Rolf Lappert - Der Himmel der perfekten Poeten

  • Skurril, schrecklich, schön und voller Wärme

    Ein Leseerlebnis der besonderen Art besonders für diejenigen Leser, die Romane mögen, die nicht nach Schema F gestrickt sind, also nicht die gewohnten Erwartungen bedienen.
    Die Spannungskurve diese Romanes verläuft keineswegs stringent - die Entwicklung der Charaktere ebensowenig - aber es ist einfach tolles Kopfkino, das Lappert in seiner gekonnten Beschreibung der Szenen entstehen lässt. In einer Atmosphäre der Stille, Langeweile und Trägheit eines einsamen Ortes in der Wüste in Arizona treten die Eigenarten und Skurrilitäten der vier italienischen Schriftsteller, die es dorthin verschlagen hat, besonders deutlich hervor. In der lastenden Hitze oft kurz vor dem Durchdrehen, fragt sich jeder von ihnen, was er eigentlich hier verloren hat, und doch mag keiner von ihnen diesen Ort verlassen und nach Italien zurückkehren, aus jeweils unterschiedlichen Gründen. Dazu wohnt hier auch der alternde Beltrametti, der Gründer der Literatur-Stiftung, die die vier Autoren eingeladen hat. Seine beginnende Senilität und seine ganz eigenen Vorstellungen von Literatur erschweren den Autoren das Leben zusätzlich. Erzählt wird überwiegend aus der Perspektive eines Fotografen, Luca, der seinen Job bei einer Zeitung verloren hat und aufgrund mehrerer Zufälle an diesem Wüstenort gelandet ist. Er hat den Job als Diener und Allroundkraft für Einkauf, Auffüllen der Kühlschränke, das Servieren der Mahlzeiten übernommen und kümmert sich um das persönliche Wohl Beltramettis.


    Es ist Literatur vom Feinsten, die man hier serviert bekommt. Lappert schreibt so, wie die großen Autoren der frühen Kurzgeschichten - in Bildern, knapp, dabei wird das Licht auf Details geworfen, die Stimmung und Tiefe erzeugen.


    Da die Figuren nicht alle von Anfang an eingeführt und charakterisiert werden, sondern Ausschnitte der Lebensgeschichten nach und nach eingeflochten sind, macht der Roman auch manchmal etwas Mühe.
    Wenn ein anfangs erwähnter Namen plötzlich an weit späterer Stelle wieder auftauchte, konnte ich mich nicht immer erinnern, um wen es sich handelte. Dennoch konnte ich aber die Zusammenhänge beim Weiterlesen wieder nach und nach herstellen, es brauchte nur etwas Geduld.


    Die Handlung, die zeitweise träge dahinfließt und manchmal auf der Stelle stehenzubleiben scheint, nimmt an völlig unerwarteter Stelle wieder an Fahrt auf. In den sehr eigenartig verlaufenden kleineren Spannungsbögen wird der Leser schließlich zu einem überraschenden Hauptereignis geführt, in dessen Verlauf sich alles zu überschlagen scheint. Mitten in diesem Szenarium, in dem die vier Autoren sowie Luca und Beltrametti aufgrund der schrecklichen Umstände einander ungewöhnlich nahe kommen, wird man als Leser völlig mit hineingezogen.
    All diese Szenen entbehren nicht der Skurrilität - und sind dabei zugleich von einem Gefühl der Wärme und Freundschaft unterlegt, das sich hier erst mit voller Wucht entfaltet.


    Immer wieder wollte ich das Buch weglegen, weil es nicht durchgehend die Spannung hält, doch ich konnte es einfach nicht lassen, immer wieder ein Stück weiterzulesen. Der Roman entwickelt einen (unmerklichen) Sog und wird dann ganz plötzlich sehr spannend. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich weitergelesen habe - denn die zeitweise Trägheit der Handlung ist Teil des Konzeptes, bildet den Hintergrund für das, was später geschieht - und es lohnt sich, die (gelegentliche) Ungeduld auszuhalten, die beim Lesen entsteht, denn man kann die Absurdität und Schrägheit des Entstehenden umso mehr genießen.


    Und wie schon im dem Roman "Nach Hause schwimmen" konnte ich wieder einmal darüber staunen, wie es dem Autoren Rolf Lappert gelingt, die vielen verschiedenen scheinbar "losen Enden" auf virtuose Weise zusammenzuführen.


    Ich vergebe 9 Eulenpunkte.


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