Morgen wirst du sterben - Gina Mayer (14 - 17 J.)

  • Die Informationen innerhalb der Spoilermarkierungen kann man mitlesen, muss es aber nicht tun. Sie enthalten keinen Geheimnisverrat, sondern lediglich weitere Informationen zu Personen und Handlungsverlauf.


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    Gina Mayer: Morgen wirst du sterben, Ravensburg 2013, Ravensburger Buchverlag, ISBN 978-3-473-40091-1, Softcover/Klappenbroschur, 347 Seiten, Format: 21 x 13,8 x 3 cm, EUR 12,99 (D), EUR 13,40 (A).


    Der Münchner Jungunternehmer Philipp Preuss (23), die Düsseldorfer Gymnasiasten Moritz (19) und Sophia Rothe (16) und die Hamburger Schauspielschülerin Julie Klausen (18) erhalten gleichzeitig eine rätselhafte E-Mail/SMS:


    „Was vergangen ist, ist nicht vergessen. Es kommt wieder. Es holt dich ein. Am 2. Juli wirst du zahlen.“ (Seite 53)


    Zuerst halten die vier das ganze für Spam oder einen schlechten Scherz und denken nicht weiter darüber nach. Als eine zweite Nachricht ähnlichen Inhalts kommt, erforschen sie ihr Gewissen und verdächtigen Mitmenschen, denen sie in der Vergangenheit Unrecht getan haben. Irgendwas findet sich ja immer: Philipp hat eine Freundin fies abserviert, Moritz gerät in Gedanken an eine Trunkenheitsfahrt ins Schwitzen, Sophia war an einem Mobbingvorfall beteiligt und Julia hat eine berufliche Chance genutzt, was eine Freundin ihr übel nimmt.


    Jeder der vier denkt, er sei der einzige Empfänger dieser anonymen Nachrichten. Moritz und Sophia sind zwar Geschwister, haben aber so wenig gemeinsam, dass sie nur das Nötigste miteinander reden. Philipp in München und Julia in Hamburg kennen keinen der anderen. Treibt da ein Verrückter hinterhältige Scherze mit zufällig ausgewählten Personen?


    Als der Unbekannte einen Bibelspruch schickt, aus dem hervorgeht, dass das ganze etwas mit den Vätern der Empfänger zu tun hat, sind Philipp und Julie ratlos. Philipp ist in dem Wissen aufgewachsen, eine Halbwaise zu sein. Er hat keine Erinnerung an seinen Vater. Und Julie ist das Produkt eines One-Night-Stands und hat ihren Erzeuger ein einziges Mal gesehen.


    Moritz und Sophia sind ähnlich verwirrt. Wer würde ihrem Vater, einem hart arbeitenden, langweiligen Familienmenschen, etwas Böses wollen? Zwar haben die Geschwister sich inzwischen einander und auch ihren Eltern anvertraut, doch so ernst, dass man deswegen zur Polizei gehen müsste, nimmt die Familie die anonymen Nachrichten nicht. Erst als der Unbekannte auf grausame Weise tätlich wird, dämmert es den Rothes, wie ernst dieser Mensch seine Drohungen meint. Das ist Philipp und Julie bereits schmerzhaft klar geworden, nachdem sie Opfer von Einbrüchen, Vandalismus und Sabotageakten geworden sind.


    Doch dabei bleibt es nicht: Kurz vor dem angedrohten „Zahltag“, dem 2. Juli, verschwindet Jochen Rothe, der Vater von Moritz und Sophia, spurlos. Er kommt nicht von der Arbeit nach Hause. Die Polizei kann nicht viel machen. Erwachsene dürfen verschwinden, wenn sie das wollen. Also stellen seine Kinder selbst Ermittlungen an und wühlen sich als erstes durch die Papiere ihres Vaters.


    Philipp und Julie haben ihren Vater nicht gekannt. Moritz und Sophia offenbar auch nicht, obwohl sie bei ihm aufgewachsen sind. Sie sind fassungslos, was bei ihren Nachforschungen alles ans Licht kommt. Aber was mit ihm geschehen ist, erfahren sie dadurch nicht. Und auch die Todesdrohungen des Unbekannten sind damit nicht aus der Welt.



    Schritt für Schritt enthüllen sich in diesem packenden Thriller die komplexen Zusammenhänge. Nach und nach wird auch klar, wessen traumatische Kindheitserinnerungen immer wieder in die Handlung eingestreut werden.


    Ganz zum Schluss beginnt man zu ahnen, welches Potenzial in dem Täter gesteckt hat, wenn er so einen Wahnsinns-Plan schmieden und ausführen konnte. Und dieses Potenzial konnte er nicht besser nutzen? Was für eine Verschwendung! Und was für eine Tragik! Wie oft im Leben ist der Täter hier auch ein Opfer, und als Leser tut es einem Leid, dass alles so gekommen ist.


    Sympathieträger der Geschichte ist eindeutig Sophia. Sie ist kein intellektueller Überflieger wie ihr Bruder und auch nicht so hübsch und gertenschlank wie ihre Schulkameradinnen. Deshalb fühlt sie sich als Außenseiterin. Da nützt ihr auch ihr Mantra „Marilyn Monroe hatte Kleidergröße 42“ nicht viel. Am Schluss, wenn sie mehr über ihre Familie weiß, als sie jemals hat wissen wollen, wird sie manches anders sehen.


    MORGEN WIRST DU STERBEN ist ein spannender Thriller, der Jugendliche und erwachsene Leser gleichermaßen zu fesseln vermag. Der erfahrene Leser riecht den Braten vielleicht ein kleines bisschen schneller ...


    Die meisten gelungenen Thriller kann man sich wunderbar als Film vorstellen. Dieser hier ist toll – aber ihn zu verfilmen, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Wer das Buch gelesen hat, wird wissen, warum. Sollte es doch jemandem gelingen, bin ich die erste, die ins Kino rennt. Das will ich sehen!


    Die Autorin
    Gina Mayer wurde 1965 in Ellwangen geboren. Sie studierte Grafik-Design und arbeitete als Werbetexterin. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder begann sie, Bücher für Jugendliche und Erwachsene zu schreiben. Gina Mayer lebt mit ihrer Familie als freie Schriftstellerin in Düsseldorf.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner