Beim Lesen der ersten Seiten von „Das schwere Ende von Gustav Mahlers Sarg“ von Clint Lukas könnte man meinen es handelt sich um einen der typischen Berlin-Romane, in denen sich ein frustrierter Mittzwanziger über seine spießige Umwelt auslässt. Daniel hat nichts gelernt, schlägt sich mit einem Job in einer Currywurst-Bude auf dem Hackeschen Markt durch und berichtet genervt von seinem Überdruss. Doch schnell offenbart sich dem Leser mehr und auch wenn man sich über den Protagonisten stellenweise wundern kann, wird er schnell sympathisch und man folgt ihm gebannt durch sein zunehmend aufregenderes Leben.
Daniel lässt sich zunächst vom Zufall treiben: beginnend in Berlin geht es weiter nach Wien, von da aus nach Jerusalem und schließlich wieder zurück in die deutsche Hauptstadt. Unbeeindruckt lässt er sein Leben einfach geschehen, erzählt gelassen von Alkoholexzessen und Puff-Abenteuern. Doch bald bietet sich ihm eine Perspektive und die eher zufällig entstandene Idee einen eigenen Film zu drehen lässt ihn nicht mehr nicht mehr los. Er wird Teil einer turbulenten Theaterproduktion unter Leitung des verschrobenen Regisseurs Julius Janker, später dreht sich sein Leben um die Herausforderungen einer Kurzfilmproduktion und dazwischen begegnet ihm die Liebe und verändert alles.
Mit überraschendem Tiefgang und schonungsloser Offenheit erzählt Lukas von dem Hunger nach Verwirklichung und der Unberechenbarkeit der Liebe. Er porträtiert die Menschen in Daniels Umgebung aus dessen Sicht, überlässt die Wertung dabei aber weitgehend dem Leser. Die schnoddrige Sprache macht Spaß und das Buch lässt leicht lesen, so dass man es ungern aus der Hand legt. Diese Anziehungskraft lebt vor allem von der Authentizität, die sich nicht zuletzt durch die autobiographische Inspiration erklären lässt: Wie sein Protagonist lebt Lukas in Berlin, hat weder studiert noch etwas gelernt, schreibt Texte und produziert zudem Filme mit der Lukas & Levi Filmproduktion.
Seine filmerische Tätigkeit führt zu dem Clou dieses Buches, bei dem es sich um ein multimediales Zusammenspiel aus dem Roman und einer beigelegten DVD handelt. Ist das Buch ausgelesen, kommt der Leser so weiterhin in den Genuss von Lukas´ Kreativität, der bei der Produktion Regie führte. Die DVD beinhaltet den im Verlauf des Romans entstandenen 30minütigen Kurzfilm „Coke and Tarts“, schließt damit unmittelbar an die Geschichte um Daniel an und lässt Fiktion und Realität endgültig verschwimmen. Mit kunstvollen Kameraeinstellungen wird auf genauso unverhohlene und direkte Art wie im Roman von einem Kneipenabend mit Freunden erzählt, von – wie der Titel bereits verspricht – Koks und Nutten. Aber auch hier taucht wieder eine Frau auf und bringt die Liebe ins Spiel...
Lukas´ Direktheit und Offenheit könnten einen allzu zart besaiteten Leser und Zu-schauer stellenweise fordern, aber gerade das macht beides empfehlenswert. Die Kombination aus Roman und Film ist ein spannendes und definitiv gelungenes Experiment.
Edit: Name des Autors im Threadtitel hinzugefügt. LG JaneDoe