'Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter' - Seiten 065 - 115

  • Langsam kommt die Autorin doch noch zur Sache. Endlich ist Ihr ein Projekt auf- / eingefallen, daß tatsächlich in die Kiste "Eltern-Wahnsinn" zumindest einigermaßen hereinpaßt. Wenn ich es richtig verstanden habe, soll der Kirchplatz im Prenzlauer Berg vollständig autobefreit werden und ein reiner Kinder und Eltern-Tummelplatz werden. Da aber der Vorschlag nicht mal bei den Anwohnern, die lt. Autorin in überwiegender Mehrheit Eltern sind, auf breite Resonanz stößt, erscheint auch das kein wirkliches Argument für die These, daß die Eltern im Prenzlauer Berg völlig abgehoben sind.


    Statt dessen geht es wieder einmal um ihr offenbar eigentliches Problem: Die Eltern, die diesen Vorschlag gemacht haben, sind offenbar allesamt Schwaben. Das disqualifiziert sie natürlich sowieso. Langsam habe ich wirklich das Gefühl, daß Anja Maier ein Pseudonym von Wolfgang Thierse ist.


    Richtig grotesk wird es am Ende des selben Kapitels - sie diskutiert immer noch mit den paar Eltern, die sich jetzt offenbar auch noch erdreisten, sich über öffentliche Hundehaufen zu beschweren: "Aber, frage ich, ist es nicht irgendwie auch ein bißchen nachvollziehbar, wenn so ein kinderlärmpenetrierter Schichtarbeiter seinen Protest in Form von Hundehaufen manifestiert?" :rofl Hundehaufen als Ausdruck des Protests des deutschen Wutbürgers. Da können die Politiker ja froh sein, daß sie nur mit Eiern und Tomaten beworfen werden...


    Beim Kinderschnick-Schnackladen hat sie natürlich recht, wenn sie sagt: Braucht man das wirklich? Ähnlich wie bei den Kinderwagen zuvor. Ja, ein billiger Kinderwagen hat auch vier Räder und ein Dach. Aber ich würde die Autorin gerne fragen, ob es bei ihr nicht vielleicht ein einfaches Auto, ein Fahrrad für 100 Euro oder ein Handy, mit dem man telefonieren kann, auch tut?


    Was sie mit dem Beispiel Phorms-Schule zeigen will, leuchtet mir nicht ein. Sie erwähnt zwei Eltern - einmal von dem Mädchen, daß sie herumführt und einmal dann das Kapitel, in dem die Mutter selbst berichtet. In beiden Fällen ist die Mutter berufstätig und deshalb auf gesicherte Rund-Um-Die-Uhr-Betreuung angewiesen. Daß es das in der Form nur in einer Privat-Schule gibt, ist katastrophal und erklärt wohl, warum manche Mütter eben ganz zuhause bleiben. Sie schafft also mit diesen beiden Kapiteln imho zweierlei: Sie zeigt eine teure Privatschule, zu der die Kinder der Edel-Eltern geschickt werden, weil die Edel-Eltern eben doch nicht 24h am Tag die Kinder im Kopf haben und sie schafft Verständnis für die Macchiato-Mütter, die sich zwar so einiges leisten können, aber eben nicht die teure Privatschule und wohl unter anderem deshalb ihre Karriere aufgeben mußten. Für mich erklären diese beiden Kapitel über die Phorms-Schule mehr über die Lebenssituation als der große Rest vorher.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Ich ärgere mich darüber, dass die Autorin anfangs von massenhaften Kitas redet, dass man den Eindruck bekommt, dass die Neu-Eltern wirklich eine Wahlfreiheit hätten zwischen steuerfinanzierter Mutterschaft (was ist das?) und Berufstätigkeit (sind Kita-Plätze nicht auch steuerfinanziert?). Erst viel später erzählt sie von einem Elternzeit-Vater, der ganz verzweifelt einen Krippenplatz sucht. Die sind dort nämlich Mangelware! Etwas verlegen gibt sie dann zu, dass sie zu ihrer Mutterzeit reichlich Auswahl hatte.

  • Zitat

    Statt dessen geht es wieder einmal um ihr offenbar eigentliches Problem: Die Eltern, die diesen Vorschlag gemacht haben, sind offenbar allesamt Schwaben. Das disqualifiziert sie natürlich sowieso. Langsam habe ich wirklich das Gefühl, daß Anja Maier ein Pseudonym von Wolfgang Thierse ist.


