Fiona Bennett mit Eva Sichelschmidt: Vom Locken der Federn - Ein Leben als Modistin, Muse, Stilikone

  • Gebundenes Buch mit Banderole und drei Lesebändchen
    224 Seiten, 100 Schwarz-Weiß- und Farbfotografien
    Knesebeck Verlag
    24 cm x 16 cm
    Erscheinungstermin 14. März 2013



    Gut behütet...


    sollten meiner unmaßgeblichen Meinung nach viel mehr Menschen in Deutschland sein. Ich persönlich trage sehr gern zu den verschiedensten Gelegenheiten die passende Kopfbedeckung. Allerdings richte ich mich dabei wenig nach der aktuellen Mode und gebe keine Unsummen dafür aus. Da ich mich mit dem Modisten-Handwerk und der Berliner Kunstszene bislang noch nicht eingehender beschäftigt hatte, war mir Fiona Bennett auch kein Begriff. Der interessant klingende Klappentext und die ungewöhnliche Aufmachung des Buches haben mich dann glücklicherweise aber doch zum Lesen verführt.


    Irrigerweise nahm ich im Vorfeld an, es womöglich mit einer sehr mondänen, vom Leben verwöhnten und leicht affektierten Frau zu tun zu haben, die dennoch interessante Erlebnisse und Informationen in petto hat. Herausgekommen ist bei meinem Leseexperiment letztendlich aber etwas völlig anderes. Denn das, was Fiona Bennett auf 224 Seiten zu erzählen hat, ist tatsächlich durchgängig fesselnd und sehr erhellend. Fiona Bennett selber war jedoch eine große Überraschung für mich. Ich durfte eine sehr warmherzige, intelligente, vor Einfallsreichtum und Arbeitseifer sprühende, humorvolle und lebenslustige Frau kennenlernen, die offensichtlich permanent mehr zu geben hat, als sie nimmt. Bescheiden und bemerkenswert offen berichtet sie aus einem Leben, das es nicht immer gut mit ihr meinte, aus dem sie aber das Beste gemacht hat. So spricht Fiona Bennett auch nicht nur erfolgreiche Unternehmungen, sondern auch gescheiterte Projekte und die Gründe dafür an. Es gibt zuhauf skurrile, außergewöhnliche und witzige Geschichten im Buch, es findet aber keine peinliche Nabelschau statt und wenn mal eine Person nicht so gut wegkommt, dann wird darüber nur andeutungsweise und sehr dezent berichtet.


    Neben Fiona Bennett, ihren Freunden und ihrer Arbeit kommt Berlin eine besondere Rolle in dem Buch zu. Der Leser erhält Einblick in die dortige Kunst- und Kulturszene vor und nach der Wende, den stetigen Wandel derselben und das Leben der Menschen in dieser Stadt. Darunter viele interessante Persönlichkeiten wie Ben Becker, Käthe Be, die Rockband Rammstein und die Königin von Berlin. Auch einige österreichische Kunstschaffende und internationale Stars wie Brad Pitt, Katie Holmes (beide Kunden von Fiona Bennett) und Vivienne Westwood werden erwähnt, jedoch eher am Rande. Der Fokus liegt mehr auf dem beruflichen Werdegang der bekannten Modistin, ihren früheren Lebensverhältnissen (u.a. ein in die Jahre gekommener Moabiter Altbau mit Außentoilette als Wohnstätte), ihren Freundschaften und Beziehungen sowie ihrer Kindheit in einem Vorort der englischen Küstenstadt Brighton.


    Vieles in dem Buch ist zum Schmunzeln oder Staunen, anderes wiederum sehr anrührend und bewegend. Insgesamt war ich beeindruckt vom lockeren, dabei stets einfühlsamen und niveauvollen Erzählstil. Dafür möchte ich an dieser Stelle Eva Sichelschmidt, der engsten Freundin Fionas und Gründerin des Berliner Geschäfts "Whisky & Cigars", ein großes Lob aussprechen. Denn sie hat Fiona Bennetts mündliche Berichte formvollendet ins Schriftliche übertragen und dem Endprodukt damit ihren eigenen Stempel aufgedrückt.


    Die Gestaltung des Buches, das vom Format her zwischen Hardcover und Bildband liegt, finde ich wie Fiona Bennetts Hutkreationen höchst originell. Die schwarz-weißen Streifen, die die Rückseite und einen kleinen Teil des vorderen Bereichs zieren, sind den gleichfarbigen Streifen auf der Ladenuniform und den Hutschachteln der Modistin nachempfunden, während einem das schreiende Gelb der Vorderseite sofort ins Auge springt. Toll finde ich auch die drei verschiedenen Lesebändchen und die farblich passende Banderole. Innen geht es farbenfroh weiter mit zahlreichen Schwarz-Weiß- und Farbfotografien, die Fiona Bennetts Freunde, Familie (z.B. Sohn Linus), Mitarbeiter, andere Künstler, sie selbst und ihre Hüte zeigen. Die Fotos sind auf dem gleichen Papier wie die Texte gedruckt, künstlerisch anspruchsvoll und wirkten in ihrer stilsicheren Inszenierung überaus faszinierend auf mich. Für mich sind die wundervollen Hüte von Fiona Bennett eindeutig und unzweifelhaft Kunst.


    Ich hatte beim Lesen viel Spaß und etliche magische Momente. Fiona Bennetts Natürlichkeit und Herzlichkeit sind mir sehr sympathisch, und ich wünsche ihr weiterhin viel Glück auf privater Ebene und mit ihrem Hutsalon in der Potsdamer Straße. Vielleicht schaffe ich es eines Tages sogar, dort vorbeizuschauen. Wer weiß, manchmal werden Träume wahr!


    10 Eulenpunkte!
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