erster Linie mit dem Wohl der Kinder zu tun, die sicher lieber im Wald spielen würden, als in einem doofen, langweiligen Mamicafé herumzulungern.


    Zitat

    Die Autorin meint, daß die Kinder an erster Stelle stehen und das auch wüßten, aber wenn ich lese, daß sie auf den Urlaub mit Mama und Papa verzichten sollen, damit die ihnen den teuren Fremdsprachenkurs finanzieren können, werden die Kinder meiner Ansicht nach nicht gerade ihren persönlichen Vorteil darin erkennen. Mein Sohn jedenfalls (2 Jahre + 8 Monate) ist bisher immer eher für sofort Spaß als für später ein gutes Leben. Aber vielleicht sind die Kinder in Prenzlauer Berg anders gestrickt.


    Netter Versuch, einen Widerspruch zu konstruieren, aber doch ein bisschen durchsichtig. ;-) Natürlich wird kein noch so verwöhntes und im Familienkreis "mächtiges" Kind jeden seiner Wünsche durchsetzen. Dann würde es vielleicht auch niemals zur Schule gehen und täglich auf den Perserteppich kacken. Es geht um diese vielsagenden "Kleinigkeiten" wie - stellvertretend - die Sache mit dem Kartoffelpü samt Krater oder eben nicht, oder "Kein Amaranth im Müsli, habe ich gesagt. Da muss ich kotzen" (Seite 97). Soll das normal sein? Klar wissen solche Bratzen um ihre Möglichkeiten und setzen sie gnadenlos ein. Wohl gemerkt: Die Schuld an solchen Auswüchsen sehe ich bei den Eltern, den "Erziehern" (sic!), nicht den Kindern.


    Zitat

    Lustiges konnte ich in dem Buch bis dato eher wenig entdecken. Lediglich im Kapitel "Markttag" gibt es eine nette Episode. Dort kritisiert die Autorin gerade vehement, es gingen "Privatinteressen vor Allgemeininteressen" und illustriert das ohne für mich erkennbare Ironie mit Rauchern und Hundebesitzern, die im Prenzlauer Berg mit bösen Blicken / Worten leben müssen. ... Selbst die schlimmsten Sachen gilt es gegen die eindringenden Neubewohner zu verteidigen. So ergreift sie unter anderem Partei für die Alkoholiker, die sich offenbar regelmäßig auf dem Helmholtzplatz treffen. Jene waren schließlich schon immer da und stehen deshalb offenbar unter Artenschutz. Für mich nicht nachvollziehbar.


    Warum eigentlich nicht? Sind die Genannten keine Menschen, haben sie keine Rechte, oder zumindest nur solange sie den lieben Kleinen nicht in den Weg geraten? Sind sie Abschaum, und die Familien höhere, bessere Wesen? Stürmen die Asozialen jetzt ganz plötzlich alteingesessene Kinderspielplätze, qualmen dort ihre Kippen, saufen, gröhlen und lassen ihre Hunde hinscheißen und treiben damit Eltern und Kinder in die Flucht? Oder ist es nicht eher umgekehrt? Leider lässt die ideologisierte Kinderperfektbetreuung kein Miteinander zu. Wo diese Art von Eltern auftritt, muss weichen, was sich nicht anpasst. Raucher, Trinker und Hundebesitzer hingegen beschweren sich eher selten über Kindergeschrei, zahlen für ihre Laster sogar brav Steuern, aus denen nicht zuletzt das selbst jedem Cayenne-Fahrer zustehende Kindergeld finanziert wird. Mir fällt da spontan das Beispiel des Hansa Platzes in Hamburg ein. Jahrzehntelang ein Refugium der dunklen und gescheiterten Existenzen, in das sich anständige Bürger nicht trauten, wurde er jetzt auf Hochglanz poliert und die schönen Altbauten drumherum luxussaniert. Wohlhabende Familien zogen ein, und plötzlich erklang ein Aufschrei, weil Prostituierte am Platz ihr Unwesen treiben und den armen Kindern durch ihr Tun unheilbare Traumata versetzten. Der Senat der Stadt reagierte umgehend und erließ ein Kontaktverbot, was bedeutet, dass jeder Freier, der eine der Frauen anspricht, mit bis zu 200 Euro Geldstrafe überzogen wird. In der Folge brach das Geschäft ein, die Mädels versinken immer tiefer in der Illegalität und geraten im Dunkel fieser Absteigen zunehmend in Gefahr für Leib und Leben. Da könnte ich aufschreien vor Wut. Die Huren stehen seit 150 Jahren hinter dem Bahnhof, und ein paar kürzlich, ungezwungen und ungebeten Zugezogene diktieren ihren Abgang. Dann sollen sie doch wieder wegziehen, wenn es ihnen nicht passt. Niemand wollte sie hier, niemand braucht sie hier. Aber die Macht ist mit dem Geld und den aufrechten Bürgern - die anderen sind Tritte gewohnt und bleiben still.


    So, das war jetzt ganz bewusst sehr überzogen dargestellt, aber ich finde es wichtig, auch einmal die andere Seite der Medaille zu betrachten. Manchmal hilft Übertreibung, um den Kern eines Problems aufzuzeigen. Mit etwas Glück auch in diesem Fall.

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Zitat

    Original von Regenfisch
    Ich hoffe, das ist halbwegs verständlich. Harimau könnte das viel besser auf den Punkt bringen.


    Nein, das könnte ich ganz bestimmt nicht. Du hast dich mit Sicherheit viel intensver mit diesem Thema auseinandergesetzt und dir viel mehr kluge Gedanken dazu gemacht. Ich finde es sehr überzeugend formuliert und unterschreibe jeden einzelnen Satz. :anbet

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Zitat

    Original von made


    Wieviel Prozent der Familien in Deutschland geht wohlstandstechnisch denn wirklich gut?


    Lange nicht so vielen, wie ich es mir wünschen würde, aber im internationalen Vergleich doch seeeehr vielen. Obwohl die auseinandergehende Schere dafür sorgt, dass es bergab geht und immer mehr Menschen nach unten herausfallen. :-( Der Umstand, dass es in anderen Ländern zum Teil unerträglich viel schlechter aussieht, soll beileibe kein Trost sein.

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Mir geht es, und so langsam habe ich das Gefühl, mir den Mund fusslig zu reden, um die Gesellschaft. Ich glaube, harimau weiß, was ich meine. Ich lebe hier nicht auf einer Insel. Nachbarschaft bedeutet für mich nicht nur die Häuser, die neben meinem stehen, sondern die Menschen, die darin wohnen. Und zum Glück sind die vielfältig. Da sind Rentner und Familien, Deutsche Araber und Vietnamesen, viele Hartzis, aber auch zwei recht bekannte Fernsehmenschen. Es sind Arschlöcher dabei, aber auch solche, mit denen man mal einen Schwatz halten kann, einige würde ich gar als Freunde bezeichnen. Es ist mir wichtig, wo ich wohne. Und es ist mir wichtig, nicht von Leuten umgeben zu sein, die sich für Statussymbole abrackern.


    Yep, das tut er. Ich fand viele der einzelnen Abschnitte für sich betrachtet lustig, ganz gleich, ob sie womöglich übertrieben, widersprüchlich, oberflächlich oder extrem einseitig geschildert wurden. Komik darf ungenau sein, und es liegt in ihrem Wesen, dass sie sich ihrem Ziel nicht mit unbestechlicher Objektivität nähert. Wenn wir hier jetzt allerdings ernsthaft diskutieren, interessieren mich die großen Zusammenhänge, die gesellschaftliche Relevanz dieser Entwicklungen weitaus mehr als die Preise von Kinderwagen, die Selbstaufgabe erwachsener Frauen durch die Mamicard oder der Sinn Sokratischer Gespräche. Antworten auf diese Fragen erwarte ich von Frau Maier nicht, weil sie den Rahmen dieser Polemik (Ja, ich wiederhole mich - gern) sprengen würde. So viel kann - und will - dieses kleine Buch nicht leisten, ohne seinen Charakter zu verlieren. Das zu diskutieren, müssen wir schon selbst übernehmen, und niemand hindert uns daran. :-)

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Zitat

    Original von Suzann
    ...
    Wie kann das in einem Land sein, in dem es den Leuten wohlstandstechnisch so gut geht? Die Eltern am Prenzlauer Berg leben ihren Kindern vor, auf die falschen Werte für ein glückliches Leben zu setzen, nämlich nur auf materiellen Wohlstand. Deswegen fühlen sich diese Kinder vermutlich auch nicht besonders glücklich.
    ...


    Und sie setzen auf Leistung. Viele Kinder sin vom Krabbelalter an einem ungeheuren Leistungsdruck der Eltern ausgesetzt. Das geht vom Höher-Schneller-Weiter-Wettbewerb beim Laufen lernen, Trockenwerden etc und setzt sich dann im Gymnasium fort. Darunter darf es der eigene Nachwuchs einfach nicht machen. Geschweige denn, Wege abseits der erwarteten Ziele gehen.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von harimau


    Nein, das ist es eben nicht. Männer sollten es, wie du es von dir selbst beschreibst, praktisch und selbstverständlich tun, aber nicht, um eine Pose einzunehmen, die nur dazu dient, ihr Selbstverständnis, ihre angenommene Rolle nach Außen darzustellen.


    Stimme Dir da absolut zu, aber ich frage mich, ob das in dem beschriebenen Stadtteil nicht gerade tatsächlich so dermaßen normal ist, daß man damit niemandem mehr etwas beweisen kann oder muß? Wie kommt sie also darauf, daß ausgerechnet die Männer in PB das als Ritual vollziehen und nicht aus reiner Selbstverständlichkeit?


    Zitat

    Was dann wieder zu Gruppendruck und Nachahmern führt, die sich im Zurschaustellen von größtmöglichem Glück und perfektem Vatertum überbieten. Diesen Prozess versucht sie anhand von Beispielen aufzuzeigen.


    Ich hatte eigentlich den Eindruck, daß sie bis auf die Eröffnung die Väter recht gut wegkommen läßt. Wenn die Kerle sich zur Babymassage treffen, um über Bohrmaschinen zu diskutieren, scheint ihr das zu gefallen. Wenn die Frauen das gleiche machen würden, wäre es sicher wieder übertriebene Frühförderung.


    Zitat


    Was ist denn das bitte für ein Paradies, aus dem alle rausfliegen, die nicht im Mainstream mitschwimmen wollen oder können? In dem als alleiniger Maßstab die Interessen der Kinder gelten? Natürlich haben Kinder Rechte, aber sind die mehr wert als die der Erwachsenen? Womit hätten sie verdient, dass die gesamte Gesellschaft sich in erster Linie auf sie kapriziert, Kinderlose eingeschlossen? Auf ein Paradies, das sich seinen Status durch - im Gesamtkontext gesehen - Unwichtigkeiten wie Kindercafés, schicke Kinderklamottenläden und aufstehbereite Menschen im Bus verdient und dabei ein soziales Miteinander Aller leichtherzig opfert, kann ich gut verzichten.


    Zunächst einmal: Es ist selbstverständlich nur für Eltern eine Art 'Paradies'. Und natürlich ist Paradies als Begriff völlig überzogen. Ich wollte nur dem Gemotze von Frau Maier einigermaßen drastisch entgegen halten, daß die Situation für die Eltern in Prenzlauer Berg durchaus zumindest in Ansätzen Anlaß zum Schwärmen bietet (daß es in einem Ort im ehemaligen Osten ein Problem bei den Kita-Plätzen gibt, war mir zu dem Zeitpunkt noch unvorstellbar!). Daß dies zu einem Wegzug aller kinderlosen Bewohner führt, ist selbstverständlich negativ, aber ich kann den Andrang der Eltern, die gerne dorthin ziehen wollen, voll nachvollziehen.


    Zitat

    Das hat objektiv betrachtet nicht immer in erster Linie mit dem Wohl der Kinder zu tun, die sicher lieber im Wald spielen würden, als in einem doofen, langweiligen Mamicafé herumzulungern.


    Absolut richtig - wie bereits mehrfach in der Diskussion angedeutet, ich empfinde hier nicht unbedingt die Kinder als die großen Gewinner, sondern in erster Linie die Eltern. Und bezüglich des Waldes: Die fehlende Natur ist sicher einer der größten Negativaspekte aus Sicht zumindest jener Eltern, die auch oder vor allem das Kindeswohl im Kopf haben.


    Zitat


    Warum eigentlich nicht? Sind die Genannten keine Menschen, haben sie keine Rechte, oder zumindest nur solange sie den lieben Kleinen nicht in den Weg geraten? Sind sie Abschaum, und die Familien höhere, bessere Wesen? Stürmen die Asozialen jetzt ganz plötzlich alteingesessene Kinderspielplätze, qualmen dort ihre Kippen, saufen, gröhlen und lassen ihre Hunde hinscheißen und treiben damit Eltern und Kinder in die Flucht? Oder ist es nicht eher umgekehrt? Leider lässt die ideologisierte Kinderperfektbetreuung kein Miteinander zu.


    Deshalb Gegenfrage: Also lieber die Kinder weg, weil sie leider erst jetzt auf die Welt kamen und dementsprechend keine angestammten Rechte haben? Spiel- und Sportplätze werden asphaltiert, Straßen, auf denen man zu meiner Kinderzeit noch prima spielen konnte, sind heute so viel befahren, daß an Spielen nicht zu denken ist, so daß man als Familie eigentlich nur ein Häuschen am Ende einer Sackgasse beziehen kann, wenn man nicht gerade einen solchen Kinderbezirk wie PB findet (bevor jetzt wieder jemand einen plumpen Seitenhieb auf die Autorin vermutet: Ich meine das durchaus ernst, wir wohnen mit voller Absicht selbst in einem Häuschen am Ende einer Sackgasse).


    Deine Verteidigung eines seit Jahrzehnten ungesetzlichen Straßenstrichs werde ich nicht weiter kommentieren, sorry.


    Zitat

    Manchmal hilft Übertreibung, um den Kern eines Problems aufzuzeigen. Mit etwas Glück auch in diesem Fall.


    Ich denke, ich habe Deinen Kern durchaus verstanden. Ob man wirklich eine Mischung aus Rotlichtviertel, Alkis und Spielplatz hinbekommt, glaube ich allerdings eher nicht. Aber generell bin ich, wie ich irgendwo während der Diskussion bereits schrieb, durchaus mit der Kinderärztin einer Meinung, die wesentlich mehr Durchmischung der Bevölkerung fordert.


    Zitat

    Antworten auf diese Fragen erwarte ich von Frau Maier nicht, weil sie den Rahmen dieser Polemik (Ja, ich wiederhole mich - gern) sprengen würde. So viel kann - und will - dieses kleine Buch nicht leisten, ohne seinen Charakter zu verlieren.


    Also doch nur eine kleine Anekdotensammlung ohne nennenswerten Hintergrund? Dann muß ich Salonlöwin zustimmen: Darauf hätte die Welt verzichten können. Ja, daß der Charakter des Buches ein ganz anderer gewesen wäre, wenn sie statt ein paar lustigen Begebenheiten mal auf die Hintergründe und die Auswirkungen eingegangen wäre, ist völlig richtig. Dann hätte es ein Buch mit einer gewissen Relevanz sein können. So ist es leider nur ein im Ansatz stecken gebliebener Versuch, sich ein bißchen über die neuen Bewohner vom Prenzlauer Berg lustig zu machen, wobei mir auch nach Beendigung des Buches nicht klar ist, ob es ihr nun um die Eltern geht oder nicht doch eher um den verlorenen Stadtteil. Aber bei einem Buch von nahezu nicht wahrnehmbarer Relevanz spielt das wohl auch keine Rolle mehr.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Zitat

    Original von LeSeebär


    Stimme Dir da absolut zu, aber ich frage mich, ob das in dem beschriebenen Stadtteil nicht gerade tatsächlich so dermaßen normal ist, daß man damit niemandem mehr etwas beweisen kann oder muß? Wie kommt sie also darauf, daß ausgerechnet die Männer in PB das als Ritual vollziehen und nicht aus reiner Selbstverständlichkeit?


    Ich würde es genau von der anderen Seite her betrachten: Gerade hier müssen die Männer dieses "Ritual" vollziehen, um ihre "richtige" Einstellung und damit die Gruppenzugehörigkeit zu demonstrieren. Ganz offensichtlich geht es ja viel darum, in den Augen der anderen zu bestehen, darum auch soziales Ritual. In anderen, durchschnittlicheren Gemeinden kann das Kinderwagenschieben hingegen als ganz praktische Tätigkeit angesehen, ggf. von sehr konservativen Kreisen als Weicheiertum ausgelegt werden, aber so einen Blödsinn sollten wir eigentlich lange hinter uns haben.


    Zitat

    Zunächst einmal: Es ist selbstverständlich nur für Eltern eine Art 'Paradies'. Und natürlich ist Paradies als Begriff völlig überzogen. Ich wollte nur dem Gemotze von Frau Maier einigermaßen drastisch entgegen halten, daß die Situation für die Eltern in Prenzlauer Berg durchaus zumindest in Ansätzen Anlaß zum Schwärmen bietet (daß es in einem Ort im ehemaligen Osten ein Problem bei den Kita-Plätzen gibt, war mir zu dem Zeitpunkt noch unvorstellbar!). Daß dies zu einem Wegzug aller kinderlosen Bewohner führt, ist selbstverständlich negativ, aber ich kann den Andrang der Eltern, die gerne dorthin ziehen wollen, voll nachvollziehen.


    Na ja, zumindest jene, die ihre anderen Interessen hinter denen ihres Kindes / ihrer Kinder zurückstellen. Andererseits darf man auch hier um die Ecke denken, und - wie schon an anderer Stelle getan - die Frage stellen, wem eigentlich dieser ganze scheinbar total auf die Kinder bezogene Lebensstil nützt. Den Kindern selbst, oder ihren Eltern, die sich als Supereltern generieren? Ich persönlich würde mich als Vater lieber anderen Problemen stellen, als in diesem Umfeld leben zu wollen. So weit würde ich meine eigene Persönlichkeit nicht aufgeben.


    Zitat

    ... wie bereits mehrfach in der Diskussion angedeutet, ich empfinde hier nicht unbedingt die Kinder als die großen Gewinner, sondern in erster Linie die Eltern. Und bezüglich des Waldes: Die fehlende Natur ist sicher einer der größten Negativaspekte aus Sicht zumindest jener Eltern, die auch oder vor allem das Kindeswohl im Kopf haben.


    Stimmt, in diesem Punkt sind wir uns wohl alle einig. Hier schließe ich dann den Kreis zum oben angesprochenen Paradies.



    Zitat

    Deshalb Gegenfrage: Also lieber die Kinder weg, weil sie leider erst jetzt auf die Welt kamen und dementsprechend keine angestammten Rechte haben?


    Genau so meinte ich es. Dann sind wir innerhalb von ca. 100 Jahren ausgestorben und überlassen den Kakerlaken die Möglichkeit, eine bessere, friedlichere Weltordnung zu errichten!


