• Es ist lange her, dass ich eine ruhige Nacht erlebt habe.
    Tagsüber konzentriere ich mich auf meine Arbeit im kleinen Buchladen von Herrn Müller. Sobald ich Feierabend habe, kommt die Angst.
    Auf dem Nachhauseweg fühle ich mich beobachtet, aber wenn ich mich umschaue ist da niemand. Die Schatten spielen ihre Streiche mit mir. Sie tauchen überall auf, versperren meinen Weg und lauern in den Gassen auf mich. Sie wollen mich schnappen, aber ich bin nicht dumm! Ich gehe nur die Hauptstraße entlang. Viele Menschen, viele Lichter.
    In meiner Wohnung angekommen sperre ich alle Türen und Fenster zu. Vorsichtshalber prüfe ich alles nach. Dreimal.


    Angefangen hat es vor drei Wochen. Als ich in der Mittagspause zu der Bäckerei gegenüber ging ist er mir das erste Mal aufgefallen. Ein dunkel gekleideter Mann, ungefähr Mitte 30, mit kurzen Haaren. Er stand an der Straßenecke und blätterte in seiner Tageszeitung. Vor der Ladentür angekommen schaute ich noch einmal zu ihm rüber und ertappte ihn dabei, wie er hastig den Blick von mir abwandte. Zu dem Zeitpunkt habe ich mir noch nicht viel dabei gedacht und vergaß diese seltsame Begegnung bald wieder.


    Eine Woche später verschlimmerte sich das Gefühl, dass ich beobachtet werde und die Panik kam. Schritte hallten hinter mir, Blicke brannten auf meinem Rücken und schlafen konnte ich auch kaum noch. Die ganze Nacht hörte ich einen Wagen vor unserem Haus auf und ab fahren.
    Manchmal klopfte jemand laut an meine Tür, doch wenn ich öffnete, war niemand in der Nähe. Nach einiger Zeit reagierte ich gar nicht mehr darauf sondern drehte nur meine Musik lauter. Das half mir aber nicht durch die Nacht... Nachts war ich allein...


    Habe ich schon erwähnt, dass es jetzt nicht nur einer ist? Mittlerweile sind es vier Männer. Manchmal tun sie so, als ob sie mit etwas anderem beschäftigt sind. Doch nicht immer machen sie sich die Mühe. Was wollen sie von mir? Wieso starren sie mich so an? Am liebsten würde ich schreien! Sie sollen verschwinden und mich in Ruhe lassen! Doch der Mut verlässt mich immer, bevor ich den Mund öffnen kann. Ich bin verstummt.


    Auf der Arbeit rede ich nur noch das Nötigste. Meine Freunde habe ich lange nicht mehr gesehen. Ich würde gerne mal wieder mit ihnen tanzen gehen und einfach alles vergessen. Wenigstens für ein paar Stunden... Aber dann müsste ich aus meiner Wohnung... Nachts... Nein, den Gefallen tue ich ihnen nicht. Ich bin keine Maus, die einfach in die Falle geht! Ich bin ein Mensch! Ich habe Würde und Verstand!


    13. November 1941, 3:27 Uhr
    Ich höre sie! Sie kommen um mich zu holen. Was habe ich denen denn getan? Wo bringen sie mich hin? Jetzt brechen sie die Tür auf. Ich

    Viele Grüße
    Inks



    bokmal.gif


    Aktuell: Mai Thi Nguyen-Kim - Komisch, alles chemisch! | Salman Rushdie - Die satanischen Verse

    SuB: 48

  • Mein Beitrag zum Thema 'Verrückt', der es wegen eines Übertragungsfehlers leider nicht in den Schreibwettbewerb geschafft hat.


    Freue mich über eure Meinungen und (wenn ihr mögt) Kritiken. :wave

    Viele Grüße
    Inks



    bokmal.gif


    Aktuell: Mai Thi Nguyen-Kim - Komisch, alles chemisch! | Salman Rushdie - Die satanischen Verse

    SuB: 48

  • Mir gefällt deine Geschichte richtig gut. Ich würde so gerne mehr erfahren zum Hintergrund und wie es weitergeht. Bei mir wärst du damit bestimmt in den Punkten gelandet, verdammt schade mit dem Übertragungsfehler, hättest bestimmt gut abgeräumt! Die Atmosphäre ist dicht, die Sprache flüssig und lebendig.


    Normalerweise kommentiere ich nur ungern Texte anderer Schreiberlinge, hier konnte ich es mir nicht verkneifen. Ich bin begeistert!

  • Da die Geschichte im Bereich der "Anfängerautoren" steht, gebietet es die Höflichkeit nicht allzu hart mit ihr ins Gericht zu gehen.


    Also - dann mal (einigermaßen) freundlich formuliert:
    Nette Idee ganz ordentlich zu Papier gebracht, "Pointe" nicht mit dem Holzhammer sondern mit einem weichen Gummihammer serviert. Es gibt da plattere Pointen.....


    Schade das sie nicht am schreibwettbewerb teilgenommen hat - auch wenn sie dort von mir unter Garantie keine Punkte bekommen hätte. Aber nicht der Sieg ist wichtig - sondern die Teilnahme. Auch hier gilt der Spruch der Alt-Olympioniken.


    Fazit: Es gibt sicher schlechtere Geschichten.... :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ordentlich geschrieben. Die Spannung gesteigert. Da ich das Thema des Schreibwettbewerbes im Kopf hatte, dachte ich an alle möglichen psychiatrischen Erkrankungen ;-)
    Insofern hat mir die Pointe richtig gut gefallen, hat bei mir einen kleinen Schreckmoment verursacht.

  • man bleibt dran an der Geschichte. leider hat mir der letzte satz die pointe verdorben:


    Zitat

    Original von Inkslinger


    13. November 1941, 3:27 Uhr
    Ich höre sie! Sie kommen um mich zu holen. Was habe ich denen denn getan? Wo bringen sie mich hin? Jetzt brechen sie die Tür auf. Ich


    musste hieran denken:
    Sie kommen dich zu holen.. Sie werden dich nicht finden… Niemand ...

    Man muß noch Chaos in sich haben um einen tanzenden Stern gebären zu können - frei nach Nietzsche
    Werd verrückt sooft du willst aber werd nicht ohnmächtig - frei nach Jane Austen - Mansfield Park

  • Hat mich gut unterhalten, Spannung schön aufgebaut, runde Sache.
    Das Ende hinterließ mich erst etwas ratlos, was wohl die volle Absicht der Autorin war. Aber die Datumsangabe lässt mich dann in eine Richtung interpretieren, von der ich jetzt nicht genau weiß, ob ich da auf dem Holzweg bin, die aber der Geschichte einen ganz anderen Sinn gibt, als man anfangs denkt.


    Dass es am Ende ein bisschen nach "Jeanny" klingt hat mich auch ein bisschen abgelenkt :grin


    Ich bin mit der Punktvergabe noch nicht ganz klar, aber deine Geschichte hätte durchaus Chancen gehabt. :wave

  • Ich ärger mich immer noch über mich selber, dass das nicht geklappt hat und eure Kommentare haben mich etwas aufgemuntert.
    Ich danke euch. :wave


    (Hab bei dem Ende nicht an den Song gedacht, aber im nachhinein muss ich zugeben, dass man da schon etwas dran denken könnte.. Naja, das Lied ist auch ein bissl gruselig und verrückt, von daher passt es ja zum Thema ;-))

    Viele Grüße
    Inks



    bokmal.gif


    Aktuell: Mai Thi Nguyen-Kim - Komisch, alles chemisch! | Salman Rushdie - Die satanischen Verse

    SuB: 48

  • Die Interpretation von arter ist schon eher das, woran ich gedacht habe.


    Jemand, der das Gefühl hat, verfolgt zu werden und dewegen den Verstand zu verlieren.
    Wobei das eine (die Verfolgung) sich als Wahrheit herrausstellt.


    Schlussendlich gibt jeder Leser einer Geschichte ihren eigenen Sinn und das ist ja auch das Schöne daran. ;-)

    Viele Grüße
    Inks



    bokmal.gif


    Aktuell: Mai Thi Nguyen-Kim - Komisch, alles chemisch! | Salman Rushdie - Die satanischen Verse

    SuB: 48

  • Jap, genau. Aber was ist ohne das Datum? Dann hätte ich auch Schizophrenie getippt. Oder auf Fremdenhass z.B.


    edit: oder Vampire :lache

    Man muß noch Chaos in sich haben um einen tanzenden Stern gebären zu können - frei nach Nietzsche
    Werd verrückt sooft du willst aber werd nicht ohnmächtig - frei nach Jane Austen - Mansfield Park

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von WaterPixie ()