Theodor Heuss: Der Bürger als Präsident - Peter Merseburger

  • Theodor Heuss: Der Bürger als Präsident - Peter Merseburger


    DVA 2012


    Zum Inhalt (amazon):


    Liberal, gebildet, charakterstark – Theodor Heuss, der Ausnahmepolitiker


    Als Theodor Heuss am 12. September 1949 zum ersten Bundespräsidenten gewählt wurde, war das Amt nicht viel mehr als ein »Paragraphengespinst«. Er füllte es mit seiner Person und seinen politischen Erfahrungen und setzte Maßstäbe, die bis heute gelten. Heuss wurde zu einem »Erzieher zur Demokratie« und verschaffte der jungen Bundesrepublik Ansehen im Ausland. Als »Papa Heuss« wurde er populär und genoss die Sympathie der Bevölkerung.
    Peter Merseburger, Verfasser mehrerer großer und viel gelobter Biographien, zeichnet das Leben dieses Politikers nach, der seine Wurzeln im Kaiserreich hatte und die Brücke zur Bundesrepublik schlug. Heuss war Journalist, Schriftsteller, Intellektueller, ein klassischer Bildungsbürger. Seine Lebensgeschichte ist zugleich eine Politik-, Kultur- und Zeitgeschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert.


    Autor (Angaben nach amazon):


    Peter Merseburger, geboren 1928, war von 1960 bis 1965 Redakteur und Korrespondent beim SPIEGEL und ab 1969 TV-Chefredakteur des NDR. Als Korrespondent leitete er in den siebziger und achtziger Jahren die ARD-Studios in Washington, London und Ostberlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher (unter anderem über Kurt Schumacher und Rudolf Augstein), seine Biographie Willy Brandts ist ein Standardwerk geworden und wurde 2003 mit dem Deutschen Bücherpreis ausgezeichnet. Heute lebt Merseburger in Berlin und arbeitet als freier Publizist.


    Meine Meinung:


    Konrad Adenauer gilt als einer der wichtigsten Deutschen. Er war Bundeskanzler und hat maßgeblich die Nachkriegspolitik geprägt. Auch seine Nachfolger als Bundeskanzler lassen sich mühelos aufzählen und einordnen.


    Bei den Bundespräsidenten sieht das für viele schon anders aus. Als kürzlich zum Jahrestag der Amtsübernahme Joachim Gaucks die BILD-Zeitung eine online-Umfrage startete, wer der bedeutendste Bundespräsident (gewesen) sei, war ich vom Ergebnis etwas geschockt: Natürlich rangierte Richard von Weizsäcker ganz vorne (in Sachen Selbstdarstellung war er immer schon gut ...), dann aber kamen schon Namen wie Köhler, Rau und Gauck ...


    Ich hatte (für mich selbstverständlich) Theodor Heuss angeklickt. Der landete im einstelligen Prozentbereich. Nun ist Heuss für mich auch bereits eine historische Figur (er starb ein Jahr vor meiner Geburt), dennoch aber erachtete ich ihn immer als bedeutenden Deutschen. Aber ich musste auch ehrlich zugeben, über ihn weit weniger zu wissen als z.B. über Adenauer oder Schumacher.


    Wenn sich also heute viele (junge) Leute fragen, wer jener Typ sei, nach dem Straßen oder Plätze benannt wurden, ist die Biographie, die der Journalist Peter Merseburger geschrieben hat, eine große Hilfe. Merseburger zeichnet den Lebensweg des Theodor Heuss spannend und informativ nach. Er beschreibt den Journalisten und Autor, den Politiker und Kulturmenschen durchaus nicht unkritisch, verweist auf Brüche und Fehler, aber arbeitet ebenso deutlich die großen Begabungen des ersten Bundespräsidenten heraus. Die Fähigkeit, zu vermitteln und zusammenzuführen hat Heuss oft in der negativen Sicht den Ruf eines inkonsequenten Zauderers gebracht, gleichzeitig aber an vielen Stellen seines Lebens und vor allem in seiner Zeit als Präsident Maßstäbe gesetzt, die auch heute noch an den Bundespräsidenten angelegt werden. Seine Erfahrungen (und Fehler) als Abgeordneter in der Weimarer Republik waren im Parlamentarischen Rat bei der Entstehung des Grundgesetzes Gold wert.


    Theodor Heuss: Der liberale Demokrat aus Deutschlands Südwesten wird den Lesern durch Merseburgers Buch ganz nahe gebracht. Absolute Leseempfehlung!

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Herzlichen Dank für diese sehr interessante Buchvorstellung. Theodor Heuss war nach dem Kriege der richtige Mann am richtigen Platz. Er verkörperte nach der Nazizeit den personifizierten "Vater Staat" - man nannte ihn ja auch in großer Zuneigung "Papa Heuss". Er hat sehr viel für dieses Land geleistet und trotzdem gerät er leider fast in Vergessenheit.
    Ein aufrichtiger Liberaler - ein Liberaler der den Begriff "Liberalismus" noch wirklich lebte.


    Merseburger selbst ist ja auch eine Ikone des kritischen Journalismus. Seine Bücher zu lesen ist jedes Mal ein wirkliches Erlebnis.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Eigentlich ist es unglaublich schade: Über manchen Trivialmüll wird bei den Eulen ein riesengroßer Hype gemacht - andere Bücher aber, die es wirklich wert sind über sie zu reden - da wird geschwiegen.


    Diese Buchvorstellung von Churchill hätte wirklich weitaus mehr Interesse verdient - als nur 21 Klicks (Stand 03.04.2013 um 8.54 Uhr).


    :-( :-( :-( :-( :-( :-( :-(

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Bestimmt sehr interessant, aber - auch wenn es gewiss den Preis wert ist - momentan nicht auf der realisierbaren Wunschliste, sondern eher im Hinterkopf für künftige Gebrauchtgelegenheiten oder Taschenbücher. :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Ist es eigentlich unbedingt notwendig, die Biografien dermaßen umfangreich aufzublähen? Ich denke da an die aktuelle Kohl-Biografie von H.P. Schwarz aus dem gleichen Verlag mit über 1000 Seiten, bei Heuss hat man sich immerhin auf weniger als 700 Seiten beschränkt.


    Ich habe zum Thema Heuss unten verlinktes Buch auf dem Zettel, das hat gerade mal 184 Seiten, und überlege nun, was wohl auf den übrigen 500 Seiten stehen mag, daß der eine Autor für nicht erwähnenswert erachtet und ob es sich vielleicht doch lohnt, sich gleich für die bedeutend umfangreichere Variante zu entscheiden.


    (Ja, mir ist schon klar, daß ich wohl niemanden finde, der tatsächlich beide Bücher gelesen hat und mir den Unterschied verraten kann, dieser Beitrag ist eher eine Gedankenstütze für mich selbst)

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Eigentlich ist es unglaublich schade: Über manchen Trivialmüll wird bei den Eulen ein riesengroßer Hype gemacht - andere Bücher aber, die es wirklich wert sind über sie zu reden - da wird geschwiegen.


    Diese Buchvorstellung von Churchill hätte wirklich weitaus mehr Interesse verdient - als nur 21 Klicks (Stand 03.04.2013 um 8.54 Uhr).


    :-( :-( :-( :-( :-( :-( :-(



    Ach ja, Voltaire, da sagst du was.
    Abgesehen davon, dass dieses teure Buch etwas für meinen Geburtstags- oder gar Weihnachtswunschzettel ist - das Buch und churchills Rezi hätten in der Tat weitaus mehr Interesse verdient. (Übrigens, lieber churchill: Ich wurde eine Woche nach seinem Amtsantritt geboren!).
    Aber die Büchereulen sind eben auch "nur" ein Querschnitt der Bevölkerung, zweifellos des lesebegeisterten Teils derselben. Und als solcher fahren sie mehrheitlich auf das ab, was auch außerhalb des Forums im Fokus des allgemeinen Bücherinteresses steht. Wie könnte es auch anders sein. Allein der höchst unterschiedliche Anteil von weiblichen und männlichen Eulen spiegelt bereits die Realität der Buchkäufer wider.
    Immer mal wieder gibt es hier zwar hochinteressante "Ausreißer", was die Rezis außergewöhnlicher Bücher angeht, aber seien wir ehrlich zu uns selbst: Den weitaus größten Anteil der Besprechungen und Diskussionen, auch der Leserunden, machen Bücher aus, die mitten im Trend liegen, literarische Qualität und intellektueller Anspruch hin oder her. Daran ist nichts Verwerfliches, auch wenn man es beklagen mag oder, wie du - übrigens zu Recht - "Trivialmüll" nennt: Das Eulenforum vereint vornehmlich Lesebegeisterte, die sich über das austauschen, was die meisten auch konsumieren, ohne einem solchen Forum anzugehören.
    Lyrik beispielsweise, auch politische Literatur, Anspruchsvolles abseits des Main- und Moneystreams kommt hier manchmal erfreulicherweise auch vor, aber eben sehr selten. Und wenn, findet´s kein großes Interesse - höflich ausgedrückt.
    Das mag man beklagen, aber es ist eine Tatsache. Und dennoch hat´s mir von Anfang an Spaß gemacht, hier dabeizusein, weil die Eulen sehr viel kritischer und bewusster an Bücher herangehen, als dies allgemein üblich ist - auch an "Trivialmüll". Und so bekommen die seitenlangen Dispute über "Shades of Grey" einen gewissen Schmelz, da derlei Elaborate hier nicht einfach dümmlich verschlungen, sondern durchaus lebendig und kontrovers aufgearbeitet werden. Mehr kann man eigentlich von einem Bücherforum aus lesebegeisterten Laien nicht füglich verlangen. Ich finde sogar, das ist ganz schön gut!
    Und deshalb bin ich immer noch sehr gern hier.