    Oder hast du auf eine derart polemische Frage etwa eine ernsthafte Antwort erwartet? :lache


    Zitat

    Spiel- und Sportplätze werden asphaltiert, Straßen, auf denen man zu meiner Kinderzeit noch prima spielen konnte, sind heute so viel befahren, daß an Spielen nicht zu denken ist, so daß man als Familie eigentlich nur ein Häuschen am Ende einer Sackgasse beziehen kann, wenn man nicht gerade einen solchen Kinderbezirk wie PB findet (bevor jetzt wieder jemand einen plumpen Seitenhieb auf die Autorin vermutet: Ich meine das durchaus ernst, wir wohnen mit voller Absicht selbst in einem Häuschen am Ende einer Sackgasse).


    Das sehe ich auch als echtes Problem an und kann auch die Entscheidung für das Haus am Ende der Sackgasse nachvollziehen. Allerdings wird dieses Problem weder von Alkis noch Rauchern verursacht. Zumindest nicht in ihrer Eigenschaft als solche.


    Zitat

    Deine Verteidigung eines seit Jahrzehnten ungesetzlichen Straßenstrichs werde ich nicht weiter kommentieren, sorry.


    Da zu einer solchen Diskussion an dieser Stelle keinerlei Notwendigkeit besteht, nehme ich deine Entschuldigung an. ;-)


    Zitat

    Ich denke, ich habe Deinen Kern durchaus verstanden. Ob man wirklich eine Mischung aus Rotlichtviertel, Alkis und Spielplatz hinbekommt, glaube ich allerdings eher nicht. Aber generell bin ich, wie ich irgendwo während der Diskussion bereits schrieb, durchaus mit der Kinderärztin einer Meinung, die wesentlich mehr Durchmischung der Bevölkerung fordert.


    Zustimmung, auch ich fände eine gesunde Durchmischung wünschenswert. Ob Rotlichtviertel als Lebensraum für Kinder so erstrebenswert sind, dass dort unbedingt ein Spielplatz gebaut werden muss, steht auf einem anderen Blatt Papier. In reinen Industrievierteln will das auch niemand. Die Entscheidung, mit Kindern in ein solches Viertel zu ziehen, ist freiwillig und mMn hinterfragenswert. Es zu tun und sich dann darüber zu beschweren - na ja. :rolleyes Ist es wirklich so schlimm, wenn wenige Prozent Fläche unseres Landes partout nicht kindergerecht entwickelt sind und es auch gar nicht sein sollten? Ich finde es ja auch selbstverständlich, dass auf Spielplätzen nicht gesoffen und geraucht werden soll.


    Zitat


    Also doch nur eine kleine Anekdotensammlung ohne nennenswerten Hintergrund? Dann muß ich Salonlöwin zustimmen: Darauf hätte die Welt verzichten können. Ja, daß der Charakter des Buches ein ganz anderer gewesen wäre, wenn sie statt ein paar lustigen Begebenheiten mal auf die Hintergründe und die Auswirkungen eingegangen wäre, ist völlig richtig. Dann hätte es ein Buch mit einer gewissen Relevanz sein können.


    Ja, es ist ganz klar eine Anekdotensammlung, aber nicht ohne Hintergrund. Anderenfalls würden wir diese Diskussion doch gar nicht führen, oder? Wie ich schon schrieb, hat mir das Buch beim Lesen vor allem Spaß gemacht, mich aber durchaus auch zum Nachdenken angeregt. Manchmal muss man sich diese Arbeit eben selbst machen.


    Zitat

    So ist es leider nur ein im Ansatz stecken gebliebener Versuch, sich ein bißchen über die neuen Bewohner vom Prenzlauer Berg lustig zu machen, wobei mir auch nach Beendigung des Buches nicht klar ist, ob es ihr nun um die Eltern geht oder nicht doch eher um den verlorenen Stadtteil.


    Ist das überhaupt zu trennen? Geht es nicht auch darum, ob dieses spezielle Elterntum einen ganzen Stadtteil für sich beschlagnahmt und alle Andersartigen vertreibt? Ich kann deren Frust verstehen.


    Zitat

    Aber bei einem Buch von nahezu nicht wahrnehmbarer Relevanz spielt das wohl auch keine Rolle mehr.


    Amen. :lache

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von harimau ()