OT: Happy Times in Norway 1942/ Lykkelige dager 1947auf deutsch erstmals erschienen 1957, übers. von Sophie Angermann
In Glückliche Zeiten beschreibt Undset die Kinderjahre ihrer drei Kinder, zweier Söhne und einer Tochter, in Bjerkebaek bei Lillehammer. Sie berichtet von harmonischem Familienleben, Festen, Kinderstreichen, von Haustieren und dem Lauf der Jahreszeiten. Aber dieses Buch ist nicht einfach nur eine von vielen Erinnerungsgeschichten, die eine rosarot angehauchte heile Welt ‚von früher’ aufleben lassen, um Leserinnen ein paar schöne Stunden zu bereiten. Undsets Erinnerungen an das Leben mit ihren Kindern ist in mehrfacher Hinsicht ein besonderes Buch.
Auf den ersten Blick erfreuen ihre klare Sprache, ihr Talent, Landschaft, Wetter, den Lauf der Jahreszeiten zu beschreiben. Ihre Porträts der auftretenden Personen, von den Kindern zu den Erwachsenen bis hin zu den geliebten Haustieren, gleich, ob Haupt - oder Nebenfigur, sind präzis, ihnen allen gilt ihre Zuneigung. Noch im Spott ist sie freundlich, Kritik und Ironie werden nur sanft eingesetzt. Ihr Ohr für Dialoge ist scharf und weit geöffnet für den Witz hinter vielen ernsten Dingen. Ihr Vorrat an Familienanekdoten scheint unerschöpflich.
Es braucht seine Zeit, bis einer beim Lesen auffällt, daß in dieser heilen Familie die gewohnte männliche Zentralgestalt fehlt. Tatsächlich findet dieses innige, ausgeglichene Familienleben in den Jahren nach 1919 statt, als Undset, geschieden und alleinerziehend, mit ihren Kindern in Bjerkebaek bei Lillehammer lebte. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihr Leben beschreibt, ist auch für heutige Verhältnisse verblüffend. Es gibt keine Lücke im Familienkreis.
Ebenso selbstverständlich geht Undset damit um, daß ihre Tochter geistig behindert war. Das Mädchen, Tulla, wird besonders umsorgt und verwöhnt, aber auch das gehört zur Normalität des Familienalltags.
Gegliedert ist das Buch in drei Teile. Es beginnt mit dem Winter und Weihnachten, mit einer so schönen Beschreibung der Weihnachtstage, daß sie einen den Kitsch, den dieses Fest angelagert hat, für die Dauer des Lesens nahezu vergessen läßt. Es geht dann über in den Frühling mit dem Höhepunkt des 17. Mai dem norwegischen Nationalfeiertag, und endet mit einem langen Kapitel über den Sommer auf den Weiden hoch oben in den Bergen.
Das ist kein Zufall. Undset schrieb das Buch 1941 in den USA, wohin sie im Jahr zuvor mit ihrem jüngsten Sohn Hans vor den Nationalsozialisten geflohen war. Die Erinnerungen an die schönen Kinderjahre ihrer kleinen Kinder sind ein Mittel, um Leserinnen und Leser in den USA ein Bild des norwegischen Alltags zu vermitteln, der Sitten und Bräuche, vor allem aber eines norwegischen Patriotismus. Die Beschreibung des Nationalfeiertags bildet nicht von ungefähr den Mittelteil des Buchs. Auch hier aber ist es wieder Undsets Talent zu verdanken, daß die Blicke auf die Geschichte Norwegens, die Bedeutung und die Bewunderung seiner Nationalfarben und der Flagge nicht sentimental verkommen, sondern wichtiger Teil der erzählten Geschichte sind. Die Lektüre kann man also auch heute noch genießen, ein wenig verwundert vielleicht, aber ganz sicher nicht abgeschreckt.