  • Zitat

    Original von LeSeebär
    Ist es eigentlich unbedingt notwendig, die Biografien dermaßen umfangreich aufzublähen? Ich denke da an die aktuelle Kohl-Biografie von H.P. Schwarz aus dem gleichen Verlag mit über 1000 Seiten, bei Heuss hat man sich immerhin auf weniger als 700 Seiten beschränkt.


    Ich habe zum Thema Heuss unten verlinktes Buch auf dem Zettel, das hat gerade mal 184 Seiten, und überlege nun, was wohl auf den übrigen 500 Seiten stehen mag, daß der eine Autor für nicht erwähnenswert erachtet und ob es sich vielleicht doch lohnt, sich gleich für die bedeutend umfangreichere Variante zu entscheiden.


    (Ja, mir ist schon klar, daß ich wohl niemanden finde, der tatsächlich beide Bücher gelesen hat und mir den Unterschied verraten kann, dieser Beitrag ist eher eine Gedankenstütze für mich selbst)


    Ich weiß nicht, ob 600 Seiten nötig sind (der Rest besteht aus Anmerkungen), kann aber sagen, dass sich an keiner Stelle Langeweile einstellte. Gravierender erscheint mir im Vergleich zu dem von dir verlinkten Buch etwas anderes: Der Autor Ernst Wolfgang Becker ist Mitarbeiter der Stiftung "Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus" in Stuttgart. Die Objektivität der Darstellung dürfte sich in gewissen Grenzen halten. Da reizt es mich ungleich mehr, die Version eines profilierten Journalisten zu lesen, der auch früher bereits glänzend geschriebene politische Biographien (Kurt Schumacher, Willy Brandt) vorgelegt hat.


    Zu Voltaires Bemerkung: Das Eulennest lebt von der Vielfalt. Ich freue mich, dass sich inzwischen mehr als 40 Klicks zählen lassen. Viel eher muss ich mir selbst vorwerfen, dass ich zu selten Rezensionen schreibe. Bücher, die es genauso verdient hätten wie ein vorliegende Biographie, habe ich durchaus gelesen.

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Titel: Theodor Heuss. Der Bürger als Präsident. Biographie
    Autor: Peter Merseburger
    Verlag: DVA
    Erschienen: November 2012
    Seitenzahl: 671
    ISBN-10: 3421044813
    ISBN-13: 978-3421044815
    Preis: 29.99 EUR


    Diese Biographie von Peter Merseburger ist viel mehr als eine normale Biographie. Die Lebensgeschichte des ersten deutschen Bundespräsidenten ist auch ein Streifzug durch die deutsche Kultur- und Zeitgeschichte.


    Merseburger schaut auch immer wieder über den Tellerrand, entfernt sich vom Leben von Theodor Heuss, ohne es dabei aber aus den Augen zu verlieren. Dieses Buch ist mehr als ein nacherzähltes Leben; es ist auch eine Darstellung der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft angefangen vom Kaiserreich bis hin in die „Flegeljahre“ der zweiten deutschen Demokratie. Ein Buch auch über politische Irrtümer, Fehlleistungen und Berichtigungen.


    Der Leser wird Zeuge einer politischen Entwicklung die rasanter kaum sein kann. Von der Untertantreue während des Kaiserreiches hinein in die Aufbruchsstimmung der Zwanziger Jahre, die dann aber vom dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte abgelöst wurden. Und wieder mussten dann Trümmer beiseite geräumt werden, Trümmer die vorallen Dingen in unvorstellbarem menschlichen Leid bestanden. Leid, das Deutschland über Europa gebracht hatte.


    Und Theodor Heuss gehört zu jenen Politikern die behutsam die Aussöhnung Deutschlands mit den ehemaligen Feinden vorantrieben. Die große Schwierigkeit bestand darin, überhaupt ein gewisses Vertrauen wieder aufzubauen – Vertrauen, das völlig zerstört war.


    Merseburger erzählt sehr sensibel, bezieht aber auch Stellung – hebt Heuss nicht auf einen Sockel sondern macht auch vor kritischen Anmerkungen nicht halt. Und so entsteht das Bild eines Menschen, der wohl wie kaum ein anderer geeignet war, das erste Staatsoberhaupt der jungen Bundesrepublik zu werden.


    Ein sehr empfehlenswertes Buch – vielleicht auch für denjenigen geeignet, der sonst um Politik und Zeitgeschichte einen weiten Bogen macht, vielleicht schafft dieses Buch es ja, Interesse und Begeisterung zu wecken. 9 Eulenpunkte für eine herausragende Biographie.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.