    Auch hier: ich habe das Buch nicht zur Hand, aber ich würde fast darauf wetten, dass es eben nicht nur Schwaben sind, sondern dass auch ein Interview mit einer Frau aus NRW (Köln) enthalten ist. Die, die sich die Mitbewohner für ihr umzäuntes Townhouse genau aussuchen. (Bitte nur mit Kindern, keine Hunde etc. )


    Zudem distanziert sich die Autorin ganz klar von Hassausdrücken, wie zB "Schwaben raus"- Graffitis an den Häuserwänden. Sie unterstreicht das meiner Ansicht nach auch durch das Interview mit einem alteingesessenen Einwohner (irgendein Geschäftsinhaber),der das ebenfalls sehr verabscheut.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Zitat

    Original von rienchen


    Auch hier: ich habe das Buch nicht zur Hand, aber ich würde fast darauf wetten, dass es eben nicht nur Schwaben sind, sondern dass auch ein Interview mit einer Frau aus NRW (Köln) enthalten ist.


    Ja, es kommen an anderer Stelle auch andere böse Westdeutsche vor. Ich bezog mich oben aber explizit auf das Kapitel, wo sie explizit die schwäbischen Wurzeln der Eltern, die diesen Vorschlag machten, erwähnt.


    Zitat

    Zudem distanziert sich die Autorin ganz klar von Hassausdrücken, wie zB "Schwaben raus"- Graffitis an den Häuserwänden. Sie unterstreicht das meiner Ansicht nach auch durch das Interview mit einem alteingesessenen Einwohner (irgendein Geschäftsinhaber),der das ebenfalls sehr verabscheut.


    Im Gegensatz zu Euch anderen habe ich das Buch noch nicht beendet - bis zu der Stelle bin ich noch nicht vorgedrungen. Sorry. Bisher hatte ich nur das Kapitel, in dem es um die Plakate gegen die Zugezogenen geht. Dort konnte ich ihre eigene Meinung nicht wirklich herauslesen, nur daß sie die Plakate wohl angemessener findet als die "Tötet die Schwaben"-Sprüche.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Zitat

    Original von LeSeebär


    Was sie mit dem Beispiel Phorms-Schule zeigen will, leuchtet mir nicht ein. Sie erwähnt zwei Eltern - einmal von dem Mädchen, daß sie herumführt und einmal dann das Kapitel, in dem die Mutter selbst berichtet. In beiden Fällen ist die Mutter berufstätig und deshalb auf gesicherte Rund-Um-Die-Uhr-Betreuung angewiesen. Daß es das in der Form nur in einer Privat-Schule gibt, ist katastrophal und erklärt wohl, warum manche Mütter eben ganz zuhause bleiben. Sie schafft also mit diesen beiden Kapiteln imho zweierlei: Sie zeigt eine teure Privatschule, zu der die Kinder der Edel-Eltern geschickt werden, weil die Edel-Eltern eben doch nicht 24h am Tag die Kinder im Kopf haben und sie schafft Verständnis für die Macchiato-Mütter, die sich zwar so einiges leisten können, aber eben nicht die teure Privatschule und wohl unter anderem deshalb ihre Karriere aufgeben mußten. Für mich erklären diese beiden Kapitel über die Phorms-Schule mehr über die Lebenssituation


    Ich lebe nicht in Berlin, aber immerhin auch in einer größeren Stadt. Ich kann versichern, hier berufstätig sein zu können, ohne die Kinder in eine Privatschule schicken zu müssen. Meine beiden haben das staatlich Schulsystem durchlaufen bzw. stecken noch drin und anders als noch vor zwanzig Jahren waren die Einrichtungen durchaus flexibel, was die Betreungszeiten angeht.
    Und zur Not ist immer ein Freund, ein Elter der Freunde der Kinder, sogar die Eltern von Freunden (die eigenen Großeltern waren nicht zur Hand) eingesprungen. Das erfordert allerdings eine gewisse Pflege des sozialen Umgangs miteinander, ich kann nicht erwarten, dass meine Nachbarin mein Kind von der Schule mitbringt, wann ich sie anzähle, weil mich ihr Hahn stört.


    Dann wundert mich auch noch, dass diese Eltern so wenig Vertrauen in ihre Kinder haben. Ich bin der festen Überzeugung, dass meine Kinder selbstbewusst, klug und auch stark genug sind, auch ohne frühkindliches Yoga, singing in english und Ausdruckstanz für Krabbelkinder ihren Weg zu finden. Falls doch nicht, lag es sicher nicht daran, dass in ihrem Kindergarten kein chinesisch angeboten wurde.


    ach ja, was die Alkis angeht: sollen die wirklich nicht mehr den öffentlichen Raum nutzen dürfen :gruebel Mein Mädel hat mir gerade gestern von ihrem Bushaltestellenpenner erzählt. Der wohnte in einem Gebüsch hinter der Schulbushaltestelle, hatte nur noch ein Auge und hat die Kinder immer um ihre Pfandflschen gebeten. Er war immer (O-Ton): "naja, nett war er nicht gerade, aber auch nicht ätzend". Gestern ist er offensichtlich gestorben und wurde im Leichenwagen abtransportiert "ich glaube zumindest, dass der das war, der Sarg war ja zu".
    Ich gebe zu, eine harte rfahrung

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Ich lebe nicht in Berlin, aber immerhin auch in einer größeren Stadt. Ich kann versichern, hier berufstätig sein zu können, ohne die Kinder in eine Privatschule schicken zu müssen. Meine beiden haben das staatlich Schulsystem durchlaufen bzw. stecken noch drin und anders als noch vor zwanzig Jahren waren die Einrichtungen durchaus flexibel, was die Betreungszeiten angeht.
    Und zur Not ist immer ein Freund, ein Elter der Freunde der Kinder, sogar die Eltern von Freunden (die eigenen Großeltern waren nicht zur Hand) eingesprungen. Das erfordert allerdings eine gewisse Pflege des sozialen Umgangs miteinander, ich kann nicht erwarten, dass meine Nachbarin mein Kind von der Schule mitbringt, wann ich sie anzähle, weil mich ihr Hahn stört.


    Bei uns in der Kita kam es aufgrund der akuten Grippewelle in diesem Winter mehrfach zu Engpässen, so daß die Kita schon mittags schließen mußte. Es sind keine Kinder dort geblieben. Und ich bin sicher, wenn die Kita täglich mittags schließen würde, würden die Eltern auch da eine Lösung finden, überhaupt kein Zweifel. Ist aus meiner Sicht wie mit dem 1000 Euro Kinderwagen - natürlich geht auch billiger, aber warum, wenn man es auch bequemer haben kann.


    Zitat

    Gestern ist er offensichtlich gestorben und wurde im Leichenwagen abtransportiert "ich glaube zumindest, dass der das war, der Sarg war ja zu".
    Ich gebe zu, eine harte rfahrung


    Der Abtransport oder der Alki an sich? Ansonsten ging es ja nicht darum, die Alkis zu verbieten oder so, sondern lediglich, sie von ihrem angestammten Platz zu verbannen. In Vegesack hat man es z.B. geschafft, daß sie nicht mehr auf dem Marktplatz rumlungern, sondern abseits der Fußgängerzone auf einem unbebauten Grundstück einen eigenen kleinen Platz samt einer kleinen Hütte bekommen.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Zitat

    Was sie mit dem Beispiel Phorms-Schule zeigen will, leuchtet mir nicht ein.


    Auch wieder nur aus dem Gedächtnis:


    Sie stellt sich selbst die Frage, ob sie neidisch ist, denn sie findet die Schule eigentlich ganz gut. Angefangen bei Schuluniformen über Sportausgleich bis hin zur Hausaufgabenbetreuung. Das Kind ist sozusagen "fertig" mit allem, wenn es nach Hause kommt, man hat "reine" Zeit mit ihm, befreit von lästigen Verpflichtungen. Demgegenüber stellt sie die hohen finanziellen Ausgaben, die Ungerechtigkeit des Schulsystems (sollte es so etwas nicht für alle Kinder geben?) und die Frage, ob sie ihren Kindern sogar etwas vorenthalten hat, weil sie nicht in den Genuss einer solchen Einrichtung kommen durften. Sie kommt zu dem Schluss, dass nicht alles immer einfach war, aber das das wohl dazugehört. Und dass auch schwierige Zeiten im Nachhinein erfüllend sind, weil sie einen zusammenschweißen und wachsen lassen. Weil es Menschen gab, die in der Not immer da waren und so Freundschaften entstanden sind. Und das ist positiv, Geld kann Vieles nicht ersetzen.


    So zumindest ist es bei mir angekommen. :wave

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Ich muss sagen, dass ich die "Probleme" von Frau Maier aus meiner Warte nicht verstehe. Ich habe das Phänomen Prenzlauer Berg nie erlebt und mich würde interessieren, ob sich in anderen Städten außer Berlin auch solche "Bereiche" entwickelt haben, die mich durch Maiers Beschreibungen vage an "Ghettos" samt ihrer Begleiterscheinungen erinnern. Anscheinend gibt es einfach kein Miteinander, nur ein entweder oder. Toleranz einer jeweiligen anderen Gesinnung oder Lebensart gegenüber ist anscheinend zu viel verlangt. Nichteltern gegen Eltern ist die Devise. Was ich überhaupt nicht verstehe ist die Tatsache, warum auf der Nichtelternfront ständig "gekuscht" wird. Es gehören immer zwei Parteien zu einer Konfrontation, die beide bestimmen, in welche Richtung eine Meinungsverschiedenheit geht. Wie zum Beispiel folgende Begebenheit:


    Frau Maier lässt sich im Geschäft vom Einkaufswagen eines ergrauten Muttertieres rammen. Anstatt ihren Platz zu behaupten und sie darauf aufmerksam zu machen und der Frau Benehmen beizubringen, räumt sie wie ein schuldbewußter Pudel den Platz. Ein Seitenhieb auf die Mutter, die beim Einkaufen Rücksicht auf die Essvorlieben ihres Kindes nimmt, muss aber noch sein. Das erinnert mich an Cliquengezicke auf Schulhofniveau.
    Ich trau mich nicht gegen die vermeintlich Stärke meine berechtigten Interessen zu vertreten und schwärze sie dafür hintenrum an. Obermegapeinlich. Wo sind wir denn? Kein Wunder, dass manche Trampel, die es in jeder Gesellschaftsschicht gibt, meinen sie könnten sich alles erlauben, wenn sie mit diesem Verhalten durchkommen. Persönlich hatte ich so ein Erlebnis mit einer Rentnerin, die meinte sie hätte Vorfahrt, weil sie ja schließlich alt und gebrechlich ist. Aber dann muss man halt mal den Mund aufmachen und sich vor Publikum unbeliebt machen, nicht um den Frieden willens nachgeben Das muss die Mutti auch, die dem Tobsuchtsanfall ihres Kindes an der Kasse, das unbedingt die dort ausliegenden Süßigkeiten, nicht nachgeben darf.


    Ich kann einiges nachvollziehen, was Frau Maier über die Veränderung eines Stadtviertels schreibt, aber teilweise sind ihre Argumente an den Haaren herbei gezogen oder widersprechen sich sogar. Und eines dürfte auch klar sein. Hier geht es um ein Viertel, dass die Eltern sozusagen "übernommen" haben, genauso dürfte es aber ehemals "gute" Viertel geben, die vernächlässigt werden, herunterkommen, sich das falsche Klientel einmietet und Leute deswegen wegziehen, Geschäfte deswegen zu machen, was den Ortsansässigen auch nicht gefallen dürfte. Dort wird aber nicht eine Gesellschaftsschicht an den Pranger gestellt, sämtliche Leute über einen Kamm geschert und ihnen "niedere" Motive unterstellt.

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Ich melde mich erst jetzt zu diesem Abschnitt, weil ich nicht weiß ob ich noch weiterlesen soll oder nicht.


    Mich stören die mehr oder weniger kleinen "Seitenhiebe" gegen die Schwaben. Ich war bei diesen Geschichten nicht live dabei, aber ich glaube auch in anderen Teilen Deutschlands gibt es solche Leute wie hier die Schwaben beschrieben wurden.


    Außerdem muss ich sagen, habe ich kein Verständnis für Eltern die ihren Kindern alles erlauben, mit der Begründung die Kinder müssten ihre Grenzen austesten. Ich habe - wie ich ja schon geschrieben habe - keine Kinder, aber ich habe sehr viele Kinder in meinem Umfeld. Die einen mehr die anderen weniger "erzogen".


    Ich werde dem Buch noch eine Chance von ein paar Seiten geben und dann entscheiden ob ich es abbreche oder weiterlese.


    Viele Grüße :